Alpine Herausforderung
Beinamputierter Max Schwarzhuber aus Wolnzach möchte Sieben Gipfel der Alpen bezwingen

17.03.2023 | Stand 17.09.2023, 0:51 Uhr

Zahlreiche Bergtouren hat Max Schwarzhuber in der Vorbereitung absolviert; an diesem Wochenende möchte er seine Sieben-Gipfel-Herausforderung an der Zugspitze starten. Foto: Sebastian Reith

Vor sechs Jahren hat sich Maximilian Schwarzhuber aus Wolnzach beide Beine unterhalb des Knies amputieren lassen. Für ihn begann damit ein neues Leben – ohne Schmerzen und mit der ständigen Suche nach dem ultimativen Kick. Jetzt will er die Sieben Gipfel der Alpen besteigen.



In den rötlichen Barthaaren hängen kleine Eiszapfen, das Halstuch ist voller Schnee. Der Bergsteiger trägt eine blaue Jacke und eine neongrüne Hose. Es ist eiskalt da oben, der Wind vervielfacht jedes Minusgrad, jeden Höhenmeter. Die Finger sind klamm in den Handschuhen. Den Schnee, der in seine Schuhe rieselt, spürt dieser Mann jedoch gar nicht, denn die in halbhohen Bergschuhen steckenden Füße sind aus Kunststoff: „Da friert es mich wenigstens nicht in den Zehen.“

Der Mann auf dem Berg ist Maximilian Schwarzhuber, Motivationscoach und Extremsportler, seit er – im wahrsten Sinne des Wortes – ein einschneidendes Erlebnis hatte: Mit 24 Jahren ließ er sich nach langer Krankheit beide Unterschenkel unterhalb des Knies amputieren. Für ihn war das nicht der Beginn, sondern das Ende einer Leidenszeit: „Es sind nicht die Beine, die uns bewegen, sondern unser Wille“, sagt der heute 30-Jährige, der seither ständig auf der Suche ist. Nach neuen Herausforderungen, nach dem Kick, nach dem Beweis dafür, dass fast alles möglich ist – und auch zwei Beinprothesen ihn nicht aufhalten können.

Am Berg gibt es kein schnelles Zurück



Dieses Mal jedoch steckt die Grenzen nicht nur er selbst, sondern auch die Natur der Berge: Schwarzhuber möchte heuer die Sieben Gipfel der Alpen, die „Seven Summits“ , bezwingen, möchte auf die Zugspitze in Deutschland, den Triglav in Slowenien, die Vordere Grauspitze in Liechtenstein, den Großglockner in Österreich, den Gran Paradiso in Italien, die Dufourspitze in der Schweiz, den Montblanc in Frankreich. Ohne Beine, aber dafür mit starkem Willen.

Den hat er schon oft bewiesen: Wenige Wochen nach der Amputation vor sechs Jahren ist Schwarzhuber mit seinen Beinprothesen schon beim Lauf 10! in Wolnzach mitgelaufen, hat seither bei Triathlons, Halbmarathons und Marathons nicht nur teilgenommen, sondern auch noch ordentliche Zeiten hingelegt. Im vergangenen Jahr wollte er 1001 Kilometer durch Deutschland in 48 Stunden radeln – und schaffte am Ende „nur“ 900 Kilometer in 44 Stunden. Weil die Knie nicht mehr mitmachten. „Dieses Mal“, sagt Schwarzhuber, „da kann ich aber nicht einfach aufhören. Das ist gerade der besondere Reiz.“ Da muss man sich noch genauer kennen, noch mehr Respekt haben: vor sich selbst und vor der Natur. Denn einmal auf dem Berg, einmal auf Tour, gibt es kein Zurück. Oder zumindest kein schnelles. „Beim Laufen oder Radeln, da wusste ich, wenn es nicht mehr geht, dann ist halt Schluss.“ Auf dem Berg geht das nicht. „Da hast du auch erst die Hälfte hinter dir, wenn du am Gipfel stehst.“

Bergauf ist er im Schneeschuh im Vorteil



Diese Herausforderung, die sieben Gipfel, die hat er schon länger im Blick, hat sie zwischen Triathlon und 1001 Kilometer Radeln nie aus den Augen verloren. Denn Schwarzhuber ist kein Anfänger, hat durchaus Bergerfahrung. Er war schon auf dem Teide, dem höchsten Berg Teneriffas, allerdings damals noch mit Beinen und damit mit wunden Stellen, Schmerzmitteln und schlechten Blutwerten.

