Solarer Berg
Die Welle am Solarer Berg steht wieder

Neulinge, Routiniers und Altgediente treffen sich, um die Athleten zu feiern

25.06.2023 | Stand 14.09.2023, 22:37 Uhr

Die Welle hilft besonders bei der zweiten Runde, wenn die Beine müde werden und die Waden ziehen. Die Zuschauer lassen nicht nach und feiern jeden der Radler tapfer bergan. Fotos: De Geare

„Go, go, go, go, go“, schallt es über den Berg, der Jubel schwillt an, in der Gasse in der Mitte sieht man nur Handys und Hände, mühsam im Zaum gehalten von den Feuerwehrleuten in orangefarbenen Warnwesten. Dann teilt sich die Menge und der führende Triathlet, Magnus Ditlev mit der Startnummer 1, schiebt sich auf dem Fahrrad den Solarer Berg hinauf – wild beklatscht und bejubelt von hunderten Zuschauern. Kein Wunder, schon fast eine Dreiviertelstunde lang haben die Zuschauer auf die Athleten gewartet, da ist der Empfang umso frenetischer. Wenn das Schwimmen vorbei ist, setzt sich die Masse traditionell mit den Fahrrädern in Bewegung und verlagert sich in Richtung Solarer Berg, wo sie dann die Wettkämpfer den langen, zähen Anstieg hinauf feiert.

Immer wieder wird eine „La Ola“-Welle gestartet, manche der Athleten machen da gerne mit, lassen sich feiern, klatschen mit den Zuschauern ab und strampeln mit einem Lächeln im Gesicht tapfer bergan. Andere sind hinter ihrer verspiegelten Brille ganz cool und ziehen mit wenig Emotion durch die Menge. Jubel gibt es für jeden. Manche der Zuschauer sind da sehr ausdauernd, klatschen weiter, obwohl die Hände längst knallrot sind, andere haben sich entsprechend ausgerüstet.

Alexander Gräf (30) aus Wien hat sich ein Megafon umgehängt, die halblangen Haare nach hinten gegelt und außerdem den feinen Zwirn ausgepackt. Bei annähernd 30 Grad steht er doch glatt im Anzug am weltberühmten „Solar Hill“ – denn er wartet als Coach auf seine Athleten. Er hat früher selbst Triathlon gemacht, zwei Langdistanzen absolviert: „2019 beim Triathlon Kraichgau bin ich als schnellster Schwimmer aus dem Wasser“, erzählt er. Aber: „Der Triathlon hat mich geistig zerstört. Triathlon zieht Narzissten und Perfektionisten an, auch ich war ein totaler Perfektionist. Durch die Geburt meines Kindes habe ich mich um 180 Grad gedreht. Jetzt will ich Entertainment, Spaß und Kunst in den Sport bringen. Das ist alles viel zu ernst“, erzählt er. Der Langdistanz-Triathlon ist dabei für ihn eine philosophische Metapher für das Leben mit allen Höhen und Tiefen.

Mit Fahrradwohnwagen angereist



Ganz geerdet unterwegs ist hingegen Nils Reckemeier (28). Er ist mit seinem aus Doppelstegplatten erst kürzlich selbst gebauten und völlig autarken Fahrrad-Wohnwagen aus Hameln nach Roth geradelt. Drei Tage hat er für seine spontane Fahrt gebraucht und ist zum ersten Mal hier. Nächstes Jahr könnte es gut sein, dass er selbst teilnimmt. „Man lässt sich hier sehr leicht inspirieren“, sagt er, während er am Streckenrand einige Pistazien knuspert.

Ganz und gar keine Neulinge mehr sind Ute (60) und Matthias (36) Kiehl, die aus der Nähe von Köln seit 2004 regelmäßig anreisen und schon mehrfach teilgenommen haben. Diesmal feuern sie Sohn und Bruder Daniel an, der bei einer Staffel mitfährt. „Wir genießen hier die Stimmung noch eine Weile“, sagt Ute – so lange bis Daniel durchkommt. „Welcome Home, trifft es wirklich“, ergänzt Sohn Matthias. „Ich weiß nicht wie, aber hier in Roth schaffen sie es trotz 5000 Teilnehmern, dass es sich wie eine Familie anfühlt“, schwärmt er. Der dreijährige Nick und sein gleich alter Cousin Anton bekommen von all dem aber nicht viel mit. Sie transportieren mit ihren kleinen Lastwagen lieber den Schotter aus dem Bankett ab, während Oma und Onkel, bzw. Papa munter anfeuern.

Einer der Dienstältesten bei der Berg-Aufsicht

Den Teilnehmerrekord als einer der Dienstältesten dürfte aber Josef Schneider (65) von der Solarer Feuerwehr halten, denn er ist von Anfang an dabei. Er hat sich im Schatten eines der aufblasbaren Bögen ein Plätzchen gesucht, wo er in orangefarbener Warnweste die Zuschauer im Blick behält. „Heuer ist es entspannt, das hatten wir auch schon anders“, erzählt er.

Aber eine Sache gab es dann doch, die in diesem Jahr im Vorfeld für ein wenig Sorgen sorgte. „Der Chef hat heute früh schon gesagt, passt auf und haltet die Augen offen, dass sich niemand festklebt.“ Was wie ein Scherz klingt, war tatsächlich keiner. Die Polizei ist nämlich mit größerem Aufgebot angerückt als sonst, auch die Technische Einsatzgruppe ist vor Ort, so dass sie im Fall der Fälle gleich hätten eingreifen können. Während Josef Schneider noch schmunzelnd den Kopf schüttelt, rücken die aber wieder ab. Die Spitzenathleten sind inzwischen zum zweiten Mal durch und niemand klebt am Asphalt. Alles gut gegangen. Die einzigen, die kleben sind inzwischen die Zuschauer, denn bei so viel Anfeuerung fließt der Schweiß in Strömen.

HK