Berlin
Angst vor einem "gläsernen Autofahrer"

Datenschützer warnen vor Dobrindts Vorschlag, die Pkw-Maut elektronisch zu erfassen – Infrastruktur zur Erfassung kostet 337 Millionen Euro

02.11.2014 | Stand 02.12.2020, 22:03 Uhr

Die Pkw-Maut soll mit einem elektronischen System erfasst werden - Foto: Imago

Berlin (DK) Den Sturm und den Spott hatte er erwartet. Alexander Dobrindt war nicht davon ausgegangen, dass der Streit mit der Vorlage seines Maut-Gesetzes vorbei sein würde. Das Konzept ist deutlich abgespeckt. Kaum ist das Konzept auf dem Markt, da werden nicht nur die bisherigen Bedenken wieder laut, sondern hagelt es auch neue Kritik. Dobrindt will für seine Maut-Vignette die Nummernschilder aller Pkw elektronisch erfassen und kontrollieren lassen.

Ein Verstoß gegen den Datenschutz? Die Gefahr der flächendeckenden Überwachung? Der Verkehrsminister winkt ab. „Nein. Die elektronische Vignette ist ja bewährt“, entgegnet der CSU-Mann den Kritikern und verweist auf eine ähnliche Praxis in Italien. Außerdem habe man „die härtestmöglichen Datenschutzregeln“ ins Gesetz aufgenommen, die man in Deutschland kenne. „Die Maut-Daten werden ausschließlich für die Maut-Entrichtung aufgenommen und unter keinen Umständen anderen Zwecken zur Verfügung gestellt, auch nicht dem Bundeskriminalamt oder anderen Sicherheitsbehörden“, sagt der CSU-Minister.

Der Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA), Jörg Ziercke, fordert die Nutzung von Mautdaten für die Verbrechensbekämpfung. „In besonderen Ausnahmefällen der Schwerstkriminalität halte ich es für sinnvoll, wenn wir Maut-Daten für Ermittlungen nutzen könnten“, sagt Ziercke der „Welt am Sonntag“. Er sei sich sicher, „dass dies in bestimmten Fallkonstellationen zu einer schnelleren Täterermittlung führen würde“.

Das habe beispielsweise der Erfolg bei der Ermittlung des jahrelang gesuchten Autobahnschützen gezeigt, unterstrich der BKA-Chef. Der Lkw-Fahrer war am vergangenen Donnerstag vom Landgericht Würzburg zu zehneinhalb Jahren Haft verurteilt worden.

In der Politik regt sich allerdings Widerstand gegen Dobrindts Vorschlag der elektronischen Erfassung. „Es geht um sensible Daten von 40 Millionen deutschen Autofahrern“ erklärte SPD-Fraktionsvize Sören Bartok. Grünen-Chef Cem Özdemir warnt bereits vor einem „gläsernen Autofahrer“, sein Parteifreund Konstantin von Motz befürchtet einen Dammbruch. Klaus Müller, Vorstand der Verbraucherzentrale Bundesverband, spricht von einer „Datenkrake“.

Auch Johannes Caspar, Beauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit in Hamburg, äußert im Gespräch mit unserer Berliner Redaktion Zweifel: „Die papierene Vignetten-Lösung wäre aus Sicht des Datenschutzes sicherlich vorzuziehen. Die digitale Erfassung von Kfz-Kennzeichen führt dagegen zur Gefahr einer Bildung von umfassenden Bewegungsprofilen der Autofahrer.“ Caspar warnt: „Grundsätzlich lässt ein solches System eine lückenlose Überwachung des Individualverkehrs zu.“ Der Datenschützer fordert deshalb, im Gesetz genau festzuschreiben, für welchen Zweck die Maut-Daten genutzt werden können.

Für den geplanten Aufbau des Pkw-Mautsystems liegt eine konkrete Kostenschätzung vor. Dobrindt plant dafür 337 Millionen Euro ein. Das geht aus dem Gesetzentwurf hervor. Der Großteil, rund 276 Millionen Euro, wird als einmalige Vergütung für einen privaten Betreiber angesetzt, um ein Maut-Erhebungssystem zu errichten. Beim Kraftfahrt-Bundesamt in Flensburg sollen technische Voraussetzungen geschaffen werden, was zehn Millionen Euro kosten dürfte. Zum Aufbau von Kontrolleinrichtungen sind 51 Millionen Euro vorgesehen.