Augsburg
Kalaschnikows im Keller

Augsburger Gericht verurteilt Tochter des mutmaßlichen Polizistenmörders zu Bewährungsstrafe

11.06.2012 | Stand 03.12.2020, 1:24 Uhr

Verurteilt: Die Tochter (rechts) eines der mutmaßlichen Augsburger Polizistenmörder und ihr ehemaliger Freund (Mitte) haben gestern Bewährungsstrafen bekommen - Foto: dapd

Augsburg (DK) Weil sie Waffen und Geld aus Raubüberfällen ihres Vaters gelagert hat, ist die Tochter des mutmaßlichen Augsburger Polizistenmörders gestern zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden. Das Augsburger Amtsgericht verhängte eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung.

„Ich war immer so stolz auf meinen Vater“, sagte Tanja M. gestern vor Gericht. Doch ihr Vater ist mit schuld daran, dass die 32-Jährige gestern zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt wurde. Der Grund: Raimund M., einer der beiden Brüder, die im vergangenen Herbst in Augsburg einen Polizisten erschossen haben sollen, hatte im Keller ihrer Wohnung zwei Stahlkisten voller Waffen und Geld versteckt. Spätestens am 29. Dezember des vergangenen Jahres wusste dies die junge Frau. Sie schwieg.

„Nur noch Panik“ habe sie an jenem Tag empfunden, nachdem ihre Mutter sie angerufen hatte. Am Telefon habe sie erfahren, dass Vater und Onkel verhaftet worden seien, dass das Haus der Eltern und Anwesen von Verwandten durchsucht wurden. Zusammen mit zwei Freunden – einer davon ihr ehemaliger Lebensgefährte – habe sie anschließend die eigene Wohnung „sauber gemacht“. Marihuana-Reste und Kiffer-Utensilien galt es zu beseitigen, sie habe Angst gehabt, auch bei ihr könne eine Durchsuchung stattfinden. Die beiden Metallkisten seien ihr erst später in den Sinn gekommen. Sie habe sich an die Aussage ihres Vaters erinnert, der Wochen zuvor geäußert habe, „wenn mit mir etwas ist, dann nimm dir aus den Kisten, was du brauchen kannst“ – ein Satz, dem sie zunächst nicht viel Bedeutung beigemessen habe. Dies habe sich nach dem Öffnen der Kisten schlagartig geändert: „Ich hab nur noch gedacht: Oh Gott! Und dann: Was ist mein Papa für ein Vollidiot.“

Diese Reaktion klingt nachvollziehbar, waren in den seit 2004 im Keller abgestellten Stahlkisten doch unter anderem drei funktionstüchtige Maschinenpistolen der Marke Kalaschnikow, etliche Pistolen und Revolver sowie neun Handgranaten aufbewahrt. Außerdem entdeckte die 32-Jährige in einem Müllsack auch über 38 000 Euro – Geld, das nach jetzigem Erkenntnisstand aus einem Überfall auf ein Augsburger Werttransportunternehmen im Jahr 2004 stammt. Dieses Geld nahm die junge Frau zwei Tage später an sich und versteckte es hinter einer Sockelleiste in ihrer Küche. Der Polizei meldete sie den brisanten Fund zunächst nicht. Sie habe Angst gehabt, sich dadurch selbst zu belasten, erklärte sie vor Gericht. Dass sie sich gerade durch dieses Verhalten strafbar gemacht habe, sei ihr nicht bewusst gewesen.

Viele Lücken klafften in der Aussage der Angeklagten, das Gericht stellte eine lange Reihe von bohrenden Nachfragen. Letztlich jedoch schloss es sich bei der Urteilsfindung in großen Teilen dem Plädoyer des Verteidigers an. Dieser hatte vor allem betont, dass die „absolut falschen“ Reaktionen seiner Mandantin nach dem Auffinden des Waffenlagers aus heutiger Sicht schwer verständlich seien, aus damaliger Warte jedoch durchaus einsehbar. „Was in diesen Tagen passiert ist, war ein familiärer Terroranschlag, eine Bombe, die im Leben der Beteiligten explodiert ist.“ Nie und nimmer habe Nadja M. ihrem Vater eine schwere Straftat zugetraut – ihn urplötzlich als Schwerkriminellen und Mörder betrachten zu müssen, sei ihr extrem schwergefallen.

Die Laborassistentin hatte auch zugegeben, für ihren Vater zweimal an ihrer Arbeitsstelle Spray gestohlen zu haben, mit dem DNA-Spuren entfernt werden können. Das Gericht verurteilte sie neben der Bewährungsstrafe zu 150 Stunden gemeinnütziger Arbeit. Vor allem, dass sie die Polizei schließlich selbst zu dem Geldversteck geführt hatte, wirkte sich strafmildernd aus. Ihr mitangeklagter Ex-Freund wurde wegen Hehlerei zu einem Jahr auf Bewährung verurteilt.

Die Ermittlungen gegen die beiden in Untersuchungshaft sitzenden Hauptverdächtigen Raimund M. und Rudi R. dauern indes noch an. Sie werden beschuldigt, in der Nacht zum 28. Oktober 2011 in Augsburg den Polizisten Mathias V. erschossen und dessen Kollegin verletzt haben. Außerdem werden den Brüdern mehrere Raubüberfälle zur Last gelegt – unter anderem in Ingolstadt und Augsburg. Mit dem Prozess gegen die beiden wird nicht vor dem Spätsommer gerechnet. Rudi R. saß bereits einmal wegen Mordes an einem Polizisten für mehr als 19 Jahre im Gefängnis.