Unkalkulierbare magische Momente
Tobias Christl: Schrobenhausener Sänger kommt zu Jazz im Filmtheater

21.03.2024 | Stand 21.03.2024, 17:06 Uhr

Tobias Christl (vorne) wird diesen Samstag das Herzog-Filmtheater aufmischen. Der Musiker ist viel auf internationalen Festivals zu sehen. Foto: Dovile Sermokas

Tobias Christl ist vor ziemlich genau 46 Jahren im Schrobenhausener Krankenhaus geboren. Viel mehr Berührungspunkte mit der Stadt gibt es nicht. Aber das kann sich ja ändern: An diesem Samstag kommt der Ausnahmemusiker mit seiner Band Wildern zu Jazz im Filmtheater.

Was geht denn bitte in Schrobenhausen?

Schon ein paar Tage vor seinem Auftritt im Herzog-Filmtheater ist Tobias Christl mal wieder auf Heimatbesuch. Und zum Kaffee am späten Nachmittag dann auch in Schrobenhausen. Lange dauert es nicht, da erkennt die Bedienung in einer Bar in der Innenstadt den Musiker wieder. Mit einem gemeinsamen Freund waren beide schon mal an Silvester in Berlin unterwegs gewesen. Ein großes Hallo. Die Welt ist klein, in der Kleinstadt manchmal noch ein bisschen kleiner.

Viele Verbindungen mit Schrobenhausen, erzählt Tobias Christl, habe er nicht. „Ich war eher immer jenseits der Grenze“, lacht er. Er meint die „Grenze“ zum Schwäbischen. In der Nähe von Inchenhofen aufgewachsen, ging es für ihn dann irgendwann hinaus in die Welt: New York, Würzburg, Nürnberg und Weimar. Christl studierte Jazz- und Popgesang, war einst sogar für den Jazz-Echo nominiert. Nach vielen Jahren in Köln lebt er inzwischen in Berlin. Was in der Nähe der früheren Heimat künstlerisch los ist, bekommt er aber sehr wohl mit. Und als er einen Post des bekannten Schlagzeugers Andi Haberl (unter anderem von The Notwist) las, der mit dem Max.Bab-Trio im Herzog-Filmtheater gespielt hatte, „da dachte ich mir: Was geht denn bitte in Schrobenhausen?“, lacht Christl. Auf der Suche nach Spielmöglichkeiten im Süden wurde er auf Jazz im Filmtheater aufmerksam.

Und rannte bei Jörg Weber, der nach seinen Erfahrungen in anderen Städten irgendwann wieder (zum Glück für die Stadt) nach Schrobenhausen zurückgekehrt ist, offene Türen ein. „Ich hatte schon länger mit dem Gedanken gespielt, auch Gesang mit in die Reihe zu nehmen“, erzählt der Macher von Jazz im Filmtheater. Es gebe auch viele gute Sängerinnen und Sänger. „Aber ich wollte niemanden, der ‚Fly me to the moon‘ in einer funky Version spielt oder etwas Ähnliches“, grinst Weber. Es sollte schon etwas Spezielles, Besonderes sein.

Es passiert irgendwie – oder halt nicht

Das bekommen Weber und die Musikfans mit der Band Wildern nun definitiv. „Super nerdig“ sei das, was er und seine Mitspieler machen, sagt Christl. Vereinfacht gesagt geht es darum: Bekannte (Pop-)songs zu dekonstruieren, zu brechen, mit einer bestimmten Energie zu versehen und ganz eigene Nummern daraus zu machen. So einfach ist das aber freilich gar nicht. Weil dieses Freejazz-Gewand, das die Band den Nummern verpasst, zum einen musikalisch hoch anspruchsvoll ist. Zum anderen ließe sich das nicht beliebig auf alle Songs, die man sich so vorstellt, übertragen. Was das Auswahlkriterium sei? „Eine gute Frage“, meint Christl. „Wir haben eine hohe Ausfallquote.“ Die Sinnhaftigkeit ergebe sich durch „einen unkalkulierbaren Magic Moment“, sagt er. „Der passiert irgendwie. Oder halt nicht.“ Das habe viel mit Stimmungswechseln und der Energie der Stücke zu tun.

So ganz gleich klingt es eh nie, wenn Christl und seine Band „Take on me“, „Love will tear us apart“ oder „Careless Whisper“ spielen. „Jede Version ist ein Unikat. Es kommt immer auf die Stimmung an. Man fängt dann zum Beispiel anders an und schaut, was passiert“, erzählt der Sänger. Das alles erfordere natürlich großes Vertrauen zu den anderen Musikern. Der Bezug zum Original bleibt trotzdem, mal mehr, mal weniger deutlich. Quasi als eine Art tiefenpsychologische Andockung an den eigentlichen Song.

Tickets für das Konzert gibt es noch

„Kommerziell ist das nicht“, sagt Christl, der 2014 seine erste Platte herausgebracht hatte. Sein Bruder habe damals auf dem Oktoberfest bedient, erinnert er sich an die kuriose Geschichte. Der habe ihn dann aufgeregt angerufen und gefragt, ob er nicht irgendwas fertig habe, ein Labelchef sei mit seiner Crew gerade auf der Wiesn, vielleicht könne er da was arrangieren. Tobias Christl hatte, und veröffentlichte die Platte „Wildern“. Ausgerechnet in dem Jahr, in dem die CD-Verkäufe allgemein einbrachen.

Während er an diesem Nachmittag in Schrobenhausen seinen Cappuccino austrinkt, erzählt Christl auch vom neuen Projekt. Ab April soll die neue Platte eingespielt werden. Die aktuellen Auftritte seien so etwas wie das „Warmspielen“. Also auch im Herzog-Filmtheater. In der Geburtsstadt von Tobias Christl, die er an diesem Samstag erstmals von der Bühne aus kennenlernen wird.

Tickets für das Konzert und auch für die weiteren drei der Jazzreihe gibt es online unter www.tickets.verkehrsverein.org oder an der Abendkasse.

SZ