„Franziska Linkerhand“
Theater Poetenpack zeigt nachdenkliche Inszenierung

22.02.2024 | Stand 22.02.2024, 15:00 Uhr

Franziska Lichterhand (Marianna Linden) wünscht sich eine erfüllende Liebe und steckt im Kampf zwischen eigenem Idealismus und staatlichen Restriktionen. Manchmal scheint sie sich ein Stück Glück erfüllen zu können, etwa mit Wolfgang Trojanowicz (Peter Wagner). Foto: Budke

In der DDR war der Roman Kult, in Westdeutschland kennen ihn viele nicht. So vermittelt die Inszenierung von „Franziska Linkerhand“ des Theaters Poetenpack einen tiefen Blick in das Werk, das Entwicklungsgeschichte und Systemkritik ist, wie auch in die Lebenswirklichkeit des damaligen Staates. Autorin Brigitte Reimann gibt der jungen Generation der 60er-Jahre, die im Sozialismus aufwächst, ein Gesicht und zeigt die Diskrepanz zwischen kreativem Schöpfungswillen und staatlicher Beschränkung.

Zwischen grauer Tristesse und energetischer Leidenschaft bewegt sich Franziska Linkerhand auf der Bühne im Neuburger Stadttheater am Dienstagabend: Während auf der großen Leinwand im Hintergrund in blassen Schwarzweißbildern alte Häuser gesprengt werden, Bagger unermüdlich Schuttlawinen vor sich herschieben oder die Kamera an öden, gleichförmigen Plattenbaufronten vorbeigleitet, schlüpft Marianna Linden in die Rolle der ambitionierten Architektin Linkerhand, die frisch von der Uni voller Ideen ist und die Welt im trüben Neustadt an der östlichen Grenze der DDR Ende der 60er-Jahre ein wenig lebenswerter machen möchte.

Gefühl der Verlorenheit



Mehr als 600 Seiten hat Reimanns Roman, der 1974 in zensierter Version und 1998 vollständig veröffentlicht wurde – posthum, denn die Autorin starb 1973 39-jährig, „Franziska Linkerhand“ blieb unvollendet. So könnte der Zuschauer, der das Buch nicht kennt, auf einen runden Schluss warten, doch genau dies erweist sich als Stärke des Stücks: Das Gefühl der Verlorenheit, das die Hauptfigur zwischen den eigenen Idealvorstellungen und der Lebenswirklichkeit hin- und herreißt, wird spürbar. Kein Happy oder Bad End, sondern viel Nahrung für eine nachhaltige Rekapitulation des Themas.

Gislén Engelmann gelingt es in seiner Bühnenfassung, den Roman so zu kürzen, dass sie sowohl die Entwicklungs- und Liebesgeschichte der Hauptfigur als auch ihr Hadern mit den Grenzen der kreativen Entfaltung im restriktiven Staatsgefüge wiedergibt. Die Bühne ist ohne Umbau Architektenbüro, Junggesellinnenwohnung im Plattenbau oder Tanzclub und wird dank der Leinwand zur Landschaft, zur Siedlung, zur Baustelle.

Ein Kind der DDR



Franziska Linkerhand ist ein Kind der DDR. Ihre Eltern gehen in den Westen, lassen die Kinder bei der Oma zurück. Franziska sagt über sich, „Architektur und Eifersucht liegen in meiner Natur“, aber der Drang nach Freiheit auch: „Ich wollte mich nicht dem stupiden Alltag einer Frau unterwerfen.“ So ist die frühe Ehe mit einem Arbeiter eine ernüchternde Erfahrung. Franziska studiert Architektur, beginnt nach der Trennung, sich für Städtebau zu interessieren und geht nach Neustadt. Dort wird ihr von ihrem Chef erklärt, worum es geht: „Häuser bauen – so viele, so billig, so schnell wie möglich“, Auftraggeber sei das Kollektiv. Doch Franziska will kein „Buchhalter der Baukunst“ sein, „der Stumpfsinn ist der maximale Stumpfsinn“, sagt sie und träumt von einer lebenswerten Stadt.

Doch auch privat hat sie Träume: Ihre Wunschvorstellung des perfektes Mannes trifft sie in Wolfgang Trojanowicz. Der war früher Chefredakteur und ist nun Kipperfahrer, weil ihm Systemuntreue unterstellt wurde. Doch die Beziehung scheitert, denn Wolfgang will sich nicht von seiner Lebensgefährtin trennen. Franziska stürzt sich wieder in die Arbeit: „Erwachsene haben gelernt, ihre Erwartungen als Illusionen abzutun“. Das will sie nicht, doch die Verwirklichung ihrer Bauträume wird vom bürokratisch-ideologischen System blockiert. Monotonie, Verzweiflung, „jeden Sonntag ein Suizid“ und eine „Mischung aus Aggression, Lust und Gleichgültigkeit“ stoßen sie ab. Am Ende weiß sie, dass sie nicht „im Wartesaal leben“ will, doch sie fühlt sich beruflich gescheitert, weil sie die „Synthese zwischen Schönem und Notwendigem“ nicht gefunden hat. Leider war das Stadttheater kaum zur Hälfte besetzt – aus dem Applaus der Gäste schien die Nachdenklichkeit hörbar zu sein.

DK