Günstigere Busse und Züge
Nürnberg zahlt Millionensummen für Fahrscheine in Nachbarstädten

Weil Nürnberg keine höheren Fahrpreise wollte, muss die Stadt indirekt für Tickets in Fürth, Stein & Co. Millionen ausgeben

11.07.2022 | Stand 22.09.2023, 21:21 Uhr

Obwohl sie Nürnbergs Sonderweg nicht mittragen, profitieren die Fürther trotzdem vom Einfrieren der Ticketpreise. Foto: Pelke

Die Stadt Nürnberg gibt Millionensummen dafür aus, dass Menschen in Nachbarstädten wie Fürth günstiger mit Bussen und Bahnen unterwegs sein können.



Rund fünf Millionen Euro muss die Stadt laut Finanzreferent Harald Riedel (SPD) allein in diesem Jahr an den Verkehrsverbund Großraum Nürnberg (VGN) überweisen, um die selbst beschlossene Aussetzung der Tariferhöhung finanziell auszugleichen.

Das steckt dahinter

Der Hintergrund ist relativ schnell erklärt. Im Juni 2020 hatte der Nürnberger Stadtrat beschlossen, dass die Ticketpreise im Nahverkehr nicht jedes Jahr weiter steigen sollen. Städte wie Fürth, die innerhalb der gleichen Tarifzone im Rahmen des Verkehrsverbundes liegen, haben von der Nürnberger Entscheidung automatisch profitiert. Ohne selbst denselben politischen Schritt gehen und die finanziellen Folgen tragen zu müssen. Aus der Nachbarstadt ist zu hören, dass die Fürther die Nürnberger Entscheidung nur deshalb „respektiert“ hätten, weil die größere Nachbarstadt die prognostizierten Einnahmeausfälle übernehmen würde und „unserem Verkehrsunternehmen somit kein finanzieller Schaden“ entsteht.

Diese Städte profitieren



Neben Fürth hätten laut Riedel auch die anderen Städte aus den gemeinsamen Tarifzonen A und K wie Stein, Oberasbach und Zirndorf von dem Nürnberger Votum zum Einfrieren der Ticketpreise profitiert. Während im gesamten Verkehrsverbund in diesem Jahr die Fahrscheine um 5,5 Prozent gestiegen sind, durften Busse und Bahnen in diesen „Sonderzonen“ rund um Nürnberg weiterhin zu den alten Preisen benutzt werden.

Und warum ist Fürth dem „guten Beispiel“ aus Nürnberg nicht gefolgt? Hätte die Stadt Fürth ebenfalls die Tariffortschreibung ausgesetzt, hätte die Kleeblattstadt auch für Mindereinnahmen beispielsweise im Landkreis Fürth aufkommen müssen, heißt es dazu aus dem Fürther Rathaus. Über 200.000 Euro wären sofort fällig gewesen. Im Laufe der Jahre wäre sogar ein einstelliger Millionenbetrag durch Folgekosten zusammengekommen. Zusätzliche Ausgaben, die sich die Fürther offensichtlich nicht leisten wollen. Schon heute würde in Fürth jede Fahrkarte durchschnittlich etwa zur Hälfte von der Allgemeinheit bezahlt, teilt das Fürther Rathaus dazu mit.

Steigende Ticketpreise wohl unausweichlich

In der Folge führt offensichtlich kein Weg vorbei an steigenden Ticketpreisen. Die Fahrscheine müssten tatsächlich weiterhin den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen angepasst werden, teilt Susanne Kramer, Pressesprecherin der Stadt Fürth, mit. Auch das städtische Verkehrsunternehmen „infra“ sei aktuell mit steigenden Personal- und Energiekosten konfrontiert. Von einem Ende der Preiserhöhungen hält Oberbürgermeister Thomas Jung (SPD) deshalb ebenfalls offensichtlich relativ wenig. Solange die Finanzierung des Nahverkehrs in ganz Deutschland nicht grundlegend überarbeitet werde und Land und Bund sich nicht dauerhaft und spürbar an den Betriebskosten beteiligen oder eine alternative Finanzierung wie zum Beispiel eine Nahverkehrssteuer einführen würden, seien die Tariffortschreibungen im VGN leider nötig.

Richtig leisten kann man sich wohl auch in Nürnberg die Aussetzung der Preiserhöhungen nicht. In diesem Winter hat die Regierung von Mittelfranken nur unter Auflagen den Haushalt der Stadt genehmigt. Regierungspräsident Thomas Bauer hat Nürnberg sogar mehr oder weniger explizit dazu geraten, die Einführung des geplanten 365-Euro-Tickets – wie jetzt geschehen – zu stoppen. Auf Nachfrage verteidigt Bauer seine Empfehlung, die besonders bei den Befürwortern der Flatrate-Fahrscheine keine Jubelrufe ausgelöst haben dürfte. Die Regierung sei als Aufsichtsbehörde gesetzlich dazu verpflichtet gewesen, Nürnberg auf finanzielle Gefahren und fiskalische Risiken wie das 365-Euro-Ticket aufmerksam zu machen. Die Haushaltslage Nürnbergs sei „hochdramatisch“. Das Geld reiche nicht einmal mehr dafür aus, um Kredite ohne die eisernen Reserven von dem Festgeldkonto abbezahlen zu können. Dummerweise sei dieses „Sparbuch“ spätestens im Jahr 2025 aufgebraucht. Daher habe er die Stadt vor den hohen Kosten für das günstige Jahresticket praktisch warnen müssen, so Bauer.

Doppelfunktion Bauers spielte keine Rolle

Dabei spiele keine Rolle, dass er, Bauer, auch den Grundvertrags-Ausschuss des Verkehrsverbundes leite. In diesem Gremium sind mehr als 20 kreisfreie Städte und Landkreise sowie die Freistaat jeweils mit einer Stimme vertreten. Der Aufgabenbereich als Vorsitzender des Ausschusses habe bei der rechtlichen Beurteilung des Nürnberger Haushalts keine Rolle gespielt, versichert die Pressestelle im Auftrag des Regierungspräsidenten.

Das Rathaus hatte daher bereits im Vorfeld die Ablehnung des 365-Euro-Tickets empfohlen, weil es gegen die Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit verstoße. Auch beim geforderten Nein zu Fahrpreiserhöhungen könne Nürnberg nicht mehr mitmachen. Schließlich habe der Rat bereits automatischen Preisberechnungen zugestimmt. Heißt wohl im Klartext, dass das Geld für neue Flatrate-Fahrscheine oder gleichbleibende Ticketpreise laut offizieller Darstellung einfach nicht mehr vorhanden ist.

HK