München
Ein anrüchiges Problem

Streit um die Gülle: Bauern kritisieren "überzogene" Vorschriften, Bayerns Wasserwirtschaft setzt auf geringere Nitratbelastung

05.09.2019 | Stand 23.09.2023, 8:27 Uhr
Gülle ist ein wertvoller Dünger, stinkt aber. −Foto: Pleul/dpa

München (DK) Dieser Tage wurden Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) und ihre Kollegin, Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) nach Brüssel zitiert.

Es gilt, eine Klage abzuwenden. Die EU-Kommission beharrt auf einer Nachbesserung der bisherigen Düngeverordnung. In Deutschland werde weiterhin zu viel Gülle ausgebracht. Die Nitratbelastung in der Bundesrepublik sei dadurch zu groß, europaweit habe Deutschland nach Malta das am meisten belastete Grundwasser.

Das größte Problem aus Sicht der Kommission ist die Massentierhaltung mit ihren Betrieben, in denen Zehntausende Schweine oder Tausende Kühe stehen. Auch Geflügelmassenbetriebe sind beteiligt. Die Ausscheidungen der Tiere können von den Äckern nicht mehr absorbiert werden. Regionen mit extrem hoher Viehkonzentration liegen vor allem in Niedersachsen und Schleswig-Holstein, aber auch in Nordrhein-Westfalen und Bayern.

Im Freistaat gibt es allerdings unterschiedlich stark belastete Regionen. Im Alpenraum beispielsweise ist die Lage deutlich entspannter als in Franken oder in Niederbayern. Das hängt mit der Beschaffenheit der Böden - vor allem ihrer Durchlässigkeit - aber auch mit der Niederschlagsmenge zusammen. In Bayern wurden immerhin schon rote, also besonders belastete Gebiete ausgewiesen.

Die bayerischen Landwirte kritisieren, die beiden Ministerinnen würden aus Angst vor Brüssel nun in "Aktionismus" verfallen, das ganze Land über einen Kamm scheren und mit "überzogenen" Vorschriften traktieren. "Anstatt die Novelle der Düngeverordnung für zielgerichtete Maßnahmen zu nutzen, welche die enorm positiven Erfahrungen von regionalen Gewässerkooperationen aufgreifen, setzt die Bundesregierung beispielsweise weiterhin auf pauschale Regelungen und Verbote von der Nordsee bis zur Zugspitze", kritisiert Georg Wimmer, der Generalsekretär des Bayerischen Bauernverbands (BBV).

Zuletzt gab es im Jahr 2017 eine aus Sicht des Bauernverbands "sehr ambitionierte" Düngeverordnung, ergänzt durch eine weitere Verordnung im Jahr 2018. Diese beinhalten neue, umfangreiche Dokumentationen und Planungen. Man sei immer noch damit befasst, sich an diese anzupassen, so der Generalsekretär. Die verschärften Vorschriften würden Bayern besonders hart treffen, weil es hier im Gegensatz zu anderen Bundesländern noch eine sehr kleinteilige, familiengeführte Landwirtschaft gebe. Die Existenz der Kleinen sei dadurch stärker bedroht als dies bei Großbetrieben der Fall ist.

Detlef Fischer, der Geschäftsführer des Verbands der bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft, findet, dass es zwar "zu viel Nitrat in Bayerns Böden gibt und jede Minimierung wünschenswert ist". Man dürfe freilich "nicht die ganze Problematik auf die Landwirte abwälzen, das ist unfair". Die Menschen wollten Fleisch essen, "und das Zeug muss irgendwo hin".

Für die Trinkwasserversorgung spielt das Grundwasser eine wichtige Rolle; gut 90 Prozent werden daraus gewonnen. Für das Jahr 2017 liegen laut Angaben des Bayerischen Landesamts für Umwelt für knapp 2700 Wassergewinnungsanlagen und eine geförderte Wassermenge von etwa 810 Millionen Kubikmetern entsprechende Nitratdaten vor. Rund 54 Prozent des zu Trinkwasserzwecken entnommenen Grundwassers gelten mit Nitratkonzentrationen von bis zu 10 Milligramm pro Liter als unbelastet. Als "belastet" bis "stark belastet" mit Nitratgehalten zwischen 25 und 50 Milligram pro Liter sind etwa 14 Prozent der gewonnenen Wassermenge einzustufen.

Juliane Thimet, Referentin für Wasserrecht beim Bayerischen Gemeindetag, verweist darauf, dass eine Nichtbeachtung der aus Brüssel vorgegebenen Verschärfungen Strafzahlungen für Deutschland nach sich ziehen werden - und zwar in Höhe von 861000 Euro täglich. "Da besteht eine juristische Verantwortung, Deutschland muss liefern. " Unverständlich ist es aus ihrer Sicht, dass zuletzt der bayerische Landtag mit den Stimmen von CSU und Freien Wählern eine Verschärfung der Düngeverordnung abgelehnt hatte. "Das ist, als ob der Bauernverband dort Sitz und Stimme hätte", findet Thimet.

Andre Paul