Portrait
Leidenschaft fürs Bauen seit der Kindheit

Jana Bochert ist Bauingenieurin, Professorin und kommissarische Gründungsdekanin am Neuburger Campus

17.05.2022 | Stand 23.09.2023, 1:17 Uhr

Als kommissarische Gründungsdekanin ist Professorin Jana Bochert durchaus gewohnt, dass man derzeit noch über eine Bautreppe ins Gebäude des Neuburger THI-Campus gelangt. Foto: Stark

Neuburg – Jana Bochert hat sich voll und ganz dem Bauingenieurwesen verschrieben – einer Branche, die nach wie vor von Männern dominiert ist. Nach vielen Jahren in der Wirtschaft wollte die 43-Jährige ihre Erfahrungen an die nächste Generation weitergeben – was sie jetzt in Neuburg tut: als Professorin und als kommissarische Gründungsdekanin der künftigen Neuburger Fakultät Nachhaltige Infrastruktur der Technischen Hochschule Ingolstadt (THI). Ein Besuch an ihrem Arbeitsplatz.

Etwas Neues zu schaffen, zu bauen, das hat Jana Bochert schon als Kind fasziniert. Nur mit Lego konnte sie nichts anfangen. „Das habe ich nicht gemocht. Bauklötze aufeinanderstapeln kann ja jeder“, sagt die 43-Jährige. Sie habe lieber anderes Material verwendet: Pappe, Holz, Lehm. Damit ließ sich alles so bauen, wie sie es sich vorstellte.

Sie und ihr älterer Bruder, der heute als Architekt arbeitet, wuchsen im 6000-Einwohner-Ort Ingersheim in der Nähe von Stuttgart auf, sie hatten eine unbeschwerte Kindheit und Jugend. Auf dem Land spielte sich das Leben in der Natur ab. Bochert liebte das Reiten, sie besaß auch ein eigenes Pferd und bestritt Turniere im Dressurreiten. Doch nach dem Abitur wollte sie diese Idylle verlassen, um etwas Neues zu entdecken.

Sie entschied sich, weil sie gut in Mathe und Physik war und dieses Können auch praktisch anwenden wollte, für ein Bauingenieurstudium in Dresden – obwohl ihr Vater, ein Maschinenbauingenieur, sie davor gewarnt hatte, dass man das Studierendenleben als angehende Ingenieurin nicht so wie andere genießen könne. „Ich hatte trotzdem eine schöne Zeit“, sagt sie. Und Dresden habe ihr sehr gut gefallen. „Da stockt einem der Atem vor lauter Schönheit.“

Rund 30 Prozent in ihrem Studiengang waren Frauen, an anderen Unistandorten im Westen Deutschlands ist die Quote allerdings deutlich geringer. Bauingenieurin – das ist auch jetzt noch ein Beruf, in dem Frauen klar in der Minderheit sind. Jana Bochert hat das aber nie gestört. „Man muss sich schon behaupten. Aber das müssen Sie überall“, sagt die 43-Jährige. Und Bochert hat sich behauptet.

Nach ihrem Abschluss an der Technischen Universität Dresden war sie am dortigen Institut für Statik und Dynamik der Tagwerke als wissenschaftliche Mitarbeiterin tätig. 2013 erfolgte die Promotion zur Doktor-Ingenieurin. Thema ihrer Doktorarbeit: „Simulation der Erschütterungsausbreitung bei Schornsteinsprengungen mit Hilfe der Scaled-Boundary-Finite-Elemente-Methode“.

Danach zog es sie in die freie Wirtschaft – nicht zuletzt, weil dort auch deutlich höhere Gehälter gezahlt werden als im Hochschulbereich. Zuerst war sie in Franken als Projekt- und Forschungsingenieurin tätig, danach zwei Jahre lang in Baden-Württemberg als Expertin für Strukturverhalten. Bei einer Firma in Nordrhein-Westfalen leitete sie den Fachbereich Baudynamik. Der Wissenschaft hatte sie dennoch nie gänzlich den Rücken gekehrt. Sie stellte auf nationalen und internationalen Fachkonferenzen anspruchsvolle Projekte vor und hielt so auch den Kontakt zu ihren Kolleginnen und Kollegen aus verschiedenen Fachdisziplinen.

Zuletzt arbeitete Bochert bei einem großen Generalplaner in Ulm, dort leitete sie den Bereich Tragwerksplanung und war Mitglied der Geschäftsführung. Und dann kam der Ruf nach Ingolstadt. Die Technische Hochschule suchte für den neuen Campus in Neuburg eine Gründungsprofessorin im Lehrgebiet Bauinformatik, Baumechanik und Grundlagen des Bauingenieurwesens.

„Das ist ein sehr großes Privileg, so einen Ruf zu bekommen“, sagt Bochert. Zumal sie wusste, dass sie in Neuburg den Campus mit aufbauen würde, inklusive der Schaffung komplett neuer Studiengänge. Angst vor der Aufgabe hatte sie auch keine. Sie hatte in der Praxis viele Erfahrungen gesammelt und sich durch etliche Lehraufträge, Summer Schools und Fortbildungen auch das Wissen erworben, wie man lehrt. Also sagte sie zu. „Bauingenieurin und Professorin zu sein, ist der tollste Beruf für mich“, erklärt Bochert. „Ich kann als Bauingenieur überall arbeiten – sogar in der Medizin. Das finde ich spannend und das möchte ich in die Hörsäle tragen. Zu zeigen, wie wichtig, der Beruf ist, das ist meine Mission.“

Im vergangenen Oktober erfolgte der Startschuss für den Campus in Neuburg. Für Bochert begann eine arbeitsreiche Zeit. Im März übernahm sie das Amt der kommissarischen Gründungsdekanin der künftigen Fakultät Nachhaltige Infrastruktur der THI in Neuburg. Dazu kamen die corona-bedingten Einschränkungen im Alltag. Doch die Arbeit mache ihr sehr viel Spaß, sagt die Professorin. „Es ist schon etwas Besonderes, wenn man was erklärt und dabei die leuchtenden Augen der Studenten sieht.“ Und sie freue sich auch darauf, „den Standort zum Leuchten zu bringen“. Dafür gebe es viele Pläne. Sie werde gerade oft gefragt, ob denn die THI schon in Neuburg angekommen ist, sagt Bochert. Sie antworte dann: „Man muss den Neuburgern Zeit geben, den Campus kennenzulernen, und den Studenten, Neuburg kennenzulernen.“

Die Professorin selbst lebt seit März vergangenen Jahres in Neuburg. „Ich finde es sehr malerisch.“ Sie sehe auch einige Parallelen zu Dresden. Sie erwähnt die Barockgeschichte, die kulturelle Vielfalt und natürlich die Lage an einem großen Fluss. Dass es hier ein Theater, einen Jazzclub und viele Kneipen gibt, gefällt Bochert sehr gut. Auch Ingolstadt und Umgebung hat sie schon erkundet. „Ich spiele auch sehr gerne Golf. Das ist an der frischen Luft, körperlich anspruchsvoll und gut für den Kopf.“ Nur ist sie in ihrer neuen Heimat bisher noch nicht dazu gekommen, ihr Handicap – 42 – zu verbessern. „Ich habe viele Pläne, aber wenig Zeit.“

Das ist auch der Grund, warum sie längst kein eigenes Pferd mehr hat. Das sei ein sehr zeitaufwendiges Hobby, das volle Hinwendung verlange, sagt Bochert. „Ich bin Bauingenieurin mit Leidenschaft. Man muss sich entscheiden. Und ich habe mich dafür entschieden.“

DK