Hilpoltstein
Anja Lehmann erhält den Elisabeth-Engelhardt-Literaturpreis 2021

Ihr Werk „Sehnsucht nach Damaskus“ ragt heraus

16.09.2022 | Stand 22.09.2023, 5:39 Uhr

Preisträgerin Anja Lehmann mit Omar Abou Hamda (links), Laudator Reinhard Knodt (2.v.r.) und Landrat Eckstein. Foto: Unterburger

Von Robert Unterburger

Hilpoltstein/Leerstetten – Eigentlich sollte er bereits verliehen sein, doch wegen Corona musste der Elisabeth-Engelhardt-Literaturpreis des Landkreises Roth um ein Jahr verschoben werden. Doch nun war es soweit: In der vollbesetzten Kulturscheune in Leerstetten verlieh Landrat Herbert Eckstein den Preis an die Obersteinbacher Autorin Anja Lehmann. Die Laudatio hielt Reinhard Knodt. Der Gitarrist und Sänger Axel Schuhmann umrahmte die Feierstunde mit Songs von Otis Redding, Bruce Springteen, Prince und weiteren Rockklassikern.

Landrat Herbert Eckstein berichtete, dass sich 14 Autoren um diesen Preis beworben haben beziehungsweise vorgeschlagen wurden. Eine neunköpfige Jury hatte sich für Anja Lehmann aus Obersteinbach als Preisträgerin entschieden. Besonders im Fokus stand dabei ihr Buch „Sehnsucht nach Damaskus“, in dem sie das Schicksal des geflüchteten Syrers Omar Abou Hamda schildert. Hamda war eigens aus Hamburg angereist, um bei der Preisverleihung dabei zu sein.

Anlässlich der Vorstellung der Monographie über Elisabeth Engelhardt im Jahre 1994 entstand auf Initiative von Herbert Eckstein die Idee, einen Literaturpreis für Landkreisautoren ins Leben zu rufen, der im dreijährigen Turnus ausgelobt wird. Anlässlich der Jubiläumsfeierlichkeiten zum 25-Jährigen des Landkreises wurde der Preis 1997 zum ersten Mal vergeben. Er ist mit 1500 Euro dotiert, die von der Sparkassenstiftung getragen werden.

In seiner Laudatio zitierte Reinhard Knodt den römischen Gelehrten Plinius, der gefordert hat: „Schreibe, lese, meditiere!“ Plinius habe den Untergang der Stadt Pompeji beschrieben. Auch Anja Lehmann habe in ihrer Ahnen-Trilogie, Band 1: „Blut der Ahnen“, über den Ausbruch des Vesuv geschrieben. Den Literaturpreis habe Anja Lehmann allerdings für ihr Werk „Sehnsucht nach Damaskus“ erhalten.

„Anja Lehmann ist kreativ, eine echte schöpferische Begabung und ähnelt Tanja Kinkel, die ich sehr achte“, lobte der Laudator. „Ohne das Buch ‘Sehnsucht nach Damaskus‘ wäre Anja Lehmann nicht in die Situation gekommen, in der sie heute ist“, hob er hervor.

Frühere Romane nur„ Vorübung für dieses Buch“

Die „Sehnsucht nach Damaskus“ sei eine Fluchtgeschichte, so Knodt weiter, „das Buch fragt nach der Menschlichkeit, nach der ganzen Menschheit“. Anja Lehmanns Buch handle von Begegnungen und Ängsten und von der Sehnsucht nach Menschlichkeit, Hoffnung und Liebe, sagte Knodt. „All ihre früheren Romane sind nur eine Vorübung für dieses Buch“, sagte er. „Sehr gute Literatur macht weise, ohne eine überflüssige Intellektualität zu zeigen.“ Anja Lehmann schildere „die Welt, wie sie ist und wie sie sein soll“. Und: „Anja Lehmann und Omar Abou Hamda sollten noch einmal ein gemeinsames Buch schreiben!“

„Omar Abou Hamda ist 2015 als 19-jähriger aus seiner Heimat Syrien geflüchtet“, berichtete die Preisträgerin, „erst 2018/19 sind wir uns begegnet“. Der Geflüchtete habe sich als Kassier bei der Tankstelle ihres Schwiegervaters beworben. „Er war ausgesprochen höflich und freundlich“, lobte sie. Einmal habe er gesagt: „Es lohnt sich immer, das Leben zu leben, es gibt immer einen Grund weiterzumachen“. In Damaskus hatte Omar Abou Hamda Wirtschafts-Informatik studiert. „Er erzählte mir von seiner Flucht von Syrien über den Libanon, die Türkei, Griechenland, den Balkanstaaten nach Ungarn bis nach Deutschland“, berichtete Anja Lehmann.

In einer kurzen Lesung aus dem Buch schilderte die Autorin die gefährliche Situation, die Omar Abou Hamda erlebte, als er im Schlauchboot von der Türkei nach Kos übersetzte und die Lehmann bewog, die Geschichte aufzuschreiben. Maskierte Piraten hatten das Schlauchboot der Flüchtenden gestoppt und diese mit Waffen bedroht, eine Kette an das Boot angehängt und das Boot kreuz und quer durch das Mittelmeer gezogen. Die Kidnapper zielten schließlich mit den Gewehren auf die Flüchtlinge und gaben mehrere Schüsse ab, bevor sie wieder verschwanden.

„Wir brauchen Toleranz und Verständnis“

Ihr Buch hat die Autorin in drei Teile geteilt: Omars Kindheit, seine Flucht und die Integration in Roth, wo er gut aufgenommen worden ist und sehr viel Unterstützung erfahren hat. „Es ist eine wahnsinnig bewegende Geschichte“, so die Autorin, „wir brauchen Toleranz und Verständnis“. Dafür gab es Beifall vom Auditorium.

„Der schlimmste Tag meines Lebens war die Flucht auf dem Schlauchboot“, bekannte Omar Abou Hamda. „Als ich in Deutschland war, war ich sehr verunsichert und verstört“. Das Schönste sei für ihn gewesen, die Familie Ludwig in Roth kennenzulernen. „Ich bin mittlerweile verheiratet, habe eine Tochter und es läuft alles prima“, blickte er zuversichtlich nach vorne.

HK