Pfaffenhofen
Kriegs-, Skandal- und Boomjahre

100 Jahre Kino in Pfaffenhofen – Ein Rückblick vom Lichtspielhaus bis zum CineradoPlex

24.05.2012 | Stand 03.12.2020, 1:27 Uhr

 

Pfaffenhofen (PK) Als die Bilder laufen lernten: Auf 100 Jahre Kinogeschichte blickt heuer die Stadt Pfaffenhofen zurück. Das Jubiläum wird morgen im „Kreativquartier“ in der Frauenstraße gefeiert. Für den PK stöberte Stadtarchivar Andreas Sauer in alten Unterlagen rund um die Geschichte der Lichtspielhäuser.

Ein Blick zurück in die Kinogeschichte der Stadt Pfaffenhofen ruft viele amüsante Erinnerungen hervor und bietet zugleich eine interessante Rückschau auf ein Stück Freizeit- und Unterhaltungskultur der Kreisstadt. Durch Wirtschaftskrisen und Kriegsjahre hindurch wurde die Bevölkerung von vielen Momenten der Not abgelenkt, die gezeigten Filme boten häufig Gesprächsstoff, und die Kinos waren und sind in Pfaffenhofen ein beliebter Treffpunkt für Jung und Alt.

Wanderkinos

Schon wenige Jahre nach den Anfängen der „Kinematographie“, der ersten Möglichkeit, bewegte Bilder vorzuführen, kamen Vorführapparate für bewegte Bilder nach Pfaffenhofen und verzauberten für einige Tage die Bevölkerung. Das erste Wanderkino machte Ende 1899 im Saal der Sigl-Brauerei Halt. Dölles „Theater lebender Photographien“ begeisterte damals die Einwohner der Stadt. In den folgenden Jahren wurden mehrmals ähnliche Anlagen in Pfaffenhofen präsentiert, so auf einer Wiese am damals unbebauten Stadtgraben oder im Saal des Kramerbräu. Die seinerzeit gezeigten Stummfilme unterlegten die Kinobetreiber mit Musik aus einem „Orchestrion“, einem mechanischen Instrument, das ein ganzes Orchester erklingen lassen konnte.

Geburtsjahr 1912

Anfang Juni 1912 kamen nahezu gleichzeitig zwei Männer auf die Idee, dauerhafte Kinos in Pfaffenhofen einzurichten. Einer der beiden war der „Werdenfelser Kinematograph“ Josef Schleinkofer, der aber nur für wenige Wochen im Kramerbräusaal Filme zeigte und aus heute unbekannten Gründen ein Vorführverbot erhielt. Der andere Unternehmer war der wenige Monate vorher nach Pfaffenhofen gezogene Peter Tacho, ein begabter Erfinder und Inhaber mehrerer Patente. Er richtete im Lagerhaus des Schmiedes Johann Kappelmeier (Ingolstädter Straße 17) einen Kinosaal für 72 Personen ein und begann mit regelmäßigen Filmvorführungen in Pfaffenhofen. Auch während des Ersten Weltkrieges zeigten er und sein Freund und Nachfolger Eduard Fießmann alle drei Wochen neue Filmprogramme und brachten Stummfilmstars wie Pola Negri oder Asta Nielsen nach Pfaffenhofen.

Lichtspielhaus Breitner

Nach dem Ersten Weltkrieg stellte sich heraus, dass die bisherigen Räumlichkeiten nicht mehr ausreichten. Deshalb richtete Eduard Fießmann im September 1919 schräg gegenüber in der Ingolstädter Straße 14 ein neues Lichtspielhaus ein, das seit April 1921 Josef „Bewi“ Breitner innehatte. Bis 1952 blieb dort sein Kino bestehen. Er überstand die Wirtschaftskrise der 1920er Jahre mit der massiven Teuerung und dem Anstieg der damaligen Lustbarkeitssteuer. Breitner etablierte sein Unternehmen in der Folgezeit, als der Tonfilm den Stummfilm ablöste, als festen Bestandteil des Pfaffenhofener Kulturlebens. Auch während des Zweiten Weltkrieges (1939–1945) liefen bei ihm regelmäßig Kinoprogramme, um die Bevölkerung zu unterhalten und vom Kriegsgeschehen abzulenken. Noch im April 1945, als die Alliierten Deutschland besetzt hatten und gegen Ende des Monats in den Landkreis Pfaffenhofen vordrangen, wurden im Lichtspielhaus Filme gezeigt.

