Kindheitstraum verwirklicht

17.04.2009 | Stand 03.12.2020, 5:02 Uhr

Lucia Torge arbeitete von 2005 bis 2006 im väterlichen Betrieb bei Karl-Heinz Torge und hilft auch heute gelegentlich mit.

Schrobenhausen (ahl) Lucia Torge aus Schrobenhausen hat ihren Kindheitstraum verwirklicht. Die 27-Jährige Bildhauerin arbeitet in der Regensburger Dombauhütte.

Die Bildhauerei wurde ihr sozusagen in die Wiege gelegt. "Ich war schon als Kind lieber in Mamas Werkstatt als im Kindergarten", erzählt Lucia Torge. Oder sie lernte von Papa Zeichnen. "Getrimmt" sagt sie lächelnd, er verbessert ebenso lachend auf "spielerisch gelernt", woraufhin sie ihn an Mathematikhausaufgaben erinnert, "die ich noch mal machen musste". Inzwischen ist sie ist 27 Jahre alt und hat ihren Kindheitstraum verwirklicht. Während ihre Eltern je einen der beiden Bildhauerberufe erlernt haben, sattelte Lucia auf die Holzbildhauerei noch eins drauf. "Meine Frau ist Holzbildhauermeisterin, ich bin Steinbildhauermeister - und Lucia ist beides", erklärt Karl-Heinz Torge stolz.

Die Tochter tritt noch in einem weiteren Punkt in Vaters Fußstapfen – sie arbeitet in einer Dombauhütte. Zwar nicht am Weltkulturerbe Kölner Dom, wie vor mehr als vier Jahrzehnten der Papa, dafür aber hat Lucia eine anspruchsvolle Aufgabe am Regensburger Dom zu erfüllen. Der Heilige Matthäus für das Hauptportal entsteht derzeit unter ihren geschickten Händen neu – diesmal in Kalkstein aus dem Balkan. Die lebensgroße Figur soll das Sandsteinoriginal aus der Gotik ersetzen, das längst dem Zahn der Zeit zum Opfer fiel. Abgase und saurer Regen machen den Baudenkmälern immer schneller zu schaffen, weshalb der Regensburger Dom eine ewige Baustelle bleiben wird.

Alljährlich wird bei der Frühjahrsbegehung festgestellt, wo welche Frostschäden aufgetreten sind, wo es am meisten brennt. "Wenn wir im Norden fertig sind, können wir im Süden wieder anfangen", beschreibt Lucia die Arbeit der insgesamt 14 Steinmetze in der Dombauhütte, von denen sie nicht nur die Jüngste ist, sondern auch die einzige Frau, denn die sind im Steinbildhauerhandwerk eher die Ausnahmen – gerade mal zwei von 20 Teilnehmern waren es in ihrer Ausbildung.

"Ich komme gut aus mit den Kollegen, es ist angenehm, mit Männern zusammen zu arbeiten", sagt sie, "es herrscht eine lockere Atmosphäre". Die Gesprächsthemen seien allerdings etwas beschränkt, fügt sie lächelnd hinzu. Zunächst hatte die zierliche junge Frau nur einen befristeten Vertrag erhalten, der dann verlängert wurde. Nach dem Besuch der Meisterschule in Freiburg, wurde Lucia dann auf einer Weihnachtsfeier erneut für die Dombauhütte angeheuert, diesmal fest angestellt. Ob sie ihr ganzes Berufsleben hier bleiben will, wie einige der Kollegen, weiß sie jetzt allerdings noch nicht. Nebenbei besucht Lucia nämlich die Akademie der Bildenden Künste in München, wo sie bei Professor Nikolaus Gerhart studiert.

Den Heiligen Matthäus hat die Witterung im Laufe der Zeit das Gesicht gekostet. Niemand weiß, wie seine Züge einst aussahen. "Die Konturen waren nur noch zu erahnen, alle Feinheiten waren weg", erzählt die junge Frau. Deshalb gab es einen kleinen Wettbewerb unter den Steinbildhauern der Dombauhütte. Am Ende setzte sich Lucias Modell gegenüber den beiden Mitbewerbern durch, weil er "in der Fernwirkung am gotischsten erschien", so die Begründung der Jury. Die Fernwirkung gab den Ausschlag, schließlich soll der Apostel ja wieder zurück an seinen Stammplatz mehrere Meter über dem Hauptportal. Eng zusammen arbeitet die Bildhauerin hier mit Bamberger Kunsthistorikern. Ziel ist, möglichst nahe am Original zu bleiben, dabei aber neuzeitliche Elemente einfließen zu lassen. Auf jeden Fall wird Matthäus abstrahierter in den Zügen werden als sein gotisches Vorbild.

"Und Thaddäus liegt im Kielwasser", wirft Karl Heinz Torge ein. Denn natürlich soll die Zwillingsfigur vom gleichen Künstler geschaffen werden – auch den Heiligen Thaddäus wird also einst das an germanische Runen erinnernde Bildhauerzeichen der Lucia Torge zieren. Ein Zeichen, das aus je einem L und einem T besteht, die gemeinsam ein Quadrat mit Fortsätzen bilden.

So etwa ein Jahr lang, meint die Künstlerin, werde sie noch mit den beiden Figuren zu tun haben, denn alles wird in Handarbeit mit Meißel und Holzfäustel herausgearbeitet. Mit der Flex ginge es natürlich viel schneller, widerspräche aber der Philosophie der Dombauhütte, die auf ursprüngliches Handwerk setzt.

Einige Preise hat Lucia Torge in ihrer noch jungen Karriere gewonnen, so vor sieben und acht Jahren den 3. Dannerpreis, 2003 den 1. Dannerpreis, zudem stellte sie unter anderem in Laas und Freiburg aus. Ihr jüngster Erfolg ist die Teilnahme an der Bundesgartenschau in Schwerin. Mit ihrem Entwurf qualifizierte sie sich beim Wettbewerb "Grabgestaltung und Denkmal", für den 148 Arbeiten eingereicht wurden. "In jedem Ende liegt auch ein Anfang", so fasst sie zusammen, was die an einen stilisierten Ammoniten erinnernde Figur ausdrücken soll – eine für einen Grabstein passende Botschaft, die offenbar die Jury überzeugte.