Extremsportler Jonas Deichmann
Die erste von 120 Challenges im Video – Landkreis Roth macht mit

10.05.2024 | Stand 10.05.2024, 17:34 Uhr

Jonas Deichmann (r.) war sichtlich glücklich, als er am Donnerstagabend seine erste Challenge von 120 „im Kasten“ hatte. Es herzte Challenge-Renndirektor Felix Walchshöfer. Weitere Impressionen am Ende des Textes. Fotos: Guntram Rudolph

Der Steg, der ins Wasser führte, wackelte gewaltig. „Gleich sackt ihr ein", scherzte ein Helfer in roter Wasserwacht-Jacke. Doch jeder wollte ihn sehen: Den Moment, in dem Jonas Deichmann in den Rothsee springt. Denn es sollte der Startschuss sein, zum Weltrekordversuch. 120 Triathlon-Langdistanzen in 120 Tagen – so etwas gab es noch nie. Die letzten heroischen Worte bevor es losgeht? Ganz seinem Credo „einfach machen“ verschrieben gab es sie nicht.



Der 37-Jährige im schwarzen Neoprenanzug grinste über beide Ohren, als ihm der Rother Landrat Ben Schwarz „alles Gute“ wünschte, winkte schüchtern, sagte „Danke“ – und hüpfte beschwingt nach unten.

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Deichmann-Vorhaben: Waghalsig in der Theorie – und ebenso in der Praxis

Zu den Fakten: Der aktuelle Weltrekord liegt bei 105 Triathlons in 105 Tagen, aufgestellt vom Briten Sean Conway. Deichmann will auf 120 erhöhen. Also von 9. Mai bis 5. September 456 Kilometer schwimmen, 21000 Kilometer Rad fahren und 5063 Kilometer laufen. Das alles auf der Strecke des Challenge Roth. Beziehungsweise fast, denn geschwommen wird nicht im Main-Donau-Kanal, sondern im Rothsee. Und dort zeigte sich direkt zum Start, wie anspruchsvoll Deichmanns Vorhaben wirklich ist.

Acht Wagemutige gingen mit Deichmann ins 15Grad kalte Nass. Vor der letzten Runde in der Bucht war nur noch einer übrig: Tobias Rop, ein Weggefährte Deichmanns. Als Rop aus dem Wasser stieg, erklärte er: „Kalt wars. Am Schluss war er dann schneller, wollte alleine schwimmen. Ein Problem war die Orientierung." Denn es war neblig auf dem Rothsee, die Bojen waren von unter dem Wasser nicht zu sehen. Zwar begleitete die Wasserwacht, aber diese Hilfe war nur zum Starttag gedacht, fällt künftig weg.

Der grenzenlose Optimist begeistert einen Landkreis – und schafft besondere Atmosphäre

Als Deichmann an Land ging, seine Brille nach oben schob und – wie so oft – lächelte, drückte er auf seine Armbanduhr. 1:14 Stunden standen zu Buche, also etwas länger als veranschlagt. Ab in den schwarz-weißen Van, extra gebrandet mit der neuralgischen "120". Dort wartete das Frühstück. In trockenen Klamotten klammerte sich Deichmann an seinen Tee: „Die ersten zwei Runden waren super, dann wurde es frisch", sagte er. „Man merkt es vielleicht, ich zittere noch ein bisschen.“ Und das, obwohl an diesem Morgen die Sonne strahlte, die äußeren Bedingungen im Vergleich zu den vorherigen Tagen blendend waren. Und Jonas Deichmann wäre nicht er, wenn er nicht sagen würde: „Es wird jeden Tag wärmer.“

Als „bedingungslosen Optimisten“ bezeichnet sich Deichmann selbst. Und er will noch etwas sein: Pionier. Warum, fragen sich viele. Warum 120 Triathlons an 120 Tagen. Wer tut seinem Körper so etwas an? „Irgendjemand muss es ja tun, solange es machbar ist. Ich bin da gerne der Erste", sagte Deichmann.

Und mit dieser Einstellung ist er so etwas wie der Anführer der Ausdauerathleten. Es ist jedenfalls beeindruckend, wie er zum Start um 7 Uhr des 9. Mai, immerhin ein Feiertag, die Massen mobilisierte, nahezu 200 Schaulustige an den Rothsee lockte. Von Klein bis Groß war alles dabei. Viele hatten einen Hintergrund in der Triathlon-Szene, einige hatten schon Fahrrad und Laufschuhe mitgebracht. Es herrschte eine Atmosphäre für Sport-Freigeister, eine Art Triathlon-Woodstock, dessen Botschaft Deichmann verkörpert: Alles ist möglich.

Jeder hilft mit – ob mit Multitool, Plakaten oder als Sportler auf der Strecke

Und weil er nahbar ist, zum Begleiten aufruft, sich auf Schritt und Tritt tracken lässt (unter anderem beim Start waren vier Drohnen in der Luft) und damit seinen Rekordversuch zu einem eines ganzen Triathlon-Landkreises macht, will man nicht nur dabei sein – sondern mithelfen. So wie Markus Killinger aus der Triathlon-Abteilung der TSG Roth, die überhaupt stark vertreten war an diesem Donnerstagmorgen.

Kurz bevor die ersten 180 Kilometer auf dem Rad bevorstanden, herrschte Aufregung im Deichmann-Team. Ein Multi-Tool musste her. Killinger zögerte nicht, händigte sein Etui aus – und rettete so Deichmanns Trinkflaschenhalter, der justiert werden musste. Es ging also auf die Radstrecke, über Heideck und Thalmässing runter nach Greding. Wieder waren einige regionale Ausdauersportler dabei, Deichmann führte die Gruppe an. Abseits der Straße Zeichen der Solidarität: „Go crazy Jonas go" war auf einem der Plakate am Wegesrand zu lesen. Auf der Laufstrecke – unter anderem am Main-Donau-Kanal – gab es teils gröhlende Anfeuerungsrufe – was allerdings auch mit Vatertagsausflügen inklusive Bollerwagen zusammenhing.

Möglicherweise hingen Deichmann auch noch die Worte von Challenge-Renndirektor Felix Walchshöfer im Ohr, der ihm mitgab: „Hau rein.“ Landrat Ben Schwarz wünschte sich „dass er fit und gesund bleibt und es vom Kopf her durchhält. Ein Wahnsinns-Respekt vor der Leistung.“ Auch die Feuerwehr schwor ein, war mit drei Einsatzwägen vor Ort für Deichmann, der mit seinem Rekordversuch auch Spenden für den guten Zweck sammelt und damit die Kinder- und Jugendfeuerwehren des Landkreises unterstützt. Ein Geben und Nehmen – der Triathlon-Landkreis Roth rückt noch näher zusammen.

Möglich gemacht hat es der unermüdliche Deichmann. Einen solchen Berg von Arbeit vor der Brust: Das würde vielen die Suppe versalzen. Nicht aber dem schwäbischen Extremsportler, der immer ein Lächeln auf den Lippen hat. Auch beim Zieleinlauf nach seinem Marathon in Roth, als ihn unter anderem sein Vater in die Arme nahm. „Das war Tag eins von 120“, sagte Jonas Deichmann. Und er beendete die erste Etappe, mit dem Wort, mit dem er sie begonnen hatte, indem er der versammelten Meute sagte: „Danke.“

HK