Mit 48 Jahren erblindet
Blind durch den Alltag: Andreas Dumann zeigt Neuburger Schülern wie er das meistert

21.01.2023 | Stand 17.09.2023, 4:59 Uhr

Andreas Dumann (o. 2.v.r.) und Lehrkraft Uli Zech (l.) zeigen den Schülerinnen und Schülern verschiedene Hilfsmittel, die das Leben einer blinden Person vereinfachen können. Die Schüler testen einen Blindenstock und Brillen. Foto: Werner

48 Jahre seines Lebens verbrachte Andreas Dumann sehend und dann „war es dunkel“. Seit zehn Jahren ist er vollständig blind. Wie er seinen Alltag bewältigt und welche Tricks ihm dabei helfen, erzählt er den Schülerinnen und Schülern der Mittelschule in Neuburg.



Die Augenerkrankung hindert ihn nicht daran, seine Hobbys zu pflegen: Er geht joggen, schwimmen, fährt Fahrrad und kocht gerne. Normale Tätigkeiten also. Den Schülern soll damit die Angst vor blinden Menschen genommen werden, so das Ziel seines Vortrags.

Der Kontakt zur Mittelschule entstand durch Uli Zech. Er ist ein Freund von Dumann und Lehrer an der Mittelschule. Bereits vor Weihnachten hielt Dumann Vorträge vor den achten Klassen. Die Resonanz sei durchweg positiv gewesen, deshalb wurde das Projekt nun weitergeführt, sagt Zech.

Nach einem Autounfall ging Dumann zum Augenarzt



„Meine Jugend verlief ganz normal“, erzählt Dumann den Schülerinnen und Schülern der neunten Klasse der Mittelschule. Er spielte Fußball, machte Leichtathletik und bekam den Führerschein. „Ich hatte aber schon immer Probleme, wenn ich vom Hellen ins Dunkle gekommen bin. Da war es schon immer komisch.“

Ein Wendepunkt im Leben von Dumann war ein Autounfall, damals war er 30 Jahre alt. „Mir fuhr jemand links in die Seite. Auch wenn ich nicht schuld war, habe ich mich gefragt, warum ich ihn nicht gesehen habe.“ Er ging zum Augenarzt und wurde an die Augenklinik in Regensburg überwiesen. Dort erhielt er die Diagnose, die vollkommend überraschend kam: Retinopathia pigmentosa. Ein Gendefekt, der im Laufe der Jahre zur vollständigen Erblindung führen wird. Die Krankheit komme schleichend, nach und nach verringere sich das Sichtfeld – „wie ein Tunnelblick“, beschreibt er.

Mit Spezialbrillen Augenerkrankungen simulieren



Dumann hat Brillen dabei, anhand derer die Schüler ausprobieren können, wie Menschen mit dieser Diagnose oder anderen Augenerkrankungen sehen können. Zwei der Schüler werden die Augen verbunden. Die Mädchen erhalten einen Blindenstock und sollen zurück zu ihren Plätzen gehen. Eine der Schülerinnen ist sichtlich überrascht, als sie nach Abnehmen der Augenklappe erkennt, dass sie neben dem falschen Tischnachbarn sitzt. „Es ist echt schwer, sich zurechtzufinden“, so die Erkenntnis der Schülerin.

18 Jahre nach der Diagnose verlor Dumann im Alter von 48 Jahren endgültig das Augenlicht. „Anfangs war es nicht einfach. Ich konnte die Krankheit nicht annehmen.“ Inzwischen sei es anders, betont er. „Ich habe noch nie so einen positiven Menschen erlebt“, fügt Uli Zech hinzu.

Mit Tricks durch den Alltag



Inzwischen hat Dumann viele Tricks auf Lager, die ihm den Alltag erleichtern. Vieles läuft akustisch mittels kleinen aufklebbaren Aufnahmegeräten, die besprochen werden können. So kann er beispielsweise erkennen, welche Gewürze er in der Hand hält. Er hat einen speziellen Stift dabei, den er auf den kleinen Punkt hält. Es ertönt die Ansage „Gartenkräuter“.

Seine Tochter habe ihm die verschiedenen Gegenstände besprochen, eine „wahnsinnige Arbeit“, die den Alltag von Dumann deutlich erleichtert. Von CDs bis hin zu Aktenordnern – so findet sich Dumann zuhause gut zurecht. Beim Einkaufen helfen ihm die Familie oder die Verkäufer des Supermarktes. Das Bezahlen an der Kasse mit Bargeld bereitet Dumann vor. Geldscheine sind der Größe nach im Portemonnaie geordnet, Münzen ertastet er anhand des Randes, der „entweder glatt oder geriffelt ist“. Gar nicht so einfach, bemerken die Schüler, die mit geschlossenen Augen verschiedene Geldstücke ertasten sollen.

Dumann: „Möchte mir selbst beweisen, dass ich das kann“



„Es geht alles, man muss nur wissen, wie“, betont Dumann. „Ich bin ein selbstständiger Mensch und will es auch bleiben.“ Ob er mal überlegt hat, sich einen Blindenhund zu holen, fragt eine Schülerin. Für Dumann, der gerne auf Reisen ist, sei das keine Option. „Ich komme auch ohne Hund gut zurecht.“

Der Mann ist sehr sportlich, läuft sogar einen Halbmarathon und hat sich weitere Ziele gesetzt. „Dieses Jahr möchte ich den Großglockner besteigen“, erzählt er. „Damit möchte ich mir auch selbst beweisen, dass ich das kann – auch als Blinder.“ Er engagiert sich ehrenamtlich für den Verein Pro Retina. „Ich wollte anderen helfen, mit der Augenerkrankung umzugehen und Tricks weitergeben, die das Leben erleichtern können.“

Gegen Ende der Unterrichtsstunde erklärt Dumann den Schülern, wie sie am besten auf eine blinde Person reagieren, die beispielsweise am Straßenrand steht. „Sprecht den Menschen an und fragt, ob er Hilfe braucht. Bietet einen Ellenbogen an. Der ist happy, glaubt es mir“, gibt Dumann an die Schüler weiter.