Schrobenhausen
Goldmedaille für "Nachspiel"

Höchste Prämierungen für drei bayerische Filme beim Schrobenhausener Bundesfilmfestival Fiction

11.05.2020 | Stand 02.12.2020, 11:22 Uhr
Der Film "Nachspiel" (oben eine Szene mit Eva Spann und Annika Ziegltrum) war einer der großen Gewinner des diesjährigen BFF-Festivals zum Thema Fiction. Bei Marcus Siebler (unten l.) liefen auch heuer wieder die organisatorischen Fäden zusammen. Bei dem diesjährigen Online-Festival trafen sich die Juroren via Online-Meeting (von links oben reihenweise nach rechts unten): Adalbert Becker, Stephan Vogel, Margot Kühn, Michael Schwarz, Heidrun Budke und der Telefonhörer für Martin Gubela. −Foto: SZ

Schrobenhausen - Eigentlich hätten sich am vergangenen Wochenende zahlreiche Filmfans im Schrobenhausener Herzogfilmtheater getroffen, um an zwei Tagen 71 Kurzfilme zu schauen, den Bewertungsrunden der Jury zuzuhören, bei der Vergabe der Medaillen zu applaudieren und sogar einen eigenen Publikumspreis zu vergeben.

Eigentlich. Corona verhinderte zwar den Live-Event, nicht aber die Durchführung des Festivals an sich: Es fand als Online-Veranstaltung statt und so hieß es letztlich zumindest virtuell: "Goldmedaillen gehen an. . . "

Drei Filme wurden mit der höchsten Auszeichnung prämiert, darunter der 18-minütige Kurzfilm "Nachspiel", der im vergangenen Jahr in Schrobenhausen Premiere hatte und aus der Produktion des Dram-Film-Teams um den Gerolsbacher Marcus Siebler stammt. Oberflächlich betrachtet geht es in dem Drehbuch zunächst um die Beziehung zweier Paare zueinander. Tatsächlich nutzt Autor, Produzent und Regisseur Siebler diese Konstellation für einen tieferen Blick auf die heutige Gesellschaft unter Einbeziehung historischer und weltpolitischer Fakten.

Die Jury lobte neben der Story mit deutlichem Spannungsbogen vor allem die ideenreiche Kameraführung, die technische Umsetzung und die Leistung aller Darsteller. Die Jury war so beeindruckt, dass "Nachspiel" von jedem der fünf Juroren für eine Goldmedaille vorgeschlagen wurde und damit der einzige von den 71 Filmen war, dem diese Ehre zukam. Damit wird der Kurzfilm aus dem Schrobenhausener Land bei den Deutschen Filmfestspielen (DAFF) antreten, die ebenfalls online durchgeführt werden.

Marcus Siebler, Filmemacher, Vorsitzender des Bundesverbandes Deutscher Filmautoren (Bdfa) und Organisator des Bundesfilmfestivals Fiction, das die letzten sieben Jahre bereits in Schrobenhausen ausgerichtet wurde, freute sich natürlich sehr über den Erfolg, gestand aber: "Das Orga-Team füllt alle Urkunden aus, ich unterschreibe diese und wir verschicken sie - da ist der Stellenwert für den eigenen Film ein anderer als bei einem auswärtigen Festival. "

Jeder Film, der beim BFF antritt, erhält eine Teilnehmerurkunde, darüber hinaus werden Bronze-, Silber- und Goldmedaillen vergeben. Dies war ein wichtiger Grund für den Verband, das Festival nicht einfach zu streichen, sondern es eben online durchzuführen: Über die Bewertungen können die Filme nächsthöhere Ebenen erreichen, bis zu den Weltfilmfestspielen "Unica" - das wäre die höchste Auszeichnung, die ein Kurzfilm erreichen kann. So wagte der Verband den Schritt, die diesjährigen Festivals - neben Fiction gibt es unter anderem auch die Themenbereiche Dokumentar- oder Naturfilme - eben ohne Publikum und ohne große Leinwand umzusetzen.

