Pfaffenhofen
Wegen gewerbsmäßigem Betrug vor Gericht

Werkzeug-Maschinen im Internet angeboten, aber das Verschicken hat der Angeklagte "nicht auf die Reihe bekommen"

24.02.2021 | Stand 27.02.2021, 3:33 Uhr
Gewerbsmäßiger Betrug? Werkzeug-Maschinen soll ein Angeklagter im Internet verkauft aber nicht verschickt haben. −Foto: Anspach, dpa

Pfaffenhofen - Auf dem Richtertisch stapeln sich acht Aktenstöße. "Sie sehen, was ich hier aufgebaut habe", sagt Amtsrichterin Katharina Laudien zum Angeklagten, "das ist alles von Ihnen." Damit der Staatsanwältin beim Verlesen der 27 Anklagepunkte, 25 Betrugsfälle, nicht die Puste ausgeht, darf sie das Fenster hinter sich öffnen und deshalb den Mundschutz abnehmen; immerhin dauert ihr Vortrag 20 Minuten.

Danach soll Jakob P. (Name geändert) über Online-Plattformen Werkzeuge und Maschinen verkauft haben: Trennschleifer, Akku-Flexe, Achsmotoren, Lagerbuchsen, Bohrmaschinen, Steckschlüssel-Sätze, Akku-Kreissägen, Baustellen-Radios - akribisch listet die Staatsanwältin auf, was der Angeklagte über Jahre im Internet angeboten hat. Das Geld, jeweils hunderte Euro, hat er kassiert, geliefert hat er nicht. Das ist juristisch "gewerbsmäßiger Betrug", der mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren geahndet wird. Deshalb muss sich Jakob P. vor dem Schöffengericht verantworten.

Im Gerichtssaal kennt er sich aus, er ist wegen Betrugs auch schon vorbestraft. "Hat Ihnen damals die Richterin nicht angedroht", fragt Laudien, "dass Sie eingesperrt werden können, wenn Sie noch einmal straffällig werden?" Der 26-Jährige hat den Kopf gesenkt und blickt ins Leere. Er ist nicht der Typ des klassischen Internet-Betrügers, der Dinge ins Netz stellt, die er gar nicht besitzt. "Ich bin die sechste Richterin", sagt Laudien, "die an diesem Fall dran ist. Ich würde gern den Hintergrund verstehen." "Jeder Artikel war in meinem Besitz", erklärt Jakob P. "Aber warum haben Sie ihn dann nicht losgeschickt, als Sie das Geld dafür bekommen haben?" "Die Frage stelle ich mir auch", antwortet der Angeklagte, "ich schaffe es einfach nicht. Ich hab's mir vorgenommen, aber dann ist immer was dazwischengekommen." - "Aber wenn Sie wissen, Sie kriegen es nicht auf die Reihe, warum bieten Sie dann nicht die Sachen zur Selbstabholung an?" - "Das ist mir auch nicht ganz klar." Die Richterin blättert in der Anklageschrift: In der zeitlichen Abfolge der Straftaten ist zwischen Juni 2019 und 2020 eine Lücke von einem Jahr. Hat der Angeklagte sich da aus dem Online-Geschäft zurückgezogen? "Nein, aber da hab' ich geliefert", sagt Jakob P.

Die Richterin ist ratlos: "Was ist denn das bei Ihnen?" Das will auch einer der beiden Schöffen wissen: "Vielleich hatten Sie eine depressive Phase? Oder einen mentalen Durchhänger?" Er sei ja bei einem früheren Prozess von einem Psychologen für ein Gutachten untersucht worden, erinnert die Richterin. "Da wurde mit mir ein Test gemacht", sagt der Angeklagte, "aber der war sehr oberflächlich."

Im Lauf der Verhandlung, die für mehrere Tage angesetzt ist, verdichtet sich ein Eindruck: Jakob P. gehört zu jenen Menschen, die nichts gebacken bekommen. Deutlich wird das an einem weiteren Anklagepunkt: Der 26-Jährige war vor ziemlich genau einem Jahr einer Polizeistreife aufgefallen, als er mit 1,6 Promille von einer Faschingsfeier mit dem Auto nach Hause fuhr. Seither bewahrt die Staatsanwaltschaft seinen Führerschein auf. Und das schon zwölf Monate lang, beklagt sich Jakob P. Ob er denn deshalb schon etwas unternommen habe, fragt ihn der Schöffe. Antwort: "Nein, ich habe noch nichts gehört." "Wenn Sie sich nicht rühren", sagt die Richterin, "passiert auch nichts."

Gekümmert hat er sich auch nicht, als ihm die Schulden über den Kopf gewachsen sind. "Haben Sie mal mit der Schuldnerberatung Kontakt aufgenommen", will Laudien wissen. "Ja", erwidert Jakob P. "ich hatte das Telefon schon in der Hand, öfter sogar." Mehr ist nicht passiert.

So wie es aussieht, ist der Angeklagte vom Pech verfolgt. Er ist selbstständig und erledigt Erdbau- und Abriss-Arbeiten. Vor eineinhalb Jahren hatte er einen Auftrag im mittleren Landkreis erledigt und sich dafür einen Bagger gemietet. Auf der 20 000 Euro, die er mit dem Bauherrn ausgemacht hatte, blieb er sitzen. Das Geld aber brauchte er, um einen Anschlussauftrag, den Abriss eines Einfamilienhauses, zu erledigen. Deshalb verlängerte er den Bagger-Mietvertrag und ließ sich für diese Arbeiten einen Vorschuss von 4250 Euro geben. Aber der deckte bei weitem nicht die Gesamtmiete von fast 8000 Euro. Seinen ungeduldig wartenden Auftraggeber vertröstete er: Der Bagger sei kaputt, er könne den vereinbarten Termin nicht halten. Inzwischen hat er sich schriftlich entschuldigt, er werde den Vorschuss zurückerstatten. Die Miete für den Bagger stottert er gerade in Raten ab. Auch einigen seiner Online-Kunden hat er die Geräte inzwischen zugeschickt. Aber die hatten sich schon anderweitig eingedeckt und wollen ihr Geld zurück.

Die Verhandlung wird mit Zeugenvernehmungen fortgesetzt.

PK