Barrierefreies Faschingsspektakel
Hilpoltsteiner Flecklasmänner: Besonderes Konzept für Brauchtumsumzug

14.01.2023 | Stand 17.09.2023, 5:33 Uhr

Der bunte Hilpoltsteiner Brauchtumsumzug zieht die Massen an. Nun soll er erstmals barrierefrei gestaltet werden. Foto: Tschapka

Von Monika Meyer

Das Comeback nach zwei Jahren Zwangspause soll großartig werden. 35 Gruppen nehmen am Brauchtumsumzug der Hilpoltsteiner Flecklasmänner (Landkreis Roth) teil, sie reisen bis aus Italien, Österreich, Hessen und Baden-Württemberg an.



Doch ein Aspekt macht die siebte Auflage des beliebten Faschingsereignisses zu etwas ganz Besonderem: Zum ersten Mal soll der Umzug für wirklich alle zugänglich sein – dank eines ausgetüftelten Konzepts für die Barrierefreiheit.

Viele Aspekte wollen bedacht sein, um Menschen mit Einschränkungen, Ältere, die nicht mehr so lange stehen können und Familien mit kleinen Kindern und Kinderwagen das Zuschauen zu erleichtern oder überhaupt zu ermöglichen. „Unser Schriftführer Thomas Zeh hatte die Idee, beim Zug auf mehr Barrierefreiheit zu achten“, erklärt die Vereinsvorsitzende Katrin Schade.

Extra-Zone vor der Residenz statt nur zwei Bierbänken



„Bisher hatten wir nämlich nur zwei Bierbänke zum Sitzen aufgestellt, die dann leider meist von denen besetzt wurden, die sie gar nicht gebraucht hätten“, so Schade. Am Sonntag, 22. Januar, wenn buntes, lautes und lustiges Treiben das Zentrum Hilpoltsteins in Beschlag nimmt, soll ein eigens reserviertes Areal vor der Hilpoltsteiner Residenz Menschen mit besonderen Bedürfnissen einen Logenplatz mit Sitzgelegenheit und Bewegungsfreiheit verschaffen. Denn wer im Rollstuhl sitzt, kann nicht so einfach in der Menge manövrieren, wenn ihm stehende Zuschauer die Sicht nehmen sollten. Von dort ist es auch nicht weit bis zu den ausgeschilderten Behindertentoiletten in der Residenz, im Gasthaus „Zur Post“ und im Rathaus II. Damit diese Menschen auch gut und barrierefrei anreisen können, weist der Verein am nahe gelegenen Feuerwehrhaus an der Badstraße einen Parkplatz aus, auf dem auch die Sprinter der Behinderteneinrichtung gut parken und ihre Laderampen für die Rollstuhlfahrer öffnen können. Denkbar ist auch ein Shuttle-Service der Einrichtung Regens Wagner Zell und Auhof. Vom Feuerwehrparkplatz ist es auch nicht mehr weit bis zum Marktplatz. „Die Frage ist im Vorfeld natürlich, wie gut das Ganze genutzt wird, aber wir machen jetzt einfach mal einen Anfang“, unterstreicht Katrin Schade. „Und wenn nicht gleich alles reibungslos klappt, hoffen wir auf Verständnis.“

Kindern das Faschingsbrauchtum in der Region näher bringen



Die Idee für den ersten barrierefreien Brauchtumsumzug war eigentlich langsam gekeimt. Denn Katrin Schade und ihr Mann Marc haben große Freude daran, Kindern das Faschingsbrauchtum in der Region näher zu bringen. So waren die beiden zum Beispiel schon in der Comeniusschule, die der Behinderteneinrichtung Aufhof angegliedert ist, zu Besuch. Dort habe ein Kind, das sich sonst nie etwas auf den Kopf setzen lasse, nicht einmal eine Mütze, sich sogar einverstanden erklärt, eine Holzlarve aufzusetzen. „Das ist doch schön“, sagt Katrin Schade erfreut. Während der Pandemie mussten die beiden ihre Schulaktivitäten einstellen – allerdings nur an Ort und Stelle. Stattdessen produzierten sie gemeinsam mit dem Hilpoltsteiner Filmer Ludwig Heß einen 20-minütigen Streifen, den gehörlose Kinder aus der Tagesstätte von Regens Wagner Zell mit einfachen Gebärden hinterlegten. Teil des Films waren auch alte Szenen mit dem Hilpoltsteiner Original, dem Flecklasmo Karl Brunner. Der Film lief sogar im Kino: „Bavaria Roth hat uns dabei unterstützt“, erzählt die Vereinsvorsitzende. „Da haben wir die Einrichtung und die Kinder dazu eingeladen.“

Das brachte den Verein nun auf den Gedanken, „dass unsere größten Fans nun auch beim Brauchtumsumzug dabei sein sollten“, so Schade. Ein ausgezeichneter Berater war diesbezüglich der Inhaber der erstmals eingeführten Stabsstelle eines Inklusionsbeauftragten bei den Flecklasmännern, Marcus Henglein.

Livestream für alle, die nicht kommen können



Er arbeitet selbst in der Einrichtung Auhof als Auszubildender zum Heilerziehungspfleger und setzt sich aktiv für Menschen mit Behinderung ein. Er gab den Hinweis, für jene, die schnell unter einer Reizüberflutung leiden können wie Menschen, die an Epilepsie leiden, einen extra Rückzugsraum anzubieten. Der soll nun vor dem Jugendtreff mit Bänken und Pavillons angeboten werden. „Dorthin kann man sich dann vorübergehend in diese reizfreie Zone zurückziehen“, so Henglein. „Man kann auch jederzeit Kontakt mit uns aufnehmen, wenn es noch weitere Anregungen gibt.“ Dies ist möglich per E-Mail an die Adresse info@hilpoltsteiner-flecklasmänner.de

Die hiesigen Behinderteneinrichtungen hätten die Ideen jedenfalls absolut positiv aufgenommen, erzählt Katrin Schade. „Sie waren sogar baff, dass jemand an Barrierefreiheit denkt.“ Geplant sei zudem, sogar eine Livestream einzurichten, damit wirklich jeder den Umzug beobachten kann, auch jene, die die Heime nicht verlassen können.

HK