Skandaljahre

In den Nachkriegsjahren durfte Josef Breitner auf ein Verbot durch die amerikanische Besatzungsmacht hin sein Kino zunächst nicht selbst betreiben, sondern musste es verpachten. Einer der Pächter war sein langjähriger und zuverlässiger Filmvorführer Michael Niedermeier, der andere war der Münchner Rudolf Schmid, mit dem es manchen Ärger gab. Er benahm sich häufig sehr grob gegenüber seinen Kinobesuchern und legte sich immer wieder mit ihnen an, was ihm einige Abmahnungen einbrachte. Eine Liebesaffäre Schmids mit einer Kinohelferin und von ihm verübte Tätlichkeiten im Kinosaal brachten das Kino zunehmend in Verruf. Seinen Partner Michael Niedermeier hatte er mehrmals finanziell hintergangen, was schließlich das Fass zum Überlaufen brachte. Am 23. Juli 1949 durfte Josef Breitner sein 246 Plätze umfassendes Kino wieder übernehmen. Und die Besucher strömten ins Lichtspielhaus, um sein abwechslungsreiches Programm zu sehen.

Die Boomzeit

Ende 1950 bekam Josef Breitner Konkurrenz am Ort. Albert Graßl eröffnete am 1. Dezember gemeinsam mit seiner Frau im neu erbauten Gebäude Frauenstraße 5 das Ilmgau-Filmtheater mit dem bekannten Heimatfilm Schwarzwaldmädel. Es war modern ausgestattet und besaß einen 400 Sitzplätze umfassenden Kinoraum. Zwei Jahre später zog „Bewi“ Breitner nach und errichtete gemeinsam mit Karl und Amalie Amberger in der Löwenstraße 9 das spätere Amberger-Kino.

Beide Kinos erlebten zwei goldene Jahrzehnte, in denen die Besucher vor den Eingängen Schlange standen, um die neuesten Filme zu sehen. Im Ilmgau-Filmtheater wurde auf der Bühne auch mehrmals heiße Jazz-Musik, unter anderem mit Max Greger, geboten.

Die Hochzeit der Kinos in Pfaffenhofen endete 1970. Am 31. Mai schloss das „Lichtspielhaus“ in der Löwenstraße, während im „Ilmgau-Filmtheater“ noch bis 1985 Filme gezeigt wurden. Nach dessen Ende kamen zwei „kinolose“ Jahre auf die Bevölkerung zu, ehe eine neue Initiative die Kinogeschichte in der Stadt neu begründete.

Der Neuanfang

Ludwig und Pia Schafft, die Anfang der 1980er Jahre in Geisenfeld ein Kino eröffnet hatten, suchten in Pfaffenhofen nach einem geeigneten Standort und passenden Räumlichkeiten für ein neues Projekt. Sie wurden schließlich an der Unteren Stadtmauer 2 fündig, wo sie im März 1987 das Kino-Center mit zwei Sälen und einem Studio eröffneten und von Anfang an großen Erfolg hatten. Die Bevölkerung besuchte das neue Kino so zahlreich, dass sich die Betreiber 1995 an einen größeren Neubau an der äußeren Ingolstädter Straße wagten. Dieses erste Großkino, das Cinerado, entsprach den gewachsenen Anforderungen der Zeit und bot mit fünf Sälen und einer 100 Quadratmeter großen Leinwand einen in Pfaffenhofen bislang ungekannten Kinogenuss.

CineradoPlex

Doch auch dieses Kino bedeutete noch nicht den Endpunkt der Entwicklung. Nach knapp zehn Jahren errichteten Ludwig und Pia Schafft im neuen Gewerbegebiet beim Kuglhof das im März 2005 eröffnete CineradoPlex. Ein Großkino mit acht Sälen, die insgesamt 1000 Zuschauern Platz bieten und für neueste Kinotechnik bis zur Vorführung von 3D-Filmen ausgestattet sind – der vorläufige Höhepunkt der 100-jährigen Kinogeschichte in Pfaffenhofen, die einst in einem kleinen Nebengebäude ihren bescheidenen Anfang genommen hatte.