München
Wirtschaftsminister im Twitter-Nahkampf

Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger geht Kritiker im Internet harsch an

09.08.2019 | Stand 23.09.2023, 8:08 Uhr |
Petr Jerabek
Will kein "Watschenbaum" sein: Wenn Hubert Aiwanger kontert, dann richtig. Das finden nicht alle gut. − Foto: Weigel/dpa

München (DK) Mit Hubert Aiwanger legt man sich in den sozialen Netzwerken besser nicht an.

Das erlebte kürzlich auch der Münchner Politik-Professor Christoph Knill. Als er auf Twitter den Dialekt des Vize-Ministerpräsidenten parodierte ("ihr ormen Honseln"), konterte Aiwanger prompt: "Typisch rassistische Arroganz gegen die dialektsprechende Landbevölkerung. " Und er fügte an die Adresse des Uni-Professors hinzu: "Tolle Leute lassen wir auf die nächste Generation los. "

Wer Aiwanger auf Twitter attackiert, muss sich auf einen gepfefferten Gegenangriff einstellen. Dabei verwendet der Freie-Wähler-Chef auch Formulierungen wie "Dummschwätzer", "Du arroganter Schlaumeier" und "erzähl keinen Mist" oder wirft Nutzern vor, den "dicken Maxe" zu spielen oder blöd zu argumentieren.

Einige User kritisieren diese Wortwahl: "Von Herrschaften in gewissen Positionen erwarte ich mehr Souveränität", schreibt ein Nutzer. Ein anderer meint: "Vielleicht sollten Sie sich wie ein Politiker benehmen und nicht wie ein unreifes Kind. "

Aiwanger weist solche Kritik zurück: "Man muss sich nicht der Erwartungshaltung beugen, ein Politiker müsse sich in den sozialen Medien dumm anmachen lassen und soll dazu noch gequält lächeln", sagte er unserer Zeitung. Der Wirtschaftsminister verweist darauf, dass immer häufiger über Respektlosigkeit in sozialen Medien gegenüber Politikern geklagt werde. "Glaubt jemand, das wird besser, wenn der Beleidiger weiß, der Politiker steckt alles ein und lässt sich zum Watschenbaum machen? Nein! " Sich beleidigen zu lassen, ohne sich zu wehren, sei nicht souverän, "sondern eher Angst vor der Eskalation und Wegducken". Er wähle seine Worte auf Twitter so, "wie ich es auch bei einer realen Begegnung mit dem Gegenüber sagen würde".

Politik-Professor Knill findet Aiwangers harsche Reaktionen "partiell durchaus sympathisch". Denn statt konsequent eine formal-offizielle Fassade zu wahren, vermittle er Spontaneität sowie persönliche Wahrnehmungen und Emotionen. In gewisser Weise reflektiere diese Twitter-Strategie explizit Bürgernähe, "wenngleich dabei - bewusst oder unbewusst - teilweise rhetorisch die Nähe zum Dorfstammtisch gesucht wird".

Die Twitter-Rhetorik Aiwangers wirke zwar zunächst krass, sagt der Hamburger Politik- und Digitalberater Martin Fuchs. "Aber wenn man sich seine Karriere anschaut, ist er sich eigentlich treu geblieben: ein Bauer aus der bayerischen Provinz, der es in die große Politik geschafft hat. Und genau das Klientel vertritt er. " Laut Fuchs tut er mit deftigen bayerischen Worten "genau das, was die Leute von ihm erwarten". Aiwanger komme rüber als eigenständiger Kopf, als jemand, der sich nicht abschleifen lasse. Für einen deutschen Politiker mit Regierungsamt sei Aiwangers Ton aber sehr ungewöhnlich. "Da fällt mir nur noch Bodo Ramelow aus Thüringen ein. " Auch bei dem Linken-Politiker komme es ab und zu vor, dass er sich provozieren lasse und dann unsouverän reagiere. "In seiner Funktion sollte Aiwanger sich souveräner und konziliant verhalten", betont Fuchs. Wer als Politiker nachhaltig wahrgenommen werden wolle, müsse anders agieren.

in Gegenpol zu Aiwangers Twitter-Auftritt ist der persönliche Kanal von Markus Söder (CSU): Der Ministerpräsident präsentiert sich dort mittlerweile sehr staatsmännisch, Antworten von Usern lässt er außer Acht. "Schöne Fotos von schönen Terminen aus dem wunderschönen Bayern - alles ist perfekt, alles ist superduper", schildert Fuchs. Zwar sei der präsidiale Stil "nicht falsch für einen Politiker, der Landesvater werden möchte und das noch nicht ist in der Wahrnehmung der Bevölkerung". Auf Dauer sei das aber extrem langweilig. Aiwanger dagegen stelle sich der Diskussion, "teilweise auch unsmart und über den Mund fahrend", sagt der Politikberater.

Laut dem Kommunikationswissenschaftler André Haller von der Universität Bamberg zeigt die Forschung generell, dass es eigentlich populistische und kleinere Parteien seien, die aggressiver und kontroverser kommunizieren. "Im Fall Aiwanger ist es komplexer", erläutert Haller. "Hier vermischt sich auf Twitter seine frühere Rolle als kantiger Oppositionspolitiker mit der jetzigen als Regierungsmitglied. "

Petr Jerabek

Artikel kommentieren