Wolnzach
1150 Tonnen Hoffnung und Hilfe

30 Jahre Ukrainehilfe Wolnzach - Nächster Transport startet am kommenden Freitag

15.06.2020 | Stand 02.12.2020, 11:10 Uhr
  −Foto: privat

Wolnzach - Damit hat keiner gerechnet: 30 Jahre ist es her, dass der heutige Wolnzacher Bürgermeister und damalige Jugendreferent Jens Machold dem Gemeinderat vorschlug, eine Patenschaft für ein Waisenhaus in der der heutigen Ukraine zu übernehmen.

Eine Patenschaft in dem Sinne wurde es nicht, sondern viel mehr: eine Freundschaft mit Lemberg in der Ukraine, ein breit aufgestelltes Hilfsprojekt, das Familien und Einrichtungen unterstützt. In den vergangenen 30 Jahren sind 90 Transporte, gefüllt mit gespendeten Hilfsgütern, dort angekommen. Die Wolnzacher Ukrainehilfe hat einen Namen: Brigitte Weber.

Man sieht es gleich, wenn man ihr Wohnhaus an der Ahornallee in Wolnzach betritt: Die Treppe hinauf ist zugestellt mit Kartons, das Dachgeschoss selbst gleicht einem riesigen Lager. Spielsachen, Plüschtiere, Kleidung. "Das kommt alles von den Leuten", sagt Brigitte Weber. Für sie und ihren Mann Hans-Peter ist es längst Normalzustand, dass sie ihr Dachgeschoss als Ukrainelager nutzen. Schließlich geht es jetzt schon 30 Jahre so, die Ukrainehilfe bestimmt ihr Leben, praktisch ihren gesamten Alltag. Früher nur per Telefon, heute gerne auch per Videotelefonie tauschen sich die Webers aus mit den Menschen der Ukraine, die dort dafür sorgen, dass die Wolnzacher Spenden bei denen ankommen, die sie am nötigsten brauchen. Ihor Matuschewsky und Lesya Krepiakewytsch sind zwei Freunde der ersten Stunde, sind in Lemberg das, was die Webers in Wolnzach sind. Mit ihnen verbindet sie längst eine Freundschaft in der gemeinsamen Sache.

30 Jahre Ukrainehilfe. Das steht für 90 Transporte und für 176 Mitreisende, die auf Einladung der Ukrainehelfer immer wieder mitgefahren sind, um sich vor Ort ein Bild davon zu machen, was man sich daheim in Wolnzach nur schwer vorstellen kann. 57 Stunden Fahrzeit beim allerersten Transport 1991, schier unendliche Grenzkontrollen in die damalige UdSSR, Probleme, die oft nur mit ein paar Stangen Zigaretten zu lösen waren und für die die uniformierten Grenzbeamten auch ausnahmsweise mal ihr Gewehr zur Seite legten.

Dann gefährliche Situationen, als sich auf den Karpaten immer wieder dubiose Autos zwischen die Wolnzacher Lastwagen drängten und bei den Reisenden die Angst vor Überfällen schürten; das war zu der Zeit, als die Ukraine gerade selbstständiger Staat geworden war. 750000 Euro an Geldspenden, mit denen Dinge gekauft wurden, um Krankenhäuser, Hospizeinrichtungen, Waisenhäuser oder Kindergärten mit dem Nötigsten auszustatten.

Rollatoren, Toilettenstühle, Krankenbetten, Beatmungsgeräte, Kinderspielgeräte, Regale, Tische, Schränke. "Wo man auch hinkommt, da sieht man immer wieder Sachen von uns. " Das macht Brigitte Weber glücklich - und manchmal auch ein wenig traurig. Denn manche Bilder sprechen für sich, Beispiel: die jüngsten Fotos mit den Schokonikoläusen, die Wolnzach alle Jahre wieder zum Nikolaustransport in die Ukraine schickt. Auf den Bildern vom vergangenen Dezember sieht man es ganz deutlich: "Manche Kinder wissen einfach gar nicht, was das ist und sind ganz ernst. "

