Landkreis Roth
Ein leuchtendes Zeichen für die Demokratie

Lichterkette gegen Fremdenfeindlichkeit erstmals am „Haus Europa“ – Vor wankender Wertearchitektur gewarnt

10.11.2022 | Stand 22.09.2023, 3:30 Uhr

Das hellerleuchtete „Haus Europa“ war nicht nur Veranstaltungsort, sondern auch zentrales Thema. Foto: Tschapka

Von Tobias Tschapka

Roth – Die Lichterkette anlässlich der Reichsprogromnacht am 9. November 1938 in Roth hat heuer erstmals am Fuße des Kunstwerks „Haus Europa“ im Stadtgarten stattgefunden. Dazu war auch der Erschaffer des hell erleuchteten Kunstwerks, der Künstler Markus Heinsdorff, aus München angereist.

„Über unserem Haus Europa, wie wir es kennen, liegt seit Februar ein langer Schatten“, sagte Roths SPD-Fraktionschef Sven Ehrhardt. „So nahe hatten wir den Krieg schon lange nicht mehr vor der Haustür und wir begreifen, dass der Geist des Friedens, der seit Jahrzehnten im Haus Europa wohnte, keinesfalls eine Selbstverständlichkeit ist.“ Freiheit, Gleichheit, Solidarität, Toleranz und Demokratie seien das Fundament, auf dem „unser Haus Europa steht“. Wenn er aber die Installation mit den Original-Rettungswesten von Geflüchteten sehe und die Presseberichte über das nicht enden wollende Flüchtlingsdrama auf dem Mittelmeer lese, dann werde ihm vor Augen geführt, dass diese Wertearchitektur, auf die das Haus Europa baut, mehr und mehr ins Wanken gerät, so Ehrhardt. „Mit Stacheldraht, Pushbacks und Auffanglager haben wir aus Europa eine Art Festung gebaut.

Den 9. November solle man zum Anlass nehmen, aus den Fakten der Geschichte zu lernen, sagte Roths Bürgermeister Andreas Buckreus. Nicht nur seit der Coronazeit beobachte er vermehrt, dass Menschen ihre eigene Wahrheit „erfinden“ und andere sich von diesen Verschwörungsmythen mittreiben lassen. Für ihn sei so eine Lichterkette gegen Fremdenfeindlichkeit auch ein Zeichen für die Demokratie.

Pfarrer Joachim Klenk berichtete davon, dass auch seine Familie im zweiten Weltkrieg von Flucht und Vertreibung direkt betroffen war. „Diese Geschichten haben mich und meine Kinder geprägt“, so der Geistliche. Für ihn als Christ gehöre zur Demokratie, dass man solche Geschichten weitererzählt – die guten, die traurige, und auch die berührenden. „Wenn ich mir das Kunstwerk ‚Haus Europa‘ anschaue, so steht hinter jedem der aus Rettungswesten gefertigten Fenster eine Lebensgeschichte.“

Er selber stamme aus einer wohlbehüteten Familie, gestand Markus Heinsdorff, aber er sei in seinem Leben durch viele Länder gereist und habe dabei viel Elend gesehen. „Das hat mich bewogen, dieser Themen anzunehmen.“ Mit dem Erwerb eines der Fenster seines Kunstwerks komme der Erlös „eins zu eins ohne Abzüge“ einem guten Zweck zugute. „Wir wollen zeigen, dass man auch mit der Kunst einen kleinen Beitrag leisten und Flüchtlingen helfen kann.“

Karin Zargaoui von der Initiative „Roth ist Bunt“ appellierte, mehr miteinander zu sprechen. „Egal ob im Kleinen oder Großen – ich bin davon überzeugt, dass sich viele Kriege verhindern lassen, wenn die Menschen mehr miteinander sprechen würden.“

HK