Ingolstadt
Sie erhalten sogar Todesdrohungen

Kommunalpolitiker aus dem Raum Ingolstadt erzählen, wie sie mit anonymen Hass-Briefen umgehen

09.08.2019 | Stand 23.09.2023, 8:08 Uhr
Wer solche Drohbriefe wie auf diesem Symbolbild erhält, sollte sie nicht wegwerfen, sondern Strafanzeige erstatten. −Foto: Richter

Ingolstadt (DK) Im Herbst beginnt der Wahlkampf, im März darauf stimmt das Volk in Bayern über ihre Bürgermeister und Gemeinde- oder Stadträte ab.

Doch viele Mandatsträger wollen nicht mehr antreten, und oft liegt es nicht am Alter. Die Zahl der verbalen Angriffe und Anfeindungen gegen Kommunalpolitiker nimmt stetig zu, auch in der Region Ingolstadt. Nicht wenige Amtsinhaber haben bereits unangenehme Erfahrungen gemacht. Selbst ein ehemaliger Geistlicher aus dem Kreis Eichstätt gehört zu den Opfern. Wir haben bei einigen nachgefragt.

Roland Dörfler ist der Dritte Bürgermeister von Pfaffenhofen und weiß ein Lied von anonymen Drohbriefen zu singen - die Einschüchterungsversuche waren so arg, dass er wochenlang Polizeischutz bekam. Die Schreiben seien nach der Einweihung einer Moschee 2015 von rechter Seite eingegangen, sagt der Grünen-Politiker. "Das war schon ganz übel: ,Wir wissen, wo du wohnst, deine Familie ist nicht mehr sicher', haben sie gedroht. Der Tag der Machtübernahme werde kommen und dann würde ich erhängt, ertränkt und mir der Bauch aufgeschlitzt. " Vier Jahre ist das her, und es war ihm damals schon mulmig, vor allem seiner Familie wegen. Dörfler war zur Polizei gegangen, später sei in Berlin ein Tatverdächtiger ermittelt und verurteilt worden, sagt er. Ab und zu erhält er heute noch Hass-Mails. "Aber ich habe gelernt, damit umzugehen. "

Anzeige erstatten, die Anfeindungen auf gar keinen Fall hinnehmen - das sei der einzig richtige Weg, hatte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) kürzlich beim Besuch unserer Zeitung zu diesem Thema geraten. Seit der Ermordung des Kassler Regierungspräsidenten Walter Lübcke durch einen Rechtsextremen haben Drohungen gegenüber Politikern eine andere Bedeutung bekommen. "Dieser Mord ist ein Alarmzeichen", sagte Herrmann. Wie aktuell das Thema ist, zeigen die jüngsten Vorgänge in Hauzenberg im Kreis Passau. Die dortige Bürgermeisterin Gudrun Donaubauer (Parteilos) hat diese Woche wegen einiger am Ort geplanter Windräder ein Drohschreiben erhalten, darin enthalten eine tote Maus.

Frauen haben es in der Kommunalpolitik besonders schwer, diese Erfahrung musste auch Claudia Forster (CSU/CW) als Bürgermeisterin von Denkendorf machen. Bald nach ihrem Amtsantritt im April 2013 war es losgegangen. Sie bekam Schreiben, die unter die Gürtellinie gingen, sie mache Politik mit Stöckelschuhen, kurzen Röcken und Popowackeln, hieß es da, verbunden mit noch schlimmeren Entgleisungen. "Es tut weh, auf sowas reduziert zu werden", sagt Forster. Eineinhalb Jahre ging das so. Sie hat es sich nicht gefallen lassen und schließlich Strafanzeige erstattet. "Das habe ich entsprechend kommuniziert, und schon war Ruhe. "

Es ging damals um einen Kindergarten, der aus kirchlicher in kommunale Trägerschaft wechselte, offenbar zum Unmut mancher Denkendorfer. Selbst der damalige Pfarrer Pater Reiner Nagel bekam in "christlicher Nächstenliebe" verunglimpfende Briefe. Er solle doch abhauen und andere Nettigkeiten. "Sowas bleibt in den Kleidern sitzen und tut sehr weh", sagt er heute noch, inzwischen in der Oberpfalz als Seelsorger tätig. "Schon mein Vorgänger ist mit Drohbriefen traktiert worden, er hat das alles geschluckt, bis zu seinem Herzinfarkt. " Nicht so Pater Reiner Nagel: Er hängte die Schmierbriefe kurzerhand öffentlich aus und donnerte im Gottesdienst sinngemäß von der Kanzel: Mit mir macht ihr das nicht! "Es hat geholfen", sagt er. Dass er später einen Schlaganfall erlitt, führt er unter anderem auf die Aufregung damals zurück.

Der Ingolstädter Bürgermeister Sepp Mißlbeck (FW) hat nur einen einzigen Schmähbrief erhalten. "Aber da habe ich gewusst, aus welcher Ecke der stammt. Wir haben das in einem Gespräch geklärt und können uns wieder in die Augen schauen. " Einmal war er gar Opfer einer Geiselnahme, aber da hatte es ihn wohl eher zufällig erwischt.

Miteinander respektvoll reden, darauf setzt der Eichstätter Landrat Anton Knapp (CSU). "Ich muss sagen, bisher habe ich Glück und noch nie einen Drohbrief gekriegt. " Wütende Bürger in den Amtsstuben mit unflätiger Wortwahl, die kennt er freilich. Wie den Metzgermeister, der wegen eines Gebührenbescheids losgeplärrt hatte. "Die lasse ich erst mal austoben, und dann reden wir vernünftig", sagt Knapp. Sein Kollege Martin Wolf (CSU) in Pfaffenhofen hält es ähnlich. Der Neuburger OB Bernhard Gmehling (CSU) war ebenfalls schon mit "groben Ausdrücken" konfrontiert, will das indes nicht überbewerten. "Ich stelle aber doch fest, dass der Respekt der Bürger vor uns Kommunalpolitikern leider immer mehr schwindet. "

Horst Richter