Kunst als Weg in die Freiheit

Kulturhof Aberzhausen legt bei Herbstausstellung den Fokus auf die Gefahren der Digitalisierung

03.10.2022 | Stand 03.10.2022, 9:21 Uhr

Von Manfred Klier

Aberzhausen – Öllampen wiesen den Weg zum Eingang der Kulturscheune im Heidecker Ortsteil Aberzhausen. Unter dem Leitthema „Liberté. J‘écris ton nom“ – „Freiheit. Ich schreibe deinen Namen“, ein Zitat des französischen Surrealisten Paul Élouard, hatten die beiden Veranstalterinnen Vanessa Cognard und Nadine Elda Rosani eine bemerkenswerte Kunstschau unter dem Motto „Kunst am Kamin“ zusammengetragen.

Ihnen zur Seite standen Sarah Benko, Roswitha Madlon Hölle, Wolfgang Lynen und Jürgen Zeller. Über 50 Kunstinteressierte waren der Einladung gefolgt, darunter Landrat Herbert Eckstein, der Landratskandidat Ben Schwarz (beide SPD) sowie Kreis- und Stadträte.

Mit dem Lied „Was ist Zeit?“ von Udo Jürgens aus dem Jahre 1979 leitete Vanessa Cognard die Vernissage am knisternden Feuer des Holzofens ein. Gleichzeitig flimmerten Computermeldungen über eine Leinwand: „Systemfehler, Gerät konnte nicht erkannt werden, Neustart, … “. Ein Hinweis auf den Scheideweg, vor dem wir stünden, wie es Cognard formulierte.

Die überbordende Digitalisierung und Überwachung sei selbst im Kinderzimmer angekommen. Es gebe keinen Diskurs über die extremen digitalen Technologien, die da anrollten. Die Verschmelzung von Mensch und Technik stehe im Raum. Hirnimplantate gebe es bereits. Ob sie dereinst zur Überwachung missbraucht werden könnten? Überall sei zwar Datenschutz angesagt, aber wir scheuten uns nicht, persönliche Daten im Internet zu verbreiten, so Cognard.

Deshalb lautete ihre Forderung: „Wir müssen uns Gedanken machen, und zwar jetzt! Jetzt ist die Zeit zum Handeln!“ Etliche, in kleinen Vitrinen zu lesende Sinnsprüche untermauerten diese Forderungen. Da hieß es etwa: „Die Freiheit nutzt sich ab, wenn du sie nicht nutzt.“ Oder: „Das bedeutendste Problem ist unsere kollektive Unfähigkeit, zwischen Fakten und Fiktion zu unterscheiden.“ Systemkonform habe man natürlich die GEMA-Gebühren für den heutigen Abend bezahlt. Sarah Benko und Vanessa Cognard hatten gemeinsam 22 Cyanotypien geschaffen. Das ist ein fotografisches Verfahren, bei dem Eisensalze und nicht die sonst üblichen Silbersalze die lichtempfindliche Schicht bilden. Bekannt ist dieses Verfahren unter der Bezeichnung „Blaupause“, ein Verfahren zum Vervielfältigen transparenter Planvorlagen.

Der entstehende Blauton ist typisch für dieses Verfahren und verleiht den Ergebnissen einen besonderen Reiz. Cognard hat das Gedicht Liberté ins Deutsche übersetzt. Gemeinsam erstellten die beiden Künstlerinnen zu jeder Strophe eine Cyanotypie.

Impulsgeber für diese Ausstellung war der Nürnberger Jürgen Zeller. Er malt ausschließlich Schafe. Zwei dieser Exemplare mit Namen Elisabeth und Heinrich hat er großformatig dargestellt. „Liberté“ nannte er die im Siebdruck dargestellten Tiere, aber alle 12 Tiere individuell verfremdet, vielleicht eine Anspielung auf die unterschiedlichen Facetten des Begriffs Freiheit.

Der selbsternannte „Chief Wood Officer“ Wolfgang Lynen hatte einen Erlebnisraum mit Holzskulpturen geschaffen, die von filigran bis monumental reichen. Sie bilden ein harmonisches Zusammenspiel von Formen unter Verwendung des lebendigen Materials Holz, bei dem auch Risse zur Einmaligkeit der Objekte beitragen.

In der Werkstatt unter dem Ausstellungsraum im Kulturhof Aberzhausen hat die Bildhauerin Nadine Elda Rosani ihr Reich. Dort hat sie beispielsweise die hölzernen Schweinebüsten gefertigt, die uns zu verstehen geben sollen, dass einige gleicher sind als die anderen. Die kleinen Astronauten und die Nerds, die nur Autos und gesunde Ernährung im Kopf haben, rundeten das Bild ab.

„Lieber Tee“, hatte Roswitha Madlon Hölle am Telefon verstanden, als sie zur Ausstellung eingeladen worden war. Es lag wohl an der schlechten Tonqualität, dass sie das Wort Liberté zunächst falsch gedeutet hatte. Sie nahm es aber mit Humor und kocht am letzten Ausstellungssonntag einen großen Pott Tee. Auf Wunsch der Gastgeberinnen zeigt sie eine Auswahl ihrer ausdrucksstarken, erdigen Keramikarbeiten.

Die Ausstellung bietet in jedem Fall reichlich Stoff zum Sinnieren und Nachdenken. Ganz im Sinne der Künstlerinnen und Künstler. „Kunst am Kamin 2022 – Freiheit. Ich schreibe deinen Namen“ ist an den Wochenenden Samstag und Sonntag, 8. und 9. Oktober, sowie sowie 15. und 16. Oktober jeweils von 15 bis 20 Uhr geöffnet. Unter www.projektkulturhof.com gibt es weitere Informationen.

HK