Zahlen sind nicht alles

Ein Kommentar zur Lage der Audi AG

19.03.2020 | Stand 23.09.2023, 11:18 Uhr
Ein Audi Q5 steht in der Produktion. −Foto: picture alliance / dpa/Symbolbild

Die vier Ringe stecken mitten in einem gigantischen Wandel, der die einst vom Erfolg verwöhnte Autoschmiede bis an die Schmerzgrenze belastet - in manchen Teilen auch darüber hinaus.

Das betrifft zwar in gewissem Maß die gesamte Branche, die unter dem vielzitierten "schwierigen Umfeld" zu leiden hat, doch im Fall der Ingolstädter stapeln sich die Sorgen und Nöte regelrecht. Lange wurde etwa die E-Mobilität vernachlässigt, was seit einigen Jahren im Hauruck-Verfahren nachgeholt werden muss. Noch immer ist die Diesel-Affäre alles andere als ausgestanden, Image-Schäden sind nicht ganz revidiert. Dazu kommen häufige Wechsel auf wichtigen Führungspositionen samt der oft damit verbundenen Richtungswechsel.

Für 2019 - bei der Bilanz-PK vergangenes Jahr von Konzernchef Bram Schot schon mal vorsorglich als ein "Jahr des Übergangs" angekündigt - haben da manche Schlimmes befürchtet. Von dieser Warte aus betrachtet, sind die gestern veröffentlichten Zahlen des Autobauers gar nicht schlecht. Absatz, Umsatz und auch der Gewinn haben sich verbessert. Und man hat erneut mehrere E-Modelle an den Start gebracht. Konzernlenker Schot äußerte sich dementsprechend zufrieden.

Dass Audi dennoch nicht berauschend dasteht, wird dadurch sichtbar, dass in das Zahlenwerk auch satte 2,5 Milliarden Euro reinspielen, die aus einem rigiden Sparprogramm resultieren - und eben nicht aus Erfolg beim Kunden. Und auf diesem harten Weg muss man notgedrungen weitermarschieren. Dazu gehört etwa eine engere Zusammenarbeit mit Porsche und Mutter VW. Wie sich das auf die Produkte aus Ingolstadt auswirken wird, ist spannend. Denn tiefergreifende Synergien könnten für Premiumhersteller Audi durchaus Nachteile bringen. Bis 2025 soll es außerdem 10000 Audianer weniger geben. Eine gewaltige Zahl nach Jahren des Aufstockens. Die einst ausgesprochene Beschäftigungsgarantie gilt natürlich für all diejenigen, die nicht gehen wollen. Wer jedoch auch nur irgendwie verzichtbar oder in gehobenem Alter ist, bekommt zumindest ein Angebot vorgelegt. Das ist zwar zunächst teuer, langfristig gesehen wird beim Personal aber massiv der Rotstift angesetzt - nicht mehr, nicht weniger.

Zudem hat es der Noch-Vorstandschef gestern erneut nicht verstanden, zu überzeugen - trotz einer vorzeigbaren Bilanz. Sicher, in Zeiten der Corona-Krise ist das leichter gesagt als getan. Das muss fairerweise erwähnt sein. Doch Begriffe wie "stabil" oder "zufrieden" klingen noch immer nach Durchhalteparole. Letztlich bedeuten sie lediglich, dass man wenigstens die heftigsten Turbulenzen vom Unternehmen hat abwenden können.

Und so ist Audi ein zutiefst verunsichertes Unternehmen, das zwar buchhalterisch gesehen solide aufgestellt ist, aber seit Jahren auf einen glänzenden Neustart warten muss. Und die Corona-Pandemie macht all das nicht leichter, bremst sie doch ausgerechnet einen reibungslosen Start des großen Hoffnungsträgers A3 gnadenlos aus. Gerade für den Standort an der Donau nicht weniger als eine Katastrophe. Unbekümmertheit und Selbstverständlichkeit vergangener Jahre sind mit den nun beginnenden Produktionspausen ohnehin endgültig dahin. Der baldige Vorstandschef Markus Duesmann hat also einiges zu reparieren.

Christian Tamm