Als das Besondere am Genre Fiction nennt Jurorin und Filmerin Margot Kühn: "Geschichten, die aus dem Nichts heraus entstehen, machen Belangloses zu Wichtigem, gestalten Charaktere, die man nicht vermutet. " Technisch habe alles sehr gut geklappt bei der Online-Durchführung, sagt Siebler und es sei bei den Mitgliedern sehr positiv angekommen. Aus rechtlichen Gründen konnten die Festivals nicht der breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, schauen konnte nur, wer Bdfa-Mitglied oder geladener Gast war.

Dazu gehörte natürlich die Jury, die für das Fiction-Programm aus dem Juryleiter Stephan Vogel aus Wiesbaden sowie drei Juroren und zwei Jurorinnen bestand. Darunter Michael Schwarz, dessen Film "Die Kandidaten" im Rahmen der "Shorts Made In Sob" im Februar zu sehen gewesen war und seitens der Schrobenhausener Zeitung Heidrun Budke.

In vorgegebener Reihenfolge, die so auch in der Live-Veranstaltung im Kino stattgefunden hätte, sah die Jury die unterschiedlichsten Produktionen zu Hause am Computer: Von gespielten Witzen oder Musikclips über Zeichen- oder Scherenschnitttrickfilme, verfilmte Gedichte oder Kurzgeschichten bis zu Kurzfilmen, die von Inhalt und Umsetzung durchaus das Zeug hätten, auch eine Spielfilmzeit zu füllen, wurde ein mehr als abwechslungsreiches Programm geboten.

Darunter manch extravagante Idee, wie etwa ein Fisch, der aus dem Meer steigt, oder eine Schaufensterpuppe, die zum Leben erwacht. Beeindruckend ist, wie es die Filmemacher schaffen, in weniger als einer halben Stunde den Zuschauer in den Bann zu ziehen, Emotionen zu wecken, politische oder gesellschaftskritische Aussagen zu vermitteln, Spannung zu erzeugen und so oftmals nachhaltig in Erinnerung zu bleiben.

Genau dort ist der Punkt, der Wehmut und ein wenig Traurigkeit bei allen Beteiligten hervorruft. So veranschaulicht Siebler: "Die meisten Filmemacher wollen ihre Filme der Öffentlichkeit zeigen und freuen sich, wenn ein Publikum Gefallen daran findet. " Heuer war das bestenfalls die Jury und auch deren Mitglieder äußern den gleichen Gedanken.

Juror und Filmemacher Martin Gubela etwa sagt: "Jurydiskussionen ohne Publikum und Feedback haben weniger Widerstand, weniger Stimmung und erreichen nicht kollektiv die Adressaten. Es fehlt also das Koffein im Kaffee oder der Alkohol im Bier. " Adalbert Becker (Vorsitzender Bdfa Bayern) meint: "Es fehlt das pure Kinogefühl, große Leinwand, Popcorngeruch, Publikum um mich herum, das mit mir gemeinsam Film erlebt. Das kann ein Online-Festival nie bieten. "

Auch Marcus Siebler betont: "Unsere Festivals müssen live sein, weil Kunst ein Publikum erreichen und direkt ansprechen muss. " Aber er sieht auch einen Nutzen: "Aus den aktuellen Erfahrungen könnte für die Zukunft ein Zusatzkonzept entwickelt werden, zum Beispiel als getrenntes Online-Festival oder als Best-of-Nachschau. "

Eine solche wird es für das Schrobenhausener Publikum im neuen Jahr geben: Im Rahmen des bekannten Veranstaltung "Shorts Made In Sob" wird am 5. und 6. Februar 2021 eine Auswahl der besten Filme aus dem BFF-Fiction-Programm an zwei Abenden gezeigt werden. Und sicher darf man auch gespannt sein, welcher Leckerbissen noch geboten wird, denn traditionsgemäß müsste auch ein neuer Streifen des Dram-Film-Teams Premiere haben.

hbu