Pfaffenhofen
Die Energiewende krankt

Beim Bayerischen Bürgerenergie-Gipfel ziehen die Experten eine gemischte Bilanz

10.10.2016 | Stand 02.12.2020, 19:12 Uhr

Herbert Barthel vom Bund Naturschutz erklärte im Stockerhof, ob die Energiewende noch zu retten ist - und wenn ja, wie. Er war einer der Gäste beim Bayerischen Bürgerenergiegipfel. - Foto: Zurek

Pfaffenhofen (PK) Der Patient ist eindeutig krank. Von "schwerem Hinken" bis "fast schon tot" lauteten die Diagnosen, die Fachleute zum Auftakt des Bayrischen Bürgerenergie-Gipfels im Stockerhof Pfaffenhofen am Sonntagabend über den Gesundheitszustand der Energiewende fällten.

Weitestgehend Einigkeit herrschte unter den sechs Teilnehmern der Podiumsdiskussion über alle Parteien hinweg in Sachen Therapie: dezentrale Erzeugung, Nutzung und Vermarktung erneuerbarer Energien - idealerweise in Bürgerhand. Was einfach klingt, ist angesichts einer komplexen technischen, politischen und rechtlichen Gemengelage in der Praxis nicht leicht umzusetzen - das legten die Wortbeiträge an diesem Abend nahe.

Als ein Problem machte nicht nur Oliver Eifertinger von der Kanzlei Becker-Büttner-Held unter anderem das aus seiner Sicht "schlampig formulierte" Erneuerbare-Energien-Gesetz 2017 aus. Die zukünftige Ausschreibungspraxis berge hohe Risiken und Hürden für Investoren und erschwere Bürgerenergiegenossenschaften die Teilhabe, so der Rechtsexperte.

Moderator Markus Käser von der Bürgerenergie Bayern, die zum dritten Mal zu einem Energiegipfel geladen hatte, sprach in diesem Zusammenhang von einem weiteren "Sargnagel für die Bürgerenergie in Bayern". Statt die Wertschöpfung regional zu halten, fördere man so Projekte im Norden der Republik. Zu Beginn der Diskussion warf Käser die Frage nach dem Gesundheitszustand der Energiewende in den Raum. Für Herbert Barthel vom Bund Naturschutz "hinkt" sie zwar, bleibt aber "einziges Werkzeug" um dem massiven Folgen eines Klimawandels entgegen zu wirken. Global betrachtet sei Klimaschutz "aktive Friedensarbeit", so seine Überzeugung.

Dem stimmte auch Eva Bulling-Schröter als Energie- und Klimapolitische Sprecherin der Linken im Bundestag zu. Die Energiewende sei "auf dem Weg ins Krankenhaus", weil die wachsende "Marktfähigkeit" erneuerbarer Energien den Großkonzernen Angst mache und die Politik die falschen Rahmenbedingungen schaffe.

Auch für Eike Hallitzky vom Landesverband der Bayrischen Grünen ist der Patient politisch durch EEG und 10-H-Regelung "blockiert". Letztere habe für eine aufgeheizte Stimmung gesorgt und den Schwarzen Peter auf die kommunale Ebene abgeschoben.

Thorsten Glauber hält die Energiewende für "sehr krank". Er warf als Energiepolitischer Sprecher der Freien Wähler im Landtag dem Ministerpräsidenten vor, den Freistaat einerseits zur "Benchmark" in Sachen Energiewende stilisiert zu haben und dann aus "parteitaktischen Gründen" umgeschwenkt zu sein.

Anton Kreitmair, Bezirkspräsident des Bayrischen Bauernverbandes und CSU-Landtagsmitglied wies diese Kritik zurück. Statt Schuldzuweisung solle man lieber den "Schulterschluss" in Sachen Dezentralität suchen, um die Energiewende zu retten, die nicht ohne Unterstützung des Bürgers realisierbar sei "und der macht leider nicht mit", befand der CSU-Politiker, dem diese Aussage Kritik von allen Seiten einbrachte. Der Tenor: Wenn es um eine sinnvolle Sache gehe, sei es an der Politik, Führungsstärke zu zeigen. Das gemeinsame Ziel sollte sein, die Energiewende als "Chance zu begreifen" und die Menschen dafür zu begeistern, wie Hallitzky es formulierte. Überzeugte Bürger müssten ihrerseits Flagge bekennen, sich Verbündete suchen, um ein Gegengewicht zum Druck der Großkonzerne auf die Politik aufzubauen, war man sich einig. Abschließend forderte Andreas Herrschmann vom Energie- und Solarverein Pfaffenhofen: "Bitte sorgen Sie für Planungssicherheit" - damit auch konservativ rechnende Bürgerenergiegenossenschaften eine Chance im Wettbewerb haben.