Besuchsverbot hinter Gittern

Auch Bayerns Häftlinge spüren Folgen der Corona-Krise - Insassen der JVA Neuburg reagieren "sehr besonnen"

19.03.2020 | Stand 23.09.2023, 11:18 Uhr
Gefangene dürfen keinen Besuch mehr empfangen, Urlaub und Ausgang sind ebenfalls bis 19. April gestrichen. −Foto: Naupold, dpa

Ingolstadt/Neuburg - Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hat gestern erneut an die Vernunft und Solidarität aller appelliert und zu verantwortungsbewusstem Handeln im Kampf gegen die Ausbreitung des Coronavirus aufgerufen.

 

Er zog zugleich Ausgangssperren als Verschärfung der bisherigen Vorgaben in Betracht, eine deutliche Einschränkung der Bürgerrechte, wie sie unter anderem bereits im oberpfälzischen Mitterteich gilt. Disziplin zu wahren heißt es aber für alle in der Gesellschaft, auch für die Häftlinge in den bayerischen Gefängnissen. Obwohl in ihren Freiheiten ohnehin bereits beschnitten, kommt es für sie noch härter: Ab sofort gibt es keinen Besuch mehr, Urlaub und Ausgang sind ebenfalls bis 19. April gestrichen. Das hat das bayerischen Justizministerium verfügt.

Das Recht auf Kontakt mit der Außenwelt ist in der Haft klar geregelt: "Gefangene dürfen regelmäßig Besuch empfangen. Die Gesamtdauer beträgt mindestens eine Stunde im Monat. Das Weitere regelt die Hausordnung", heißt es im Strafvollzugsgesetz. Eine recht knapp bemessene Zeit, umso schwerer wiegt der nun verfügte Einschnitt. "Besuch ist für viele der einzige Lichtblick, da freut sich jeder drauf", sagt Nikolaus Riedelsheimer von der Justizvollzugsanstalt in Neuburg.

Er und seine Kollegen hatten eigentlich mit größerem Unmut gerechnet, als sie die Verfügung bekannt gaben. Aber es kam anders: "Die Gefangenen haben das überwiegend sehr besonnen und vernünftig aufgenommen. Natürlich ist die Enttäuschung groß, wenn wir einen bereits genehmigten Ausgang oder Urlaub streichen müssen, aber die Betroffenen haben trotzdem Verständnis dafür gezeigt. " Riedelsheimer macht keinen Hehl daraus, dass er sich über dieses Verhalten freut: "Wenn man sieht, wie unvernünftig sich manche Menschen draußen verhalten, dann ist das bemerkenswert. "

Das Justizministerium hat diese harte Maßnahme nicht ohne Grund verfügt. "Nach derzeitigem Kenntnisstand gibt es im bayerischen Justizvollzug bisher keinen Fall einer Infektion eines Gefangenen", hieß es in München. Am Abend teilte das Ministerium dann mit, jeweils ein Bediensteter der Justizvollzugsanstalten in Hof und Straubing seien positiv getestet worden. Die beiden Mitarbeiter stünden unter häuslicher Quarantäne.

Um den Gefangenen die besuchslose Zeit zu erleichtern, werden den Angaben zufolge "Telefonate großzügig zugelassen und bei Bedarf auch finanziell unterstützt". Rechtsanwälte sollen jedoch weiter Zugang zu ihren Mandanten erhalten. Um die Gefängnisse coronafrei zu halten, hat das Ministerium zudem angeordnet, dass Verurteilte bei Ersatzfreiheitsstrafen wegen Nichtzahlung einer Geldstrafe, bei Jugendarresten oder Freiheitsstrafen bis zu sechs Monaten die Haft derzeit nicht anzutreten brauchen, sondern zu einem späteren Zeitpunkt verbüßen können. Die Fluktuation und der Austausch von Gefangenen zwischen den Einrichtungen sollen weitgehend vermieden werden. Justizvollzugsanstalten sind zudem angewiesen, ihre Pandemiepläne zu aktualisieren und sich eng mit den jeweils zuständigen Gesundheitsämtern abzustimmen.

Den bayerischen Gerichten und Staatsanwaltschaften empfiehlt das Ministerium, nicht unbedingt notwendige Strafverfahren nach Möglichkeit zurückzustellen, es sei denn, es geht um Haft- und Unterbringungssachen oder die Einhaltung von Fristen. Zum Schutz von Prozessbeteiligten könne auf größere Säle ausgewichen werden, ansonsten gelten die üblichen Hygiene- und Verhaltensregeln.

Die Vorgabe, sämtliche Behördenbesucher auch im Hinblick auf eine eventuelle Corona-Infektion genauer in Augenschein zu nehmen und ein Selbstauskunftsblatt ausfüllen zu lassen, ist am Landgericht Ingolstadt bereits umgesetzt. "Jeder, der ins Haus will, bekommt diesen Bogen. Wir werden unsere Maßnahmen täglich an die aktuellen Gegebenheiten anpassen", erklärte Präsidentin Elisabeth Kurzweil. "Die Dinge sind ständig in Bewegung, da müssen wir auch den Schutz der Beschäftigten und Besucher immer wieder optimieren . "

DK

Horst Richter