Es sind solche Momente, die berühren, die bewegen, die auch die nicht mehr loslassen, die irgendwann einmal dabei waren, egal, ob mehrfach oder nur einmal. Das Leben vieler Menschen in der Ukraine ist - damals wie heute - nicht vergleichbar mit hiesigen Standards. Schon gar nicht, seit das Land aufgrund des seit 2014 schwelenden Konflikts praktisch im Dauerkriegszustand ist. Kindergärten, die komplett eingerichtet sind mit Spenden aus Wolnzach, kinderreiche Großfamilien, die von Kopf bis Fuß Kleidung aus hiesigen Spendenpaketen tragen, Briefe, die mit wenigen Worten das ausdrücken, was Brigitte Weber und ihre vielen Helfer bei der Stange hält: Dankbarkeit.

Seit 30 Jahren war Brigitte Weber immer dabei, wenn es in die Ukraine ging. Sie ist für die Hiesigen und die Dortigen die personifizierte Ukrainehilfe, wird hier dafür sehr geachtet und dort regelrecht verehrt. Dinge, die sie nicht gerne hört, zu sehr gehört die Ukraine längst zu ihrem Leben. Heuer ist es das erste Mal, dass sie nicht fahren wird: "Es geht einfach nicht, das ist mir zu unsicher", sagt sie. Aufgrund gesundheitlicher Vorgeschichten sind sie und ihr Mann Hochrisikopersonen, sind angehalten, in Coronazeiten ganz besonders auf sich aufzupassen. Da hilft es auch nichts, dass beinahe täglich aus der Ukraine die Bitte kommt, sie möge doch fahren. "Ich weiß, dass sie warten und es gar nicht glauben wollen, dass ich heuer nicht komme", so Brigitte Weber.

Eigentlich wäre für den 24. April der Start eines voll gepackten Lastwagens geplant gewesen, die entsprechenden Genehmigungen lagen bereits vor. Doch dann kam Corona und alles war anders. Der Transport konnte nicht starten, seine Abfahrt wurde verschoben auf den kommenden Freitag. "Gottseidank" habe das Gesundheitsamt Pfaffenhofen die Ehrenamtlichkeit dieser Hilfsaktion anerkannt. Unter Einhaltung der gebotenen Hygiene- und Abstandsregeln soll der Lastwagen nun am Freitag ab 9 Uhr vor dem Haus der Webers an der Ahornallee 22 in Wolnzach beladen werden. Dafür werden dringend freiwillige Helfer gebraucht, die mit anpacken können; wer Fragen hat, kann sich direkt an Brigitte und Hans-Peter Weber wenden unter Telefon (08442) 2522. Es gibt viel zu schleppen: Krankenbetten, Rollstühle, Toilettenstühle, Rollatoren, Fahrräder, Kinderwagen, dazu Tische und Stühle - dazu kam eine große Spende vom Kindergarten Ilmmünster - und dann natürlich Kleidung, Spielsachen, Plüschtiere und - unvermeidlich in Coronazeiten - Desinfektionsmittel, Mund/Nasenmasken und Handschuhe. Zwei bis drei Stunden dauert das Verladen üblicherweise, dann startet der Lastwagen und wird am Samstagabend in Lemberg eintreffen, wo die mitgebrachten Hilfsgüter unter Anleitung der Wolnzacher Freunde in der Ukraine laut den Webers gleich direkt verteilt und sehnlichst erwartet werden.

1150 Tonnen an Hilfsgütern waren in den vergangenen 30 Jahren schon auf der Reise von Wolnzach in die Ukraine, gespendet von Schulen, Kindergärten und Firmen, viele davon sind seit Anfang an und immer noch dabei, auch etliche Privatpersonen kommen immer wieder und bringen Spenden.

In solchen Fällen bitten die Webers dringend um telefonische Voranmeldung, damit die Sachen auch direkt angenommen werden können. Keinesfalls sollten Säcke und Kisten einfach in die Einfahrt gestellt werden.

WZ