Spektakulärer Weltrekordversuch
Triathlet Jonas Deichmann: „Jeden Tag eine Langdistanz – komme, was wolle“

05.05.2024 | Stand 05.05.2024, 19:28 Uhr

Nach seinem Triathlon um die Erde und dem Duathlon von Küste zu Küste in den USA steht für Extremsportler Jonas Deichmann ein Weltrekordversuch an. Foto: Imago Images

Nach seinem Triathlon um die Erde und dem Duathlon von Küste zu Küste in den USA steht für den deutschen Extremsportler Jonas Deichmann ein Weltrekordversuch an: 3,8 Kilometer Schwimmen, 180 Kilometer Radeln und 42 Kilometer Laufen an 120 Tagen am Stück.


Herr Deichmann, Sie haben einen Schlüssel zum Challenge-Hauptquartier erhalten. In Roth hieß es scherzhaft, ein neuer Mitarbeiter komme. Die Vorfreude auf Ihr Projekt steigt. Ist der Schlüssel schon griffbereit?
Jonas Deichmann: Der ist schon an meinem Haupt-Schlüsselbund, ja. Am Challenge-Headquarter endet jetzt 120 Tage lang meine Runde. Ich ziehe da praktisch ein und fühle mich schon jetzt extrem wohl. Die Leute vor Ort, ob vom Challenge-Team oder aus der ganzen Region sind unglaublich nett und hilfsbereit. Man merkt, wenn man über den Challenge redet, funkeln hier bei allen die Augen.

Man könnte von einem Wohlfühlfaktor sprechen. Dabei suchen Sie den „Unwohlfaktor“, gehen immer dahin, wo es wehtut…
Deichmann: Nur teilweise. Den Großteil des Tages geht’s mir super. Dann sind harte Momente dabei. Durch diese sind die schönen Momente aber umso besser, da ich sie mir verdient habe.

Jetzt wollen Sie 120 Triathlon-Langdistanzen am Stück bestreiten: 3,8 Kilometer Schwimmen, 180 Kilometer Radeln und 42 Kilometer Laufen an 120 Tagen am Stück. Sie sind ja viel gewöhnt. Warum wird das Projekt aber ganz anders als vorherige?
Deichmann: Die Einzeldisziplinen habe ich zwar schon über weitere Strecken gemacht, bin letztes Jahr zum Beispiel mit einem Tagesschnitt von 54 Kilometern durch die USA gerannt oder mit einem Schnitt von 250 Kilometern über Monate geradelt. Der große Unterschied: Jetzt ist alles am Stück, es gibt keinen Puffer. Bei meinen letzten Projekten konnte ich bei einer Erkältung oder Wehwehchen reduzieren. An einem Tag nur 40 Kilometer Laufen zum Beispiel. Da kann sich der Körper erholen. Jetzt ist das anders: Jeden Tag eine Langdistanz – komme, was wolle.

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Jonas Deichmann in der Form seines Lebens
Ein extremes Projekt, wohl das extremste des Abenteurers Jonas Deichmann. Ihre Vorbereitungen waren akribisch. Sind Sie in der Form Ihres Lebens?
Deichmann: Definitiv, ich habe noch nie so strukturiert trainiert und das 40 bis 50 Stunden die Woche, seit Monaten. Ich fühle mich topfit und bin extrem heiß.

Die Vorbereitung fand lange im spanischen Girona statt. Wie bereitet man sich auf 120 Triathlons am Stück vor?
Deichmann: Im Schnitt habe ich 20 bis 22 Mal pro Woche trainiert, darunter sechs Schwimm-, sechs Rad- und sechs Laufeinheiten. Im Schnitt habe ich immer etwa 60 Prozent einer Ironman-Distanz absolviert, also etwa drei Kilometer schwimmen, 100 Kilometer radeln und 20 Kilometer laufen. Dann gab es Fokustage: Zum Beispiel nur zweieinhalb Kilometer schwimmen, 70 Kilometer radeln und dafür 30 Kilometer laufen. Oder eben anders herum.

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Und jetzt die volle Triathlon-Distanz. Mit der Girona-Form geht es jetzt über ihr aktuelles Camp in Fuschl am See nach Roth. Wie richten Sie sich dort ein?
Deichmann: Ich habe eine Ferienwohnung direkt am Solarer Berg in Hilpoltstein. Mein Papa ist mein Hauptbetreuer. Er wechselt sich alle zwei Wochen mit Martin Waller ab, der mir auch bei den geplanten Buchprojekten hilft. Das ist mein Kernteam, das zum Beispiel auch mein Essen zubereitet. Auf der Strecke betreut mich noch Marc Bernreuther, der auch meine Social-Media-Kanäle übernimmt.

Jonas Deichmann: So sieht mein Vatertag aus
Wie sieht der Tagesablauf ab Vatertag am 9. Mai aus?
Deichmann: Ich stehe so gegen 6.20 Uhr auf, nehme ein kleines Frühstück und einen Espresso. Dann springe ich um 7 Uhr in den Rothsee, schwimme knapp über eine Stunde. Nach einem kleinen Essen geht es um 8.20 Uhr auf die Radstrecke. Nach einer kurzen Mittagspause nach der ersten Runde geht es in die zweite – und dann am frühen Nachmittag in die Laufschuhe. Nach dem Marathon bin ich um 19 Uhr wieder in Roth. Dann geht es zurück in die Ferienwohnung, es gibt ein zweites und drittes Abendessen und Physio.

