Dietfurt
Geplantes Zementwerk wirbelte Staub auf

Industrie wollte vor 50 Jahren auf Jurahöhen bei Hebersdorf, Hainsberg, Mitteldorf und Oberbürg investieren

18.08.2022 | Stand 22.09.2023, 6:42 Uhr

Auch der damalige Leibrecht-Steinbruch sollte in die Fläche des Zementwerks integriert werden. Heute ist das Areal ein Landschaftsschutzgebiet. Foto: Patzelt

Von Anton Patzelt

Dietfurt – In den 1970er-Jahren hat sich die Zementindustrie auf das neue Gold der Erde gestürzt. Gold, mit dem Bauwerke geschaffen werden. Aber auch Gold, mit dem Geld gemacht wird. Das Kühlwasser wurde der Erde entnommen und die Zementzüge sollten rollen und rollen. Die Zementmacher schienen in Goldgräberstimmung zu sein. Auch der Gemeinde Dietfurt versprachen die Manager der Firma Readymix mit einem Zementwerk goldene Zeiten. Das Werk sollte auf den Jurahöhen bei Hebersdorf, Hainsberg, Mitteldorf und Oberbürg gebaut werden. Aber nicht alle machten mit.

Vor 50 Jahren wirbelte dieses Vorhaben in einer Größenordnung von rund 114 Millionen D-Mark reichlich Staub auf und sorgte im DONAUKURIER wochenlang immer wieder für neue Schlagzeilen. „In aller Stille geht etwas vor bei der Dietfurter Stadtverwaltung. Das Geheimnis soll eine Überraschung werden, denn, wenn alles unter Dach und Fach ist, wird eine Zementfabrik dicht beim staatlich anerkannten Erholungsort eröffnen“. So begann der Leserbrief des Vorsitzenden des Fremdenverkehrsvereins Dietfurt, Oskar Hoffmann, mit dem er am 21. Juli 1972 erstmals auf das geplante Werk hinwies und die Öffentlichkeit sensibilisieren wollte.

Einen Tag später erschien zum ersten Mal ein Bericht über das Vorhaben in unserer Zeitung. „In der Großgemeinde Dietfurt ist allerhand los. Ein Industriebetrieb von eminenter Größe soll angesiedelt werden. Bürgermeister Rupert Faltermeier wollte, um die Verhandlungen nicht zu stören, die Sache zunächst geheim halten“, konnte man lesen. Insgesamt wollte das neue Unternehmen mehr als 100 Hektar Land zwischen Oberbürg, Hebersdorf und Raitenbch kaufen.

Laut einem Mitarbeiter des Planungsbüros möchte die neue Zementfabrik den benötigten Kalkstein im Berg abbauen. Der Betrieb sei nach den neuesten technischen Einrichtungen nicht mehr umweltverschmutzend. Auch Staub wie in früheren Werken gebe es nicht mehr. Das Zementwerk biete Arbeitsplätze für rund 300 Personen. Allerdings müsse die Betriebsfläche mindestens 100 Hektar betragen.

Um den Verkauf der erforderlichen Grundstücke schmackhaft zu machen, bot der Investor den Landwirten pro Quadratmeter 5,50 D-Mark an. Allerdings musste der Vertrag sofort abgeschlossen werden. Wird das Grundstück pachtweise dem Unternehmen überlassen, bekommen die Landwirte 200 Mark pro Hektar jährlich, obwohl die Fläche noch genutzt werden kann. Erst dann, wenn der Grund aufgerissen wird, erhält der Eigner pro Quadratmeter 7,50 Mark. Landwirte, die verkaufen, können mit finanzieller Hilfe des Arbeitsamtes umgeschult werden. „Der größte Teil der Landwirte zeigte sich zum Verkauf beziehungsweise zur Verpachtung bereit“, hieß es anschließend im DONAUKURIER. Es sollte bis zum Neutal bei Mitteldorf angekauft und abgebaut werden.

Um Informationen einzuholen, besichtigten die Landwirte ein Betonwerk in Burglengenfeld. Nachdem sich der Standort des Zementwerks bis in die Nähe der Siebentälerstadt erstrecken sollte, wurden auch die Dietfurter Stadträte „etwas unruhig“. Besonders der Stadtrat Hans Madeisky befürchtete Nachteile bezüglich des erst angelaufenen Fremdenverkehrs. „Zu diesem Projekt sollte man sich einige kritische Gedanken machen. Diese Fabrik berührt uns in gewisser Beziehung alle. Bei Nordostwind ist damit zu rechnen, dass auch die Dietfurter eine gewisse Menge an Staubpartikeln schlucken müssen“, erklärte der SPD-Kommunalpolitiker. Zudem kam noch die Befürchtung der Lärmbelästigung.

Eine gemeinsame Besichtigungstour der Landwirte in ein Burglengenfelder Zementwerk, an der auch Bürgermeister Faltermeier und der Vorsitzende des Fremdenverkehrsvereins, Oskar Hoffmann, teilnahmen, konnte nicht alle Unklarheiten beseitigen. Vor allem mit dem ständigen „monotonen Summton“, der vom Werk ausging, konnten sich die Fahrteilnehmer in keiner Weise anfreunden.

Der Dietfurter Rathauschef befürwortete allerdings nach wie vor die Errichtung des Werkes bei Mitteldorf, würde doch die Ansiedlung einen beträchtlichen Betrag an Gewerbesteuern in die Stadtkasse spülen, was vor allem bezüglich eines Krankenhausbaus von „enormem Vorteil wäre“. Wegen der Lärmbelästigung ließ Faltermeier durchblicken, dass die Ortsteile rund um das Werk „etwas bevorzugt werden könnten“. Resümee der Fahrt: Die Landwirte müssen sich entscheiden – und das, möglichst schnell.

„Bis Freitagabend Frist gesetzt“, lautete dann die Schlagzeile in unserer Zeitung vom 27. Juli 1972. Das Unternehmen schien daran zu scheitern, dass einige Landwirte aus Mitteldorf nicht bereit waren, ihre Grundstücke abzutreten. Dies wurde der Firma bei einer Schlussbesprechung mit den Landwirten von Hainsberg, Mitteldorf und Stetterhof deutlich klargemacht. Und dabei blieb es. Am 9. August 1972 lautete die Schlagzeile in unserer Zeitung: „Zementwerk zum Scheitern verurteilt“. Die Zementgiganten mussten ihre Fühler anderweitig ausstrecken – beispielsweise in den Kreis Kelheim. Aber auch hier gab es Diskussionsstoff.

DK