Schrobenhausen
Ein Leben auf der Überholspur

Zum überraschenden Tod des einstigen Bundesliga-Fußballschiedsrichters Winfried Buchhart

06.11.2020 | Stand 23.09.2023, 15:16 Uhr
Winfried Buchhart ist am Freitag mit gerade 62 Jahren aus dem Leben gerissen worden. −Foto: Archiv

Schrobenhausen - Er wollte viel und er hat viel erreicht.

 

Aber dieses zeitweise wilde, intensive Leben hatte wohl einen Preis. An diesem Freitag verstarb der einstige Fußballbundesligaschiedsrichter Winfried Buchhart, den in seiner Heimat alle nur "Winni" nannten. Er wurde gerademal 62 Jahre alt, hinterlässt seine Frau Gertrud und eine gemeinsame Tochter und den Stiefsohn.

Er mochte den ganz großen Auftritt, fühlte sich wohl auf der Bühne. Wenn er ein Mikrofon in die Hand nahm, dann wurde daraus fast immer eine Show, denn er war ein brillanter, witziger, schlagfertiger, spontaner Entertainer, der sich etwas traute.

Halbe Sachen machen? Das war nicht sein Ding. Seine Steuerkanzlei hatte zeitweise über 20 Mitarbeiter. Er war nicht nur der erste Schrobenhausener Faschingsprinz, sondern er machte seine Schromlachia später als deren Präsident bayernweit bekannt, trat mehrfach in München im Deutschen Theater auf und glänzte auch dort.

Und er war auch nicht irgendwie ein bisschen Schiedsrichter, nein, Winfried Buchhart schaffte es in die Elite der Ersten Fußballbundesliga. Auch dahinter steckte harte Arbeit des Workaholics, die kaum einer sah. Zwischen 1993 und 1999 pfiff er insgesamt 60 Erstligapartien, darüber hinaus zahlreiche weitere Spiele in anderen Ligen und Wettbewerben.

Auf dem Platz stand er für klare Kante; das brachte ihm so manchen erbosten Fananruf nach den Einsätzen ein; den Anrufbeantworter am Montag abzuhören, war so manches Mal ein Abenteuer für sich. Aber er mochte das, er war bereit, zu polarisieren, weil er wusste, dass das dazu gehört, wenn man ganz oben mitmischen will.

Mit dem Heimspiel des TSV 1860 München gegen den 1. FC Nürnberg endete im Mai 2015 vor knapp 70000 Zuschauern in der Allianz-Arena, in der er 2005 übrigens auch das Eröffnungsspiel leitete, seine Karriere beim DFB. Was er in diesen 30 Jahren erlebt hat, wird er nie vergessen. Zum Beispiel ein DFB-Pokalspiel, bei dem er 1997 kurzfristig für einen Kollegen einspringen musste und vom Schrobenhausener Sportgelände aus mit dem original Herzblatthubschrauber nach Zwickau geflogen wurde.

Als der einstige Fußballclub seiner Heimatstadt, der FC Schrobenhausen, am Boden lag und hoch verschuldet kurz vor der Insolvenz stand, sprang er ein, kandidierte als Präsident. Mit dem Ballast von fast 150000 Euro Minus in der Kasse marschierte er los in Richtung Landesliga. Der Traum platzte kurz vor dem Ziel nach einem - selbstverständlich schlagzeilenträchtigen - Durchmarsch von ganz unten bis in die Bezirksoberliga, dann war das System nicht länger aufrechtzuerhalten.

Seither bewegt sich der FC Schrobenhausen zwar in unteren Ligen, aber finanziell längst wieder solide. Unter Winfried Buchhart wurde der einstige Schuldenberg des Vereins bis auf einen Rest von wenigen Tausend Euro abgetragen.

Immerhin sicherte sich der FCS, sein Verein, in der verrückten Coronasaison gerade erst vorzeitig wieder einmal eine Meisterschaft - eine Genugtuung für den Überzeugungstäter Winni Buchhart, der sich unterwegs einiges an Kritik und manchmal auch Hohn hatte anhören müssen. Aber das war er ja gewöhnt, er hatte längst gelernt, das auszuhalten - und am Ende steht eine Bilanz für seine Jahre als Vereinspräsident, die sich mehr als sehen lassen kann.

Auch beruflich sorgte Winfried Buchhart für Schlagzeilen, 2011 galt er als in einen bundesweiten Schiedsrichter-Steuerskandal verwickelt. Alle großen, überregionalen Medien berichteten da wieder einmal über ihn. Am Ende verlief die Geschichte im Sande, und Winfried Buchhart lebte sein aufregendes Leben weiter; von da ab allerdings ziemlich skandalfrei.

Die späte Hochzeit mit seiner langjährigen Lebensgefährtin Gertrud Heggenstaller, wurde im kleinen Kreise gefeiert, dafür aber umso herzlicher, hoch emotional und tränenreich. Wie gesagt: Halbe Sachen gab es bei Winni Buchhart nie.

Vor ein paar Jahren erkrankte er schwer, erholte sich aber gut; umso unerwarteter, dass er nun am Freitag so plötzlich starb.

2018 ließ sich Winfried Buchhart noch einmal zu einem Einsatz als Schiedsrichter überreden - bei einem D-Jugend-Turnier. Dass beim Finale 550 Zuschauer in der Dreifachturnhalle waren, wird auch an ihm gelegen haben. Und Buchhart, ganz Entertainer, blühte einmal mehr auf. Was denn das Schwierigste an seinem Einsatz gewesen sei, wurde er hinterher gefragt. Und Winni Buchhart schaute kurz auf seinen Bauch herab - über die Jahre hatte er seine Mitte auch hier gefunden - und sagte grinsend: ". . . ein Trikot zu finden, das mir noch passt. "

Winfried Buchhart. Ein Typ. Ein Ereignis. Ein Könner. Ein Spaßvogel. Ein verdammt netter Kerl. Er war alles und noch viel mehr.

SZ

 

Roland Kaufmann, Mathias Petry