"Wir sind eine bewährte Kraft "

29.06.2018 | Stand 02.12.2020, 16:09 Uhr
Hubert Aiwanger. −Foto: Lino Mirgeler

Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger über die Chancen seiner Partei bei der Landtagswahl.

Herr Aiwanger, Sie finden, dass die Freien Wähler als Oppositionspartei das Regierungshandeln in Bayern erstaunlich stark beeinflusst haben.Woher dieses Selbstbewusstsein?
Hubert Aiwanger: Wir Freie Wähler haben in den letzten zehn Jahren, in denen wir im Bayerischen Landtag vertreten sind, mehr Erfolge für unsere Bürger durchgesetzt, als Grüne und SPD zusammen in den letzten Jahrzehnten. Das zeigt, dass wir den Finger am Puls haben, dass wir die Themen draußen erkennen und gemeinsam mit unseren Bürgern abgearbeitet haben: Abschaffung der Studiengebühren, Wiedereinführung des neunjährigen Gymnasiums und zuletzt jetzt Abschaffung der Straßenausbaubeiträge. Das waren Erfolge, die gemeinsam mit dem bayerischen Volk gelungen sind. Und wir sind der Überzeugung, dass wir ab Herbst - ich hoffe in einer Regierungsbeteiligung - noch mehr umsetzen können. Wir werden weiterhin nahe am Volk sein, aus dem Volk heraus Politik machen, wir werden nicht abheben, sobald wir es irgendwo auf eine Regierungsebene geschafft haben, sondern das wird unser Markenzeichen bleiben, und man wird sich wundern, wie bürgernah auch eine Regierungspolitik sein kann.

Nun wollen Sie auch noch die Kita kostenfrei machen?
Aiwanger: Ja, es ist überfällig, dass auch in Bayern die Eltern von den teils horrend hohen Kosten für Kinderkrippen entlastet werden, genauso für den Kindergarten. Die halbe Republik stellt diese Kinderbetreuungen mittlerweile kostenfrei, warum nicht auch das angeblich so reiche Bayern? Bevor wir Söder'sche Traumtänzereien wie eine Kavallerie oder ein teures Weltraum-Programm auf die Tagesordnung bringen, müssen wir uns doch mal erst um unsere Kinder kümmern. Wir sind der Überzeugung, dass dieses Geld gut angelegt ist, und es sind ja nicht neue zusätzliche Ausgaben der Bürger, sondern es sind Ausgaben, die bis dato schwerpunktmäßig den Eltern aufgebürdet werden. Und wenn wir schon mehr Kinder in Bayern wollen, müssen wir als Solidargemeinschaft den Eltern diese Kosten abnehmen. Die Eltern sind heute ohnehin schon mit sehr hohen Kosten konfrontiert. Wenn sie in der Stadt eine Wohnung und dort ein Kinderzimmer extra brauchen, ist das kaum mehr bezahlbar. Und dann noch die Kinderkrippe mit einem Preis von 500 bis 1000 Euro und mehr - das ist unsozial und muss abgeschafft werden.

Am Wochenende treffen sich die Freien Wähler zum Landesparteitag. Welche Weichenstellungen wollen Sie vornehmen und mit welchen Themen ziehen Sie in den Landtagswahlkampf?
Aiwanger: Wir Freien Wähler stehen für eine bürgernahe Politik mit gesundem Menschenverstand und wollen das auch zum Kern unseres Wahlprogramms machen. Das Wahlprogramm trägt die Überschrift "Für die Zukunft unserer Heimat". Daraus können Sie schon ableiten und ablesen, in welche Richtung es gehen soll. Im Prinzip behalten wir unseren zuverlässigen Politikstil der letzten Jahre und Jahrzehnte bei. Wir sind eine bewährte Kraft und haben hier ganz konkrete Themen: Kommunales, Stärkung des ländlichen Raums, des Mittelstands, der bäuerlichen Landwirtschaft. Wir wollen die Kita kostenfrei, wollen keine dritte Startbahn, weil dadurch der Zuzug nach München und die Metropolbelastungen in München immer noch mehr werden. Wir wollen schnelles Internet, die Krankenhäuser erhalten, Hebammen- und Ärzteversorgung verbessern. Und wir stehen natürlich für eine bessere Bildungspolitik. Ich erinnere nochmal an unsere Volksbegehren: Studiengebühren weg, G9 wieder eingeführt. Jetzt geht es darum, mehr Lehrer einzustellen, damit wir nicht in wenigen Jahren ein großes Drama erleben, weil wir mehr Kinder an den Grundschulen haben, aber weniger Lehrer. Das ist ja heute schon ein Problem. Und es fehlt einfach generell die Vorausschau in der bayerischen Landespolitik. Söder und Co. werden vor lauter Showeffekten, die sie uns derzeit vorzelebrieren, erst in fünf Jahren merken, dass wir mehr Kinder haben und zu wenig Lehrer. Wir wollen diese Dinge heute schon lösen. Also Verantwortungsübernahme und vorausschauende Politik, alles aus der bürgerlichen Mitte heraus, im Sinne der Bürger. Das ist unser Politikkonzept.

