Gas geben im Glauben

Gottesdienst der Christen in der Automobilindustrie - Bischöfe gehen auf die aktuelle Krise ein

10.01.2020 | Stand 23.09.2023, 9:17 Uhr
In der Ingolstädter Piuskirche feierten die Christen in der Automobilindustrie den ersten Gottesdienst in Bayern. −Foto: Hauser

Ingolstadt - Bei Daimler haben sie angefangen zu beten: Dort kommen sie unter dem Motto "Gott lieb(t) Daimler" zusammen - eine humorvolle Anspielung auf den berühmten Ingenieur und Namensgeber der Marke.

Dann begannen sie, auch bei VW zu beten, bei Opel, BMW oder Audi. Und schließlich beteten sie alle gemeinsam: So entstand 2013 das deutschlandweite Netzwerk der Christen in der Automobilindustrie (CAI). Sie feierten am Donnerstagabend erstmals in Bayern einen markenübergreifenden ökumenischen Gottesdienst. Das Thema: "Mehr als du glaubst. "

Es war ein Testlauf, aber mit so einer Resonanz hatten die Organisatoren nicht gerechnet: Die Piuskirche in Ingolstadt war mit rund 300 Gläubigen gut gefüllt - und das um 18 Uhr, also kurz nach Feierabend. Aus ganz Deutschland waren nicht nur Kollegen aus Automobilunternehmen angereist, sondern auch von Bosch, Continental, Siemens oder Airbus. Ein Gefühl der Gemeinschaft schien sich förmlich unter der riesigen Kirchenkuppel auszubreiten und versetzte die Menschen in eine freudige Aufbruchstimmung, wie sie in diesen Krisenzeiten in manchem Unternehmen herbeigesehnt wird. Befeuert vom mitreißenden Gesang des Gospelchors Sunshine aus Ingolstadt.

Die Bischöfe beider Kirchen bemühten sich, die richtigen Worte zu finden. "Fast nichts bleibt wie bisher", sagte der evangelische Regionalbischof Klaus Stiegler (Regensburg) in der Predigt. "Das Automobil wird quasi neu erfunden. Fangen wir bei Null an? Sind die anderen schon weiter und werden uns überholen? " Angst mache sich breit. "Ist sie ein guter Ratgeber und Motor? " Auch Christen hätten Angst, so Stiegler, aber sie seien damit niemals allein.

Noch nie habe es unter den Menschen so viel Mobilität gegeben wie jetzt, betonte der Eichstätter Bischof Gregor Maria Hanke. "Sie eröffnet auch die Möglichkeit zu fliehen - vor sich selbst oder den Herausforderungen. " In seinem Grußwort rief er dazu auf, "sich untereinander und mit Jesus, dem Arbeitersohn von Nazareth, zu verbinden". Gerade das Gebet um Verantwortung für die Schöpfung könne für einem guten Umgang mit den Produkten sorgen, die dem Menschen dienen sollten. Das Automobil werde auch weiterhin eine bewegende Rolle spielen, auch wenn vieles derzeit kritischer betrachtet werde, so Hanke.

Mit Zahlen arbeitete Industriepastor Peer-Detlev Schladebusch von der evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannover, der das Netzwerk CAI ins Leben rief. Er zitierte aus einer Modellrechnung des Wirtschaftswissenschaftlers Rudi Kurz, laut der in den kommenden zehn Jahren 360000 der derzeit 800000 Jobs in der Autoindustrie wegfallen könnten.

Kein Wunder also, dass die Gebetskreise der Christen in der Automobilindustrie immer mehr Zulauf bekommen: "Hier spielen Kirchengrenzen und Hierarchien im Unternehmen keine Rolle", so Schladebusch. "Wo gibt es sonst diese einzigartige Barrierefreiheit? "Und er fügte hinzu: "Wer betet, steht auch im richtigen Leben für etwas ein - ein echter Beitrag für die Unternehmenskultur. "

So empfinden es auch die Mitarbeiter - das zeigte sich in den Fürbitten. "Es gibt mehr als 40 Gebetskreise, und unser Netzwerk wächst stetig", meinte ein Daimler-Mitarbeiter. "Es ist geradezu sträflich, diese Chance nicht zu nutzen. "

Ein Signal auch Richtung Audi - wie für Personalvorstand Wendelin Göbel, der beim anschließenden Get Together vom großen Vertrauensverlust sprach, mit dem Kirche und Autoindustrie gleichermaßen zu kämpfen hätten. Er erinnerte an die Unternehmenswerte von Audi. Jörg Schlagbauer, Vorsitzender des IG-Metall-Vertrauenskörpers bei Audi, der wie Gesamtbetriebsratsvorsitzender Peter Mosch an dem Gottesdienst teilgenommen hatte, lud die CAI ein, "uns beim Kampf um diese Werte zu unterstützen. Ihr seid Teil einer Kultur, die auch für Zusammenhalt steht. "

Viel Zuspruch also für das fromme Netzwerk. "Ich glaube, unsere Entscheidungsträger brauchen diese Unterstützung", meinte Susanne Neufeld von einem der drei Audi-Gebetskreise. Die Unternehmenssituation und die anstehenden Vorstandswechsel seien aktuell die wichtigsten Anliegen. "Das tut uns gut und dem Unternehmen auch - denn ich glaube fest, dass die Gebete wirken. "

DK



 

Suzanne Schattenhofer