Gedanken zum Sonntag
Wer ist hier der Kaiser?

Von Andreas Tyroller, der sich in der Pfarrei Mühlried engagiert

21.04.2024 | Stand 21.04.2024, 11:00 Uhr

Andreas Tyroller, Wortgottesdienstleiter in der Pfarrei Mühlried und Mitglied der Wasserwacht Foto: privat

Der Kaiser ist von uns gegangen! Die Todesnachricht von Franz Beckenbauer hat viele erschüttert. Die Lichtgestalt hat uns verlassen! Die Trauerfeiern waren riesengroß. Franz Beckenbauer war sicher ein großartiger Fußballer und er hat sicher viel Gutes für unser Land geleistet. Aber ein Kaiser war er für mich nicht und noch viel weniger eine Lichtgestalt. Mein sportlicher Kaiser war ganz wer anders und meine sportlichen Kaiser heute sind auch ganz andere.

Ich will Ihnen die Geschichte meines sportlichen Kaisers erzählen: Als ich in der fünften Klasse war, kam ich in ein Internat. An der dortigen Schule gab es auch Schwimmunterricht. Ich dachte, ich kann gut schwimmen. Aber weit gefehlt. In der fünften und sechsten Klasse quälte ich mich mit den Noten Fünf und Sechs im Schwimmen durch die Schuljahre, Schwimmen wurde mir zum Graus. Das ging sogar so weit, dass, wenn es im Internat ins dortige hauseigene Freibad ging und alle mitmussten, ich immer abseits saß und mich nie ins Wasser traute. Warum? Weil ich immer schreckliche Angst hatte, dass einer der anderen mich im Wasser taucht. Ich war einfach im Wasser ein wunderbares Opfer und habe damit die stärkeren wie ein Magnet angezogen. Ich hatte einfach nur Angst.

Planmäßiges Ersaufen



Das änderte sich in der siebten Klasse: Ich bekam einen neuen Sportlehrer, er hieß: Rainer Fixl. Da war auf einmal etwas ganz Neues: Er konnte mir erklären, wie schwimmen geht und er hat mir klar gemacht, warum das, was ich im Wasser mache, nur „planmäßiges Ersaufen“ sei, so wie er das nannte. Die Chemie zwischen uns passte. In diesem Schuljahr startete ich vom Sechser im Schwimmen zum Einser am Jahresende durch. Ja, ich traute mich, sogar in den Wahlkurs „Leistungsschwimmen“, den ich beibehielt bis in die 13. Klasse. Und ich konnte sogar zwei gute Halbjahresleistungen aus dem Schwimmen in die Abiturnote mit einbringen.

Aber noch viel besser war etwas anderes: Jetzt, wenn wir mit dem Internat zum Schwimmen gegangen sind, war ich im Freibad kein Opfer mehr. Ich war ganz einfach ein selbstbewusster Schwimmer. Ein etwas größerer Mitschüler wollte das nicht glauben und wollte es mit mir aufnehmen und mich im Wasser tauchen, hinterrücks. Aber: Derjenige, der anschließend am Beckenrand geheult hat, war der andere und er hat mich einen „blöden Hund“ genannt, weil ich so grob bin. Und eigenartigerweise war das in meinem Leben das letzte Mal, dass mich jemand in böser Absicht tauchen wollte. Ich war kein Opfer mehr, ich war frei und selbstbewusst.

Freie, selbstbewusste Menschen



Ich schwimme bis heute gern und fühle mich wohl im Wasser. Zu danken habe ich das meinem damaligen Sportlehrer Rainer Fixl, weil er mir einfach Dinge erklären konnte und mich aufgebaut hat. Nicht nur mich, sondern auch die anderen. Er hatte so die wunderbare Gabe, aus Opfern freie, selbstbewusste Menschen zu machen. Dieser Lehrer ist für mich mein persönlicher sportlicher Kaiser, meine „Lichtgestalt“.

Von dieser Sorte Sportlehrer oder Trainer in Vereinen gibt es, glaube ich, ganz viele. Da denke ich vor allem an all die Trainer im Kinderturnen, bei der Wasserwacht, im Schwimm- und Sportverein oder sonst irgendwo und an alle begnadeten Sportlehrer. Ich meine alle, die sich besonders um die Versager und die Opfer annehmen und sie zu freien und selbstbewussten Menschen machen. Vielleicht nur mit ein paar kleinen Zurufen wie „Das machst Du!“, „Das packst Du!“, oder „Dieser Ball ist deiner!“. Alle die sind meine Kaiser und meine Lichtgestalten. Das ist viel mehr wert, als alle WM-Titel und Olympiamedaillen. Macht bitte unbedingt weiter. Und formt freie, selbstbewusste Menschen.

SZ