Dann gibt es noch die mentale Schiene. Wenn man Ihre Dokus sieht und Bücher liest, möchte man meinen, hier benötigen Sie überhaupt keine Unterstützung. Woher kommt das?
Deichmann: Mental bin ich topfit. Ich mache das seit vielen Jahren und hatte schon viele Tiefpunkte in meinen Projekten. Aber es geht immer weiter. Der nächste Schritt geht immer. Ich bin ein bedingungsloser Optimist. Außerdem habe ich mir ein Umfeld geschaffen, in dem alle daran glauben, unsere Ziele zu erreichen. Natürlich wird Roth eine Riesen-Herausforderung. Vier Monate darf nichts schiefgehen. Aber es wird klappen.

Viel erlebt haben Sie bislang rund um die ganze Welt. Jetzt beackern Sie das südliche Mittelfranken, den Landkreis Roth. Welche neuralgischen Punkte haben Sie ausgemacht?
Deichmann: Generell ist die Strecke wunderbar. Der legendäre Solarer Berg wird natürlich toll, gerade am Challenge-Tag mit der Stimmung. Die Radstrecke kenne ich noch nicht komplett, aber sie ist schön abwechslungsreich. Am Kalvarienberg gibt es ja gerade eine Baustelle. Die Umfahrung hat 20 Prozent Steigung. Die ersten 30 Tage muss man gut reintreten. Ich kann zwar mein Tempo fahren, aber wenn ich das mehrere Langdistanzen hintereinander gemacht habe, kann ich meinen Puls nicht mehr hochbekommen. Eine Herausforderung.
…die jeder verfolgen kann. Es gibt ein Livetracking, Sie haben auch aufgerufen, jeder könne an die Strecke kommen und mitmachen. Wieso ist Ihnen das so wichtig?
Deichmann: Ich möchte Leute inspirieren und motivieren, Sport zu machen. Ich hoffe, dass viele Leute kommen und mitmachen. Ob eine Langdistanz oder mit Freunden eine Staffel: Jeder soll so viel und so weit und so schnell mitmachen, wie er kann.

Der erste Schritt dazu sei der schwerste, heißt es. Trotz des Wissens darum, will er bei vielen aber nicht gelingen. Was also tun?
Deichmann: Ich höre viele Leute, die sagen: Wie soll ich einen Marathon laufen? Dabei kann das jeder gesunde Mensch. Vielleicht nicht in zweieinhalb Stunden. Aber darum geht es ja nicht. Es gibt immer viele Gründe, es nicht zu tun. Aber am Ende sind das Ausreden. Das Entscheidende ist das Commitment zum ersten Schritt. Man muss an die Startlinie kommen. Dann braucht man Disziplin. Wenn man es dann oft genug gemacht hat, wird es eine Selbstverständlichkeit. Die Distanzen werden länger. Und schon macht man einen Challenge mit. Ein Tipp: Eine meiner Regeln lautet: „Do shit first“. Das heißt, ich beginne meinen Tag mit der unliebsamsten Aufgabe. Ich bringe es einfach hinter mich und kann mich auf die schönen Dinge konzentrieren. Man muss es einfach nur machen. Das klingt so einfach. Aber genauso ist es.

Einfach machen – und zwar wie in ihrem Fall 120-mal am Stück.
Deichmann: (lacht) Genau.

Mit dem großen Halbzeit-Highlight direkt am Renntag des Challenge Roth am 7. Juli.
Deichmann: Das wird ein ganz großes Abenteuer. Ich freue mich unheimlich und bin wahnsinnig motiviert. Ich habe noch nie am Challenge teilgenommen, aber viele Geschichten gehört. Es soll sensationell sein. Für mich aber auch eine Herausforderung, weil ich nicht „überpacen“ darf. Ich möchte, dass ich an diesem Tag so schnell bin wie an allen anderen auch und nicht schneller.

Auf der anderen Seite wird es Momente geben in den 120 Tagen, wo kein Trubel herrscht, wo Sie für sich ganz alleine sind. Was denken Sie in solchen Momenten?
Deichmann: So richtig alleine werde ich nie sein. Dazu gibt es viel zu viele Triathlon-Begeisterte in der Gegend. Wenn aber doch, fokussiere ich mich auf meine Aufgabe. Nach dem Motto: Jetzt geht es erstmal ein bisschen schwimmen, ein bisschen radeln und ein bisschen laufen. Das ist das einzige, an was ich denke.

„Ein bisschen“ ist nett formuliert. Am Ende Ihres Projekts wollen Sie 456 Kilometer geschwommen, 21000 Rad gefahren und 5062 gelaufen sein. Und das in 120 Tagen. Aus neutraler Perspektive ein waghalsiges, wenn nicht verrücktes Unternehmen…
Deichmann: Das Leben wäre ziemlich langweilig, wenn es keine Verrückten gäbe. Irgendjemand muss es ja tun, solange es machbar ist. Ich bin da gerne der Erste.

Gerne der Erste, der den Rekord hat. Momentan liegt er bei 105 Langdistanzen in Serie. Am Abend des 5. September also…
Deichmann: …werde ich erstmal eine große Portion Käsespätzle essen, dann ein Radler, meinen ersten Alkohol in diesem Jahr, trinken und eine große Party in Roth schmeißen. Ich habe lange auf dieses Projekt hingearbeitet. Jetzt kommen die entscheidenden Monate. Ich will diesen Meilenstein in Roth. Und wenn er gelungen ist, wird natürlich gefeiert.