Im politischen München war vermutet worden, dass es die Freien Wähler zwischen der CSU und der AfD zerreiben würde. Das ist den Umfragen zufolge nicht passiert. Warum?
Aiwanger: Wir haben eine starke Basis, vor allem auch in den Kommunen, im Mittelstand und haben damit eigentlich immer einen Wähleranteil, der uns über der Fünf-Prozent-Hürde hält. Und jetzt ist ja auch unbestreitbar, dass wir in letzter Zeit sehr viele Erfolge vorzuweisen hatten, was zusätzliche Wähler zu uns bringt. Damit war es eine Fehleinschätzung aus CSU-Kreisen, wir würden aufgrund der AfD in Bayern untergehen. Das hatten einige auch so gehofft und hätten wohl lieber, wenigstens für eine Legislatur, die AfD im Landtag gehabt und uns damit hinausbugsiert und dann gehofft, am Ende auch wieder die AfD loszubekommen und damit wieder die absolute Herrschaft der CSU zu zementieren. Diese Rechnung ist nicht aufgegangen. Ich unterstelle der CSU sogar, beim Thema der Flüchtlinge in den letzten Jahren Lösungsansätze gezielt nicht angewendet zu haben, um hier zu polarisieren. Das ist ihr selbst auf die Füße gefallen. Und es ist mittlerweile so, dass die CSU unter immer mehr bürgerlichen oder rechten Parteien leidet und damit die absolute Mehrheit verloren geht. Unser Landtagseinzug ist nicht gefährdet. Und wir sind ganz klar der Überzeugung: Politik aus der Mitte heraus ist der richtige Weg. Wer AfD wählt, bekommt am Ende linke Regierungen. Und jetzt ist es noch der Glücksfall, dass in Bayern die Freien Wähler so stark sind, sonst hätten wir die Situation wie in anderen Bundesländern, dass eine starke AfD dazu führt, dass am Ende die Grünen in die Regierung kommen.

Den Umfragen zufolge wird die AfD im Oktober in den Landtag einziehen. Erwarten Sie einen Kulturwandel im Maximilianeum? Und was ist aus Ihrer Sicht der richtige Umgang mit der AfD?
Aiwanger: Ja, ich fürchte, dass mit deren Einzug die Polarisierung im Landtag um unnütze Themen massiv zunehmen wird. Man wird sich nur noch über Geschäftsordnungsanträge, Vizepräsidenten und ideologische Debatten streiten, die dem Bürger nicht weiterhelfen. Ich will, dass wir im Landtag die Themen diskutieren und zu einer Lösung bringen, die für die Bürger Bayerns wichtig sind: Bildungspolitik, Stadt-Land-Thematik, Hebammenversorgung, schnelles Internet, bäuerliche Landwirtschaft und so weiter - und nicht über Juncker, Trump und dergleichen streiten. Wir müssen hier die Probleme unseres Landes lösen und nicht Ideologen das Feld überlassen. Wenn Sie sich den Zustand in den anderen Landesparlamenten ansehen, in welche die AfD schon eingezogen ist, sehen Sie, dass das den Ländern jeweils nicht gut tut, dass hier vernünftige Mehrheiten in der Mitte kaum mehr zustande kommen und dass die Länder im Endeffekt eher gelähmt als nach vorne gebracht sind. Deshalb: Wer AfD wählt, löst keine Probleme, sondern schafft neue. Mit uns gibt es eine vernünftige bürgerliche Alternative in der Mitte - und keine Leute, die hier nur zündeln und am Ende dem Land nicht dienen können.

Die Fragen stellte

Alexander Kain.