Berg im Gau
Naturpark Schornhof

In Süddeutschlands größter Photovoltaikanlage bekommen Flora, Fauna und der Moorboden eine Chance

26.08.2022 | Stand 22.09.2023, 6:23 Uhr

Gut versteckte Module: Obwohl noch immer im Solarpark gearbeitet wird, erobert sich die Natur weite Teile der Fläche zurück. Anblicke wie dieser sind im ersten Bauabschnitt nicht selten. Fotos: Hofmann

Von Bernd Hofmann

Berg im Gau – Ein herrlicher Hochsommertag in idyllischer Umgebung: Vögel zwitschern, Insekten summen, der Wind rauscht durch die Blätter. Überall wuchert es grün, trotz der langen Trockenheit, und wer beim Spazierengehen nicht aufpasst, steht irgendwann tief in den Brennnesseln. Während viele Äcker im Donaumoos trotz der intensiven Regenfälle des vergangenen Wochenendes schon wieder staubtrocken sind, ist hier der Boden oft noch feucht. Und so ganz nebenbei entstehen ein, zwei Megawattstunden Strom. Pro Minute.

Willkommen im Solarpark Schornhof, einem Leuchtturmprojekt für Bayern, dem unter anderem auch schon Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und dessen Stellvertreter, Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FW), die Ehre erwiesen haben. Normalerweise hagelt es ja Kritik an solchen Freiflächen-Photovoltaikanlagen, wenn sie besten Ackerboden aus der Nutzung kicken. Hier ist gerade das der oft gelobte positive Zusatzeffekt. Denn wo früher Kartoffeln angebaut und damit der Schwund des Torfkörpers verstärkt wurde, kann sich jetzt der Moorboden erholen. „Wahrscheinlich“, sagt Markus Brosch, „ist Solar die neue Kartoffel fürs Donaumoos.“

Brosch ist Geschäftsführer der Ingolstädter Firma Anumar, die seit zweieinhalb Jahren an Süddeutschlands größtem Solarpark baut. Der 144 Hektar große Abschnitt eins ist seit einem Jahr komplett am Netz, Abschnitt zwei (60 Hektar groß) ist zu etwa zwei Dritteln fertig und soll ersten Strom einspeisen, wenn das Umspannwerk entsprechend erweitert worden ist. Ab 2023 könnten dann jedes Jahr 170 Gigawattstunden Strom ins Netz gebracht werden.

Brosch hat früh erkannt, dass sich mit erneuerbaren Energien Geld verdienen lässt. Und zwar nicht nur für seine Firma, sondern auch für die Grundstückseigentümer (durch Pachteinnahmen) und die Kommunen (durch die Gewerbesteuer). „Die ganze Region hat die einmalige Chance, zu profitieren“, meint der Schrobenhausener, man könne hier „die Transformation des Energiesektors aktiv mitgestalten.“ Eine Aufgabe, deren Dringlichkeit ja gerade in den vergangenen Monaten überdeutlich geworden ist. Und, ganz nebenbei, auch an der Wasserstoff-Sache ist Anumar dran (wir berichteten), aber das soll heute nicht das Thema sein.

Nein, heute geht es um die Natur, die sich hier auf den ehemaligen Kartoffeläckern ausbreitet – unter den Solarmodulen und auch daneben. Bei der Behandlung des Bodens gebe es ganz unterschiedliche Vorgehensweisen, erklärt Brosch. Zum Teil dürfe hier wuchern, was sich von selbst angesät hat, zum Teil habe es Anpflanzungen gegeben, um die Biodiversität zu erhöhen. Anumar sei in enger Zusammenarbeit mit Fachbehörden wie der Unteren Naturschutzbehörde des Landratsamts, dem Donaumoos-Zweckverband oder auch dem Landesamt für Umwelt. Hier werden derzeit Erfahrungen gesammelt, die bei künftigen Solarparks auf ähnlichen Böden als wichtige Grundlage dienen können. So gesehen sind sie im Donaumoos mal wieder Pioniere, wie schon vor mehr als 200 Jahren.

Als Ende des 18. Jahrhunderts damit begonnen wurde, das Donaumoos zu entwässern, erschien das den Menschen sicherlich als kluge Entscheidung. Inzwischen will man diese Entwässerung und den immensen Moorschwund so weit wie möglich stoppen. Aber 200 Jahre landwirtschaftliche Nutzung lassen sich auch in einem so großen zusammenhängenden Bereich wie dem Schornhof nicht von heute auf morgen ungeschehen machen. Allein, dass viele Drainagen gekappt wurden und das Wasser damit nicht mehr so schnell abfließt wie früher, kann sicherlich als Erfolg gelten. Einen sofortigen vollständigen Aufstau zu erwarten, wäre aber vermessen – zumal da ja auch an die Bewirtschafter der umliegenden Flächen gedacht werden muss.

Auch Markus Brosch kennt die Kritik, die immer wieder geäußert wird. Dem einen läuft die Renaturierung nicht schnell und umfangreich genug, dem anderen geht sie schon jetzt zu weit. Wenn dann mal nach längeren Regenfällen Wasser zwischen den Modulen steht, wird gleich über die Bodenverdichtung geschimpft. „Natürlich fahren wir auch mit Gerät drüber, aber das ist nicht anders als beim Landwirt früher“, sagt Brosch. Die Verdichtung sei also eher auf die frühere intensive landwirtschaftliche Nutzung zurückzuführen als auf den Solarparkbau. Nun aber bekommt der Boden 30 Jahre Zeit, sich zu erholen, denn auf diese Nutzungsdauer ist der Solarpark ausgelegt. Die Träger, auf denen die Photovoltaikmodule montiert werden, sind übrigens lediglich in den Boden gerammte Metallstangen – ganz ohne Betonfundament.

Manche Tierschützer machen sich Sorgen wegen der Zäune rund um den Solarpark. Die haben extra 20, 25 Zentimeter Bodenfreiheit, damit Tiere drunter durchkommen. Dass Rehe oder Hasen dabei hängenbleiben könnten, glaubt Brosch nicht – schließlich gebe es für die Zäune genaue Vorgaben, die sicherlich naturschutzfachlich begründet seien. Der Schornhof, weiß der Anumar-Chef aus eigener Erfahrung, scheine sich zu einem echten Rückzugsgebiet für viele Tiere zu entwickelt. Rehe, Hasen, Fasane und viele Arten mehr sind hier schon gesichtet worden. Sie können hier weitgehend ungestört leben.

Wegen ein paar Tieren hat es sogar schon im Frühjahr eine Art Baustopp gegeben: Im Zuge der baubiologischen Betreuung habe die Untere Naturschutzbehörde Feldlerchen gefunden, berichtet Brosch – „deswegen durften wir da nicht weiterbauen“. Das habe für Verzögerungen gesorgt, weil es erst im Sommer, nach der Brutzeit, weitergehen durfte. Letztlich aber sei auch dieses Problem „im Einklang mit den Behörden“ gelöst worden.

Nun ziehen also ein paar junge Feldlerchen mehr am tiefblauen Himmel ihre Bahnen, während unten kaum vernehmbar die Wechselrichter summen und Strom für einen ganzen Landkreis verarbeiten. Fast zwei Jahre, nachdem die ersten Teile des Solarparks ans Netz gegangen sind, hat sich die Natur schon wieder viele Räume zurückerobert – Räume, die ihr über viele Jahrzehnte kaum mehr zur Verfügung standen. Und diese Entwicklung dürfte noch weitergehen, wenn in einigen Monaten der ganze Solarpark fertig ist.

SZ