Mit seinen neuen Beinen aus Titan und Kunststoff passiert ihm das nicht. Die hätten am Berg sogar so manchen Vorteil. Zum Beispiel bergauf in den Schneeschuhen. Da braucht er keine Steighilfe, nicht den Mechanismus, der einen echten Fuß im Winkel hält. „Meine Füße haben ja immer 90 Grad, da brauche ich keinen Druck auf die Ferse.“ Bergauf ein Vorteil, bergab ist genau das ein Problem. Aber keines, das sich nicht bezwingen lässt. Zum Beispiel mit Steigeisen anstatt Schneeschuh: „Da ist es dann wurschterer.“

Seit Monaten bereitet sich der Extremsportler auf seine „Seven Summits“ vor, hat zusammen mit seinem Team – Freunde, erfahrene Bergsteiger mit entsprechender Kondition – pro Woche eine Bergtour gemacht. Mindestens. Man muss schließlich fit sein: „Dass du aus Erschöpfung nicht weiter kannst, das darf nicht passieren.“ Man muss sich einschätzen können, auf sich hören, mental stark sein. Eine Blockade am Berg, ein Panikausbruch in einer scheinbar ausweglosen Situation, das habe schon einige das Leben gekostet.

Aber mental ist Schwarzhuber, wie er sagt, „gut drauf“, hat gelernt, auf sich zu hören, hat „Respekt, aber keine Angst“. Zudem lässt er sich in Seiltechnik und Gletscherpalten-Rettung schulen. Wollte in der Vorbereitung möglichst viele Erfahrungen sammeln, um vorbereitet zu sein, wohlwissend, dass man nicht alles einkalkulieren kann. Schon gar nicht am Berg. Deshalb gehören auch zwei Dinge für absolute Notsituationen zu seiner Ausrüstung: „Schmerzmittel und Biwaksack. Das kann dir im Ernstfall das Leben retten.“

Lawinengefahr ist nachts am geringsten



Die Zugspitze will sich Max Schwarzhuber als erstes vornehmen. Über die Reintaltour, 22,4 Kilometer einfach, 2250 Höhenmeter. In der Nacht auf Samstag soll es losgehen. Warum in der Dunkelheit? „Weil nachts die Lawinengefahr viel geringer ist.“ Im „absoluten Idealfall“ erreichen er und sein Bergpartner – auf dieser Tour begleitet ihn „der Freund einer Freundin“ Alex Daffner – dann am Samstag gegen 12 Uhr den Gipfel, beim Abstieg planen sie eine Übernachtung in der Knorrhütte (2052 Meter) ein. Von dort aus soll es dann in der Nacht auf Sonntag, wieder sehr früh bei Dunkelheit, zurück in Richtung Garmisch gehen.

Wenn alles gut läuft, werden Max Schwarzhuber und Alex Daffner in dieser Hüttennacht – wie schon bei anderen Übernachtungen in der Vorbereitung – nicht nur körperlich, sondern auch mental richtig gut auftanken können. Denn da hat es auch schon sehr viele lustige Momente gegeben. Zum Beispiel bei dem Hüttenwirt, der gar nicht wusste, dass auf seiner Homepage steht, dass dem Begleiter eines Schwerbehinderten die Hütten-Übernachtung geschenkt wird. „Ich glaube, das lag daran, dass es noch nicht so viele Schwerbehinderte auf eine Hütte in über 2000 Metern Höhe geschafft haben.“ Da war er halt der Erste. Und er möchte auch der Erste sein, der die Sieben Gipfel der Alpen in einem Jahr schafft – mit zwei Prothesen und ohne Beine.

WZ