Tabakanbau in Franken
Neues Museum in Rudelsdorf erzählt Geschichte des Tabakanbaus in Franken

07.03.2024 | Stand 07.03.2024, 5:00 Uhr |

Die Ehrengäste bei der Eröffnung betrachten interessiert die Exponate der Ausstellung.

Im Kammersteiner Ortsteil Rudelsdorf existiert nun ein „Info-Zentrum Tabakanbau in Franken“. Das kleine Museum in der ersten Etage einer ehemaligen Tabaktrocknungshalle ist am Sonntag offiziell seiner Bestimmung übergeben worden.

Bürgermeister Wolfram Göll (CSU), Bezirkstagspräsident Peter Daniel Forster (CSU), stellvertretender Landrat Walter Schnell (Freie Wähler), Innenarchitekt Roland Stengel und Archäologe Thomas Liebert haben das rote Band zum Aufgang durchschnitten ehe die beiden Geistlichen Judith Köhler für die evangelische und Hans-Josef Peters für die katholische Kirche dem schmalen Gebäude in Gelb den Segen erteilt haben.

„Gut Ding will Weile haben“, lautete eine der Botschaften beim anschließenden Empfang. Schließlich erstreckten sich die Planungen von der ersten Idee des ehemaligen Kammersteiner Bürgermeisters Walter Schnell bis zum Baubeginn über 15 Jahre. Zwischenzeitlich wäre das Projekt fast gestorben, weil nicht ganz klar war, wie leistungsfähig der Ortsverein Rudelsdorf ist.

Die Mitglieder der Vereinigung der Einwohner des Dorfes haben sich nämlich bereit erklärt, ehrenamtlich die Aufsicht zu den Öffnungszeiten zu übernehmen. „Anders wäre das für ein kleine Gemeinde nicht zu machen“, erklärte Wolfram Göll, der das Projekt im Mai 2021 wieder aufleben ließ. Nach einem Treffen verschiedener Entscheider mit dem Ortsverein war klar: „Wir ziehen das durch.“ Die Bauzeit betrug 18 Monate.

Größte Hürde war die Beteiligung der Europäischen Union über ihr Förderprojekt Leader. Der Kammersteiner Verwaltung aber ist es gelungen, das hochkomplexe Antragsverfahren mit zahlreichen Unterlagen so zeitnah einzureichen, dass das Info-Zentrum noch in der laufenden Förderperiode bis 2024 zum Zuge kam. Bei Gesamtkosten von knapp 225000 Euro flossen fast 97000 aus Brüssel. Etwa 112000 Euro leistete die Gemeinde. Der Landkreis Roth steuerte gut 16000 Euro bei. Vom Bezirk Mittelfranken werden 4000 Euro erwartet. „Das Info-Zentrum ist ein Alleinstellungsmerkmal für ganz Bayern, zu dem sich ein Ausflug lohnt“, sagte der Röttenbacher Bürgermeister Thomas Schneider als Vorsitzender der „ErLebenswelt Roth“, des regionalen Entscheidungsgremiums für das Leader-Programm.

Lebendige Ausstellung macht Tabakanbau erlebbar

Das Info-Zentrum zeichnet sich durch eine lebendige Ausstellung aus, die den Tabakanbau äußerst realistisch erlebbar macht. So findet man in den drei kleinen Räumen den Nachbau eines Wohnhauses mit Tabak-Blättern an der Fassade und im Dachstuhl, wo die Trocknung stattgefunden hat. Realistische Spinnweben inklusive. Auf dem Nachbau einer Scheune mit Werkstatt prangt ein gelbes Schild mit Zigaretten-Werbung. Denn das ist ein weiterer Teil des Info-Angebots: Die kulturgeschichtliche Bedeutung des Tabakanbaus zwischen Grundlage für Wohlstand und Gesundheitsgefährdung. Allerdings ist in der 400-jährigen Geschichte des Tabakanbaus erst seit etwa 1964 wissenschaftlich gesichert, dass die Schwebstoffe im Zigaretten-Rauch tödliche Lungenkrebserkrankungen auslösen können.

400 Jahre Tabakanbau prägen Landschaft und Menschen

Auch das erfährt man im Info-Zentrum, für dessen Umsetzung ausschließlich regionale Akteure verantwortlich waren. So haben auch viele aktive und ehemalige Tabakbauern die Ausstellung mit Material und Informationen unterstützt. „Denn 400 Jahre Tabakanbau prägen die Landschaft und die Menschen der Region“, erklärte Thomas Liebert, der für das wissenschaftliche Konzept verantwortlich zeichnet.

Zahlreiche historische Exponate aus dem Tabakanbau der Region komplettieren das museale Angebot. Immerhin gab es in den 30er-Jahren in Mittel- und Unterfranken einst 3094 landwirtschaftliche Betriebe, die mit Tabakanbau Geld verdienten. 1993 waren es noch 106. Heute sind es weniger als 20 in Mittelfranken, erklärte Thomas Burk, Vorsitzender der „Erzeugergemeinschaft Bayern“ aus Gustenfelden. „Auf den sandigen Böden Frankens hatte der Tabak gerade auf den kleinen Flächen große Bedeutung für Wirtschaft und Wohlstand der Region“, so Burk. Noch heute erfordere das Nachtschattengewächs einen enormen Arbeitsaufwand. „Ein Hektar etwa 485 Stunden“, rechnete Burk vor.

Bundestagsabgeordneter Ralph Edelhäußer sagte, die Schau sei ganz wunderbar, weil frisch und modern. „Sie passt exakt zu unser Kultur hier im Raum.“ Bezirkstagspräsident Peter Daniel Forster (beide CSU) zeigte sich zufrieden damit, dass auch die Schattenseiten des Tabakkonsums beleuchtet werden. Ben Schwarz berichtete aus seiner Kindheit. „Ich habe für meinen Vater und den Großvater Zigaretten geholt. Das war damals die Kultur“, so der Landrat. Das Tabak-Museum lobte er, „weil es detailliert und mit enormer Überlegung auch harte Arbeit in den Mittelpunkt rückt“, so der SPD-Politiker.

HK



Zu den Kommentaren