Pfaffenhofen
"Sie können eine Rechtsgrundlage liefern"

Der Politikwissenschaftler Lukasz Duleba über die Gefahren der Resolution in Tarnów

09.06.2020 | Stand 02.12.2020, 11:12 Uhr
Sieht gefährliches Potenzial in der Resolution: Politikwissenschaftler Lukasz Duleba. −Foto: Joanna Duleba

Pfaffenhofen - Die umstrittene Resolution im Partnerlandkreis Tarnów könnte eine Rechtsgrundlage für Verbote und Zensur liefern, sagt der Politikwissenschaftler Lukasz Duleba.

Duleba hat an der Adam-Mickiewicz-Universität in Posen Politische Theorie unterrichtet und forscht unter anderem zum Thema Multikulturalismus. Im Interview spricht er über seine Einschätzung zur Bürgerrechtssituation im Partnerlandkreis, wie es dazu gekommen ist und zu welchen Problemen es bezüglich der Partnerschaft kommen könnte.

Herr Duleba, zumindest die "Charta der Familienrechte" enthält auf den ersten Blick nichts Diskriminierendes.

Lukasz Duleba: Und doch ist ihre Verabschiedung problematisch. Gegenwärtig wird in unseren Medien heftig über Minderheitenrechte gestritten. Solche Resolutionen tragen zu einer intoleranten Stimmung bei.

Es handelt sich um bloße Absichtserklärungen.

Duleba: Dennoch können sie eine Rechtsgrundlage liefern, um Demonstrationen, Aufklärungsunterricht und letztlich jede missliebige gesellschaftliche Veränderung zu verbieten. Wenn unterschiedliche sexuelle Orientierung kein Thema mehr sein darf, dann wird der Weg zum Verständnis von Homosexualität überhaupt versperrt. Zensur im Kino, im Theater, am Büchertisch wird möglich. Gegenwärtig ist die Regierungspartei zu derart radikalen Schritten entschlossen, dass die "LGBT-freien Zonen" Freiheit und Gleichheit in Polen massiv gefährden.

Worin sehen Sie die Ursachen dieser Entwicklung ?

Duleba: Unter anderem soll der Vorwurf des Kindesmissbrauchs, der sich an die Katholische Kirche richtet, auf die LGBT-Community umgeleitet werden, um von den Verfehlungen der Kirche abzulenken. Es sind vor allem rechte Medien und Meinungsmacher, die diese Atmosphäre erzeugen. Sie geben vor, die öffentliche Meinung zu repräsentieren - in Wahrheit befürwortet jüngsten Umfragen zufolge allerdings mehr als die Hälfte der Bevölkerung die homosexuellen Lebenspartnerschaften.

In diesem Jahr haben sowohl das französische Saint-Jean-de-Braye als auch Schwerte in Nordrhein-Westfalen die Zusammenarbeit mit ihren polnischen Partnerstädten aufgekündigt.

Duleba: Man stelle sich vor, ein homosexueller Jugendlicher bekommt auf einem Schüleraustausch zu hören, er solle sich therapieren lassen! Kann man eine Schule unterstützen, an der seine Orientierung als krankhaft dargestellt wird? Was, wenn Künstler oder kommunale Amtsträger den Moralvorstellungen der Partner nicht entsprechen? Das sind schwierige Fragen. Trotzdem meine ich, dass der beste Weg zur Toleranz die persönliche Begegnung der Menschen ist. Wird der Kontakt abgebrochen, ist solche Begegnung unmöglich.

Das Gespräch führte

Roland Scheerer.