Burgheim
Einzig sicher sind die Fragezeichen

Kann ein Nationalpark einen Flutpolder verhindern oder ist beides möglich?

22.11.2017 | Stand 02.12.2020, 17:10 Uhr

Foto: Sebastian Schanz

Burgheim/Rennertshofen (DK) Der geplante Flutpolder bei Bertoldsheim und der mögliche Nationalpark in den Donau-Auen schließen einander nicht aus. Das ist der offizielle Standpunkt des bayerischen Umweltministeriums. In der Realität scheint diese Ansicht jedoch zu bröckeln, was nicht jedem recht ist.

Was bei den Gegnern des Flutpolders Freude auslöst, lässt die Feinde eines Nationalparks zittern. Sollten sich die beiden ambitionierten Projekte tatsächlich gegenseitig ausschließen, könnte das die Arbeit gegen den möglichen dritten Nationalpark im Freistaat massiv erschweren. Denn wer kann schon gegen einen Schutz der hiesigen Natur sein, wenn sich damit ein massiver Eingriff in Umwelt und Landschaft verhindern ließe?

Dass das der Fall sein könnte, ist bislang zwar alles andere als sicher, mittlerweile haben aber mehrere Politiker aus der Region den Eindruck, dass in den Köpfen der Entscheidungsträger in München nur noch eines der beiden Projekte verwirklicht werden soll. Unter anderem die Bürgermeister der beiden von einem Flutpolder am meisten betroffenen Kommunen, Georg Hirschbeck aus Rennertshofen und Michael Böhm aus Burgheim, kehrten genau mit diesem Empfinden am Montag von einem Treffen im Umweltministerium zurück (wir berichteten). Am Rande des Termins, also bei einem inoffiziellen Teil des Gesprächs, war bei den Beiden der Eindruck entstanden, dass die zwei Projekte doch nicht unmittelbar nebeneinander entstehen sollen. Hirschbeck sprach gegenüber unserer Zeitung sogar von einer "unmissverständlichen" Aussage - wenn auch von keiner offiziellen.

Offiziell sehen die Aussagen freilich ganz anders aus. Wie das Umweltministerium auf Anfrage unserer Zeitung mitteilt, schließen Hochwasserschutzmaßnahmen wie der Flutpolder und der Suchprozess für einen Nationalpark einander nicht aus. Die Behörde weist aber ausdrücklich darauf hin, dass die endgültige Kulisse für den möglichen Nationalpark noch nicht vorliegt. "Weitere fachlich geeignete Bereiche werden in die Prüfung einbezogen", betont ein Sprecher des Ministeriums. "Der weitere Dialog wird zeigen, wie die Gebietskulisse aussehen könnte." Die Betonung liegt dabei auf dem Wort "könnte". Denn tatsächlich könnte die Gebietskulisse letztlich die potenziellen Flutpolderstandorte bei Bertoldsheim umfassen. Der mögliche Nationalpark wird demnach aber "keine negativen Auswirkungen auf aktuell diskutierte beziehungsweise geplante Hochwasserschutzmaßnahmen, wie insbesondere Flutpolder, sowie Renaturierungsmaßnahmen der Wasserwirtschaft haben".

Im federführenden Wasserwirtschaftsamt Ingolstadt sieht man aus fachlicher Sicht keinen Grund, warum sich beide Mammutprojekte ausschließen sollten. Das zeigt der Polder Riedensheim, der derzeit gebaut wird. Ein Entwässerungsbach wird naturnah gestaltet, mit Mäandern und Totholz, um neue Lebensräume zu bieten. Ökologische Flutungen ermöglichen eine Revitalisierung des Auwaldes. Eine Notflutung des Polders würde allerdings die Natur stark belasten. Sind die Eingriffe nicht auszugleichen, gilt das neben dem Grundwassermodell als K.-o.-Kriterium.

Fachlich schließen sich die Projekte also nicht direkt aus - aber aus politischer Sicht? Um Gemeinden wie Rennertshofen und Burgheim nicht doppelt in ihren Entwicklungsmöglichkeiten zu belasten?

Bislang hatte es stets geheißen, dass die Umsetzung der Polderpläne sogar das Aus für den Nationalpark bedeuten würde. In dessen bisheriger Kulisse war der Bereich bei Bertoldsheim komplett ausgenommen, wie die Marktgemeinderäte aus Burgheim und Rennertshofen bei einer gemeinsamen Informationsveranstaltung des Ministeriums erfuhren. Das wäre aber nur eine der möglichen Varianten für den Polder. Wie berichtet, sind drei Szenarien für das Hochwasserschutzprojekt denkbar: Der nördliche Polder zwischen Bertoldsheim und Marxheim, der zuletzt explizit nicht in der Suchkulisse für den Nationalpark enthalten war, würde etwa 500 Hektar Fläche umfassen und bis zu 19 Millionen Kubikmeter Wasser aufnehmen können, im Süden wäre es dank des natürlichen Rückstaubereichs in einem großen Umgriff auf 1300 Hektar die gleiche Menge Wasser, eine kleinere südliche Variante mit 700 Hektar würde noch 14 Millionen Kubikmeter aufnehmen.

Für den dritten bayerischen Nationalpark gibt es unterdessen zwei mögliche Standorte: die Donau-Auen und die Rhön. Sollten die hiesigen Wälder zum Zug kommen, geht es dabei im Wesentlichen um den Bereich zwischen Marxheim und dem niederbayerischen Kelheim, auch eine Erweiterung auf die Isar-Auen ist derzeit denkbar. Während das Projekt unter anderem in Oberhausen, Bergheim und Weichering nicht unumstritten ist, gibt es aus Rennertshofen und Burgheim bislang wenig Widerstand - beide Bürgermeister zählen seit Monaten zu den Befürwortern eines solchen Parks. Anders BBV-Kreisobmann Ludwig Bayer aus Stepperg, der sowohl am Nationalpark als auch am Flutpolder kein gutes Haar lässt. "Wir sollten da nichts favorisieren, sonst haben wir am Ende Pest und Cholera", hatte er im April im Gemeinderat gesagt. Sollten sich die Projekte gegenseitig ausschließen, fiele eine Positionierung schwerer.

Mittlerweile scheint aber selbst ganz oben in der bayerischen Staatsregierung beides unmittelbar nebeneinander nicht mehr denkbar zu sein. Das zumindest hat der Donau-Rieser Landrat Stefan Rößle aus einem Gespräch mit Ministerpräsident Horst Seehofer mitgenommen. Auch dieser habe demnach gesagt, dass es mit einem Nationalpark in den Donau-Auen keine Notwendigkeit mehr für einen Flutpolder bei Bertoldsheim und Burgheim gebe.

Für Günter Krell vom Bund Naturschutz ist die Sache klar: Nationalpark und Polder schließen sich gegenseitig aus. "Das eine passt nicht zum anderen", sagt der Fachmann. Der südliche Auwald Schnödhof bei Burgheim sei als Naturschutzgebiet viel zu wertvoll. Im Norden gebe es bei Marxheim ein Auwaldstück namens Wannengrieß, das von einer Polderfläche ausgeklammert werden müsste. "Ökologische Flutungen sind kein Problem. Die Notfallflutungen schon." Bereits nach einem Tag der hohen Stauung werde die Flora geschädigt.