Pfaffenhofen
Wenn es nicht mehr warten kann

Ein Abend in der neuen Bereitschaftspraxis an der Pfaffenhofener Ilmtalklinik

28.05.2018 | Stand 02.12.2020, 16:20 Uhr
Will bald auch in der Bereitschaftspraxis starten: Der Arzt Maximilian Höckmayr (links) lässt sich von Kollege Thomas Hausberg schon mal erklären, was er bei der Dokumentation beachten muss. −Foto: Brenner

Pfaffenhofen (PK) Die einen sind skeptisch, andere feiern die neue Struktur des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes: Seit 24. April ist die Bereitschaftspraxis an der Pfaffenhofener Ilmtalklinik in Betrieb. Wir haben den Allgemeinarzt Thomas Hausberg einen Abend lang begleitet.

Dicke Tränensäcke unter den Augen, die glasig dreinblicken und nach der putzmunteren Vierjährigen schauen, die im Flur der Pfaffenhofener Bereitschaftspraxis herumtobt. Anna Müller (Name geändert), die Mutter der Kleinen, sieht schlecht aus. Ebenso ihr Ehemann, der sich vorsichtig auf den Stuhl gleiten lässt und fahl im Gesicht ist. "Ich habe Fieber, bestimmt ein Virus", sagt er. Seine Frau hustet und schnäuzt sich. "Kann sein, dass wir uns da noch mal abwechseln", so der Vater, wenig optimistisch. Der Pfaffenhofener Allgemeinarzt Thomas Hausberg untersucht die beiden, verschreibt Rezepte.

Ob die Eltern im alten System, als die Ärzte ihre Dienste noch in ihren eigenen Praxen abhielten, überhaupt gekommen wären, ist fraglich. Hausberg gibt selbstverständlich keine Auskünfte über seine Patienten, doch er sagt generell: "Als ich die Dienste bei mir abgehalten habe, konnte ich 30 bis 40 Prozent der Fälle bereits telefonisch klären." Der Patient habe seine subjektive Wahrnehmung der Dinge und wisse oft nicht, ob er bis zum nächsten Tag warten kann. Denn eigentlich ist der Bereitschaftsdienst generell nur für Beschwerden gedacht, die nicht mehr bis zum Morgen warten können. Er glaubt, dass in die Praxis der Ilmtalklinik nun mehr Patienten kommen, bei denen es eigentlich nicht dringend ist.

Seit Ende April ist die Praxis im Erdgeschoss der Klinik vor allem die Anlaufstelle für den südlichen Landkreis Pfaffenhofen. Vorher mussten die Patienten oft weite Wege in Kauf nehmen, um zu der Praxis des Arztes zu gelangen, der gerade Dienst hatte. Jetzt gibt es eine feste Adresse und feste Zeiten (siehe Kasten). Außerdem hat die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB) einen Fahrdienst eingeführt, den ein zusätzlicher Arzt zusammen mit einer weiteren medizinisch ausgebildeten Person zu festgelegten Zeiten betreut und Patienten zu Hause besucht - sofern der Arzt das für angemessen hält.

Einer von ihnen wird bald Maximilian Höckmayr sein. Der 33-jährige Mediziner macht gerade seine fachärztliche Ausbildung zum Allgemeinarzt und will irgendwann die Praxis seines Vaters in Scheyern übernehmen. Doch nun möchte er erst einmal Erfahrungen als sogenannter Poolarzt sammeln, Fahrdienste übernehmen oder in den Bereitschaftspraxen für die Ärzte einspringen, die ihre Dienste abgeben. Wie zum Beispiel ab und an sein Kollege Hausberg: "Ich bin froh, dass wir in dem neuen System generell weniger Dienste haben, denn ich verbringe die Zeit gern mit meinen Kindern." Sein junger Kollege, der vorbeigekommen ist, um schon einmal die Räume zu inspizieren, freut sich hingegen auf seine Rolle als Vertreter: "Ich kann selbst bestimmen, für welchen Dienst ich mich eintrage, außerdem ist die Bereitschaft medizinisch sehr abwechslungsreich." Das bestätigt Hausberg, der schon seit 2003 Dienst macht. Verschiedene Infekte, Herzprobleme oder auch neurologische Krankheiten hat er im Bereitschaftsdienst beispielsweise schon behandelt.

Jetzt erwartet ihn erst einmal ein Klassiker. Ein Bub versteckt sich halb hinter seinen Eltern, seine Stimme ist dünn, sein Gesicht schmerzverzerrt. "Er hat Bauchschmerzen", erklärt sein Vater. "Wir sind hier, weil wir auschließen wollen, dass es etwas mit dem Blinddarm ist." Während der Untersuchung kommt Hausberg wieder raus: "Jetzt hat er mich wieder rausgeschmissen", sagt er zu Arzthelferin Vanessa Siebler. Er meint das neue Computerprogramm. Siebler klickt ein paarmal, dann ist das Problem gelöst. Generell sei der Start der neuen Bereitschaftspraxis gut gelaufen, so Siebler. An einem normalen Wochenende kommen rund 50 Patienten, unter der Woche sind es weniger, so die Arzthelferin. Noch wüssten viele nicht davon, "die Notaufnahme schickt sie dann zu uns rüber."

Herbert Meier (Name geändert) wusste bereits von der Praxis. Er geht leicht gebückt, sein Atem geht schwer. "Ich habe Fieber und Temperaturschwankungen", sagt er. Und spontanen Schwindel, der komme und gehe. Jetzt will er wissen, was los ist. Er ist froh, dass es die Bereitschaftspraxis gibt, sagt er: "Das ist ein Meilenstein." Jetzt könnten Patienten endlich zu festen Zeiten nach der Arbeit zum Arzt gehen, wenn es ihnen schlecht geht. Nach seiner Untersuchung ist Meier schon wieder recht zuversichtlich. "Kann ich morgen wieder Sport machen?", fragt er den Arzt bei der Rezeptausgabe. Der schüttelt den Kopf. "Das ist sicher keine gute Idee. Kommen sie erst einmal zur Ruhe."