Pfaffenhofen
Armut kollidiert mit Schutzmaßnahmen

Ariadna Wildmoser hat Corona im Geburtsnamen - und berichtet über die Pandemie in Mexiko

24.02.2021 | Stand 23.09.2023, 17:09 Uhr
Der normalerweise florierende Markt von Toluca während der kompletten Corona-Einschränkungen in Mexiko. −Foto: privat

Rohr - Mexiko ist eines der Länder, das vom Coronavirus mit am härtesten heimgesucht wurde. Knapp 129 Millionen Menschen leben im größten Land Mittelamerikas. Bislang wurden laut John-Hopkins-University über zwei Millionen Mexikaner infiziert. Davon sind etwa 1,6 Millionen genesen, aber fast 180000 an oder mit Covid-19 gestorben. "Ein Einreiseverbot gibt es nicht", berichtet Ariadna Wildmoser, "vor Urlaubsreisen wird lediglich gewarnt."

Die 35-Jährige heißt mit Geburtsnamen Ariadna Corona Diaz. Heute lebt sie in Rohr, aber aufgewachsen ist sie in Puebla (siehe Kasten) - und gewährt Einblicke in die derzeitige Situation in jenen Teilen von Mexiko, in denen ihre Verwandten leben.

"Corona ist eigentlich ein schönes Wort. Es bedeutet Krone - und mein Mädchenname war Corona", spricht Ariadna Wildmoser über die ganz persönliche, namentliche Verbindung zur Pandemie. Als sie die deutsche Staatsangehörigkeit annahm, entschied sie sich auch für den Familiennamen ihres Mannes, Thomas Wildmoser, erzählt sie. "Mein Vater heißt sogar Gilberto Corona Corona. Aber er bekam keine negativen Kommentare wegen seines Namens zu hören. Vermutlich auch deshalb, weil man in Mexiko die Krankheit immer nur Covid-19 nennt."

Die momentane Lage in Mexiko sei schlecht, erzählt Ariadna Wildmoser. Denn in 13 Bundesländern steht die Ampel auf Rot, unter anderem in Puebla. "Das bedeutet, dass nur Läden mit Waren für den täglichen Gebrauch offen sind. Ansonsten gibt es die Anweisung, dass die Menschen zuhause bleiben sollen." Steht die Ampel auf Orange, dürfen Betriebe geöffnet werden - allerdings nur mit 30 Prozent ihres Personals.

Ein Cousin von Ariadna Wildmoser lebt in Toluca, wo die Ampel ebenfalls auf Rot steht. "Er hat mir erzählt, dass dort die Geschäfte nur bis 17 Uhr geöffnet sein dürfen. Dort leidet die Wirtschaft sehr unter der Pandemie." Ihr Cousin vertreibt Sky- und Internetpakete, aber seine Aufträge sind um etwa 75 Prozent zurückgegangen. Daheimbleiben sei schwierig für Millionen Menschen im Land, die nur von der Hand in den Mund leben. "Sie arbeiten tagsüber, damit sie sich abends etwas zu Essen kaufen können. Deshalb sammeln sich auf den Märkten trotz der Pandemie und der Vorgaben immer viel zu viele Menschen an."

Die Impfkampagne wurde auch in Mexiko mit dem Pfizer-Impfstoff gestartet. Vor allem die logistischen Probleme und die Kühlung sorgen laut Wildmoser für "einen sehr langsamen Prozess", wie die 35-Jährige auf Nachfrage bei ihrem Vater erfuhr, der selbst Arzt ist, aber wegen seines hohen Alters von der Arbeit freigestellt ist.

"Meine Eltern sind beide Zuhause. Sie gehen nur zum Einkaufen, treffen sich mit Familie, Bekannten und Freunden nur im Freien und versuchen dabei immer Abstand zu halten", berichtet sie weiter. Doch viele Menschen müssten einfach arbeiten, weil es keine freien Sozialleistungen oder sonstige Unterstützung in Mexiko gebe. Krankenversicherungen gibt es vom Staat nur für Beamte, Staatsangestellte und deren Angehörige. Etwa 75 Prozent der Menschen müssen sich privat versichern und wählen meist eine günstige Beitragsklasse, in der sie für viele Leistungen selbst bezahlen müssen. Angesichts von Covid-19 sei das fatal, so Wildmoser. "Denn die staatlich geförderten Krankenhäuser sind fast immer voll. Die Kranken müssen versuchen, in einer Privatklinik unterzukommen, die sehr teuer sind und die sich ein Großteil der Menschen nicht ansatzweise leisten kann."

Präsident Lopez Obrador versprach der Bevölkerung zuletzt mehr Hilfsleistungen, was ihm allerdings als Populismus angekreidet wurde, erzählt Wildmoser weiter. Die Regierung empfehle das Tragen von Masken und zu Hause zu bleiben. "Doch die Menschen treffen sich weiter. Sie feiern, als wenn nichts wäre", berichtet die Rohrerin. "Man liest, Touristen aus der ganzen Welt steuern in vollen Flugzeugen die Hochburgen wie Cancun oder das karibische Meer an." Was schwer zu verstehen sei und vor allem bei den Ärzten auf Unverständnis stoße. "Sie und das Pflegepersonal stoßen schon lange an ihre Grenzen."

In Puebla gilt ein allgemeines Alkoholverbot. Partys sind verboten. "All das wird aber nicht streng kontrolliert. Das große Problem in Mexiko ist die Korruption. Polizisten verdienen nicht viel. Wer ein paar Scheine hergibt, kommt ohne Strafe davon", gibt Wildmoser Einblicke in den mexikanischen Alltag.

Ein soziales Problem in Coronazeiten ist der Schulunterricht. Kinder aus armen Verhältnissen besuchen staatliche Schulen. Nicht jede davon, und schon gar nicht die Familien der Schüler, haben die technische Ausstattung für Online-Unterricht. "Die Eltern müssen arbeiten, haben wenig Zeit mit den Kindern zu lernen. Auch das Engagement der Lehrer ist nicht immer hoch, denn ihre Bezahlung ist nicht gut", erzählt sie. Positive Ausnahmen gebe es aber freilich auch. Besser laufe es an den Privatschulen, die sich aber beileibe nicht alle Mexikaner leisten könnten.

Freizeit- und Kulturveranstaltungen "sind derzeit völlig gestrichen", berichtet Wildmoser weiter. Wobei sie annimmt, dass sich das bald ändert. Nur wenn die Ampel auf Rot steht, ist alles untersagt. "Bei einer gelben Ampel gibt's dann sicher schon wieder kleinere Veranstaltungen", hofft sie für die Menschen in Mexiko.

PK

Anna Ermert