Berlin
Spähangriff auf private Konten

Datenschutzbeauftragte Voßhoff kritisiert hohe Zahl der Kontenabfragen durch Behörden

10.04.2015 | Stand 02.12.2020, 21:26 Uhr

Berlin (DK) Big Brother im Jobcenter, der Finanzbehörde oder dem Bafög-Amt? Das Bankgeheimnis zunehmend ausgehöhlt? Der starke Anstieg der Kontoabfragen durch staatliche Behörden hat gestern in Berlin Empörung hervorgerufen.

Die Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff forderte den Gesetzgeber auf, die Abfragemöglichkeiten zu beschneiden. Diese müssten auf das „unbedingt erforderliche Maß“ zurückgeführt werden, sagte Voßhoff im Gespräch mit unserer Berliner Redaktion. Auch müsse die Einhaltung datenschutzrechtlicher Vorgaben streng geprüft werden. Nach Angaben des Bundesfinanzministeriums ist im vergangenen Jahr die Zahl der Anfragen sprunghaft angestiegen. Gegenüber dem Jahr 2013 haben sich die Anfragen auf 230 500 verdoppelt. Im laufenden Jahr dürfte die Zahl weiter steigen.

Seit 2005 dürfen Behörden über das Bundeszentralamt für Steuern Kontodaten abfragen. Diese können die Daten nutzen, wenn beispielsweise Hartz-IV-Empfänger keine ausreichenden Nachweise über ihre Vermögensverhältnisse vorlegen oder die Steuerbehörden Pfändungen gegen Steuerschuldner einleiten wollen. Den Kontostand oder Geldbewegungen teilen die Banken allerdings nicht mit. Abgefragt werden dürfen im Rahmen des Kontenabrufs nur die sogenannten Stammdaten, also Name, Geburtsdatum, Adresse und Kontonummer eines Bankkunden. Seit Anfang 2013 können auch Gerichtsvollzieher auf diese Daten zurückgreifen – was ihnen in vielen Fällen erst die Möglichkeit geben dürfte, zu pfänden. Allein die Gerichtsvollzieher haben im vergangenen Jahr 72 000 Anfragen mehr gestartet als im Vorjahr. 60 Prozent der Anfragen gehen damit auf sie zurück.

Allein 80 000 Anfragen und damit 35 Prozent wurden von Finanzämtern gestellt. Die Bundesregierung setze sich seit Jahren intensiv für den Kampf gegen Steuerhinterziehung ein, sagte ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums. In der Anfangszeit hätten die technischen Rahmenbedingungen eine sachgerechte Nutzung der Kontenabrufmöglichkeit gehindert, sagte er. Das Bundesverfassungsgericht hatte im Jahr 2007 den Abruf der Stammdaten grundsätzlich gebilligt.

Voßhoff zufolge seien die Behörden indessen weit über das Ziel hinausgeschossen. Ursprünglich sei das Instrument eingeführt worden, um die Terrorismusfinanzierung zu bekämpfen, sagte die oberste Datenwächterin. „Diese Datensammlung hat im Laufe der Jahre immer mehr Begehrlichkeiten geweckt, was zu einer stetigen Erweiterung der Abfrageberechtigten geführt hat“, klagte die Bundesbeauftragte für den Datenschutz. Auch die Opposition zeigte sich empört. „Datenabfragen sind in Maßen in Ordnung, aber nicht in Massen“, sagte die Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Katrin Göring-Eckardt, im Gespräch mit unserer Berliner Redaktion. Jedes Jahr klettere die Zahl der Abfragen auf einen neuen Rekordwert. Die Bundesregierung setze der Entwicklung kein Ende, kritisierte Göring-Eckardt. „Es muss endlich gesetzliche Klarstellungen geben, damit Kontoabfragen die Ausnahme und nicht die Regel sind.“

Das FDP-Präsidiumsmitglied Volker Wissing beklagte, dass die Kontoabfragen zu einem Standardinstrument geworden seien, das mehr und mehr routinemäßig eingesetzt werde. „Nach der NSA-Affäre ist der hemdsärmelige Umgang mit den Daten der Bürgerinnen und Bürger mehr als unangebracht“, sagte Wissing.