Tierschutz
Knuddeln mit Risiko

Stadt Aichach nimmt Züchter 36 Herdenschutzhunde weg und bringt sie im Neuburger Tierheim unter

18.10.2022 | Stand 22.09.2023, 4:24 Uhr

Gerhard Schmidt mit einigen der Herdenschutzhunde, die einem Züchter in Aichach weggenommen wurden. Die Tiere, darunter 16 Welpen, sind seit Dienstag, 5 Uhr früh, Gäste im Neuburger Tierheim, wo sie die nächsten Tage verpflegt und versorgt werden. Fotos: Bartenschlager

Neuburg – Einiges hat Gerhard Schmidt, der Vorsitzende des Neuburger Tierschutzvereins und Leiter des Tierheims, in seinem 30-jährigen Wirken schon erlebt. Aber dass er und sein Team sich auf einen Schlag um 36 Herdenschutzhunde kümmern müssen, ist auch für ihn neu.

Die Tiere wurden einem Züchter in Aichach weggenommen. In die Obhut der Neuburger kamen die 16 Welpen und 20 Alttiere, weil es nur hier die Möglichkeiten, die Fläche und die Kapazität der Unterbringung gegeben hat. In einer großangelegten Polizeiaktion, an der unter anderem auch die Feuerwehr beteiligt war, wurden die Tiere aus den Anwesen herausgeholt. Schmidt war vor Ort und hat die Tiere in die weitläufige Anlage bei Riedensheim gefahren. Bereits im Vorfeld hatte der 69-Jährige seine Unterstützung angeboten.

Die Tiere scheinen nicht vernachlässigt worden zu sein, sondern befinden sich in gutem Allgemeinzustand. Was Schmidt, der sich mit Herdenschutzhunden gut auskennt, positiv überrascht hat: „Wie sozial und umgänglich die Hunde sind.“ Er hätte erwartet, dass die Pyrenäenberghunde unter Mühen einzeln eingefangen werden müssen. Was aber nicht der Fall war.

Großzügige Gehege



Nun sind die Tiere erst einmal in großzügigen Gehegen untergebracht. Sie befinden sich im Besitz der Stadt Aichach, die sie wohl verkaufen möchte. Anscheinend gibt es bereits Interessenten. „Wir versorgen die Hunde. Aichach bestimmt, was geschieht und wir können keine Entscheidungen treffen“, sagt Schmidt. Innerhalb der nächsten Tage wird deutlicher werden, wie es weitergehen soll.

Inzwischen balgen die Welpen untereinander und die älteren Tiere begegnen Besuchern – allerdings hinter einem Zaun – neugierig bis freundlich. In ihrem weißen Fell, dem schönen Gesicht und den freundlichen Augen sehen sie zum knuddeln aus. Dieser Eindruck kann jedoch täuschen. „Diese Hunde haben in Deutschland nichts zu suchen“, sagt Gerhard Schmidt und meint damit sämtliche Schutzhundrassen. Seine Ablehnung begründet sich auf mehrere Faktoren. Diese Hunde sind, wie der Name schon sagt, speziell darauf gezüchtet, Herden zu schützen. Sie sind so groß, stark und mutig, dass sie es ohne weiteres mit Wölfen aufnehmen können. Allerdings sind sie nicht allein auf Wölfe fixiert. „Es ist nicht vorhersehbar, was den Schutzreflex auslöst. Das kann ein Geräusch sein oder eine Bewegung. Es kann sein, dass der Hund neun fremde Menschen problemlos akzeptiert, den zehnten aber als Feind ansieht“, erklärt der Experte. Und dann wird es gefährlich. Die Rüden der Pyrenäenberghunde werden bis zu 81 Zentimeter groß und bringen bis zu 73 Kilogramm auf die Waage. Sie verbellen in der Regel nicht, sondern greifen, wenn sie Gefahr wittern, an. Zudem sind die Hunde gewöhnt, selbstständig Entscheidungen zu treffen, ohne erst auf den Befehl von Herrchen oder Frauchen zu warten. In Gegenden, in denen viele unbedarfte Wanderer, Radler, Touristen unterwegs sind, die sich auch vor Warnschildern nicht abhalten lassen, sind risikobehaftete Begegnungen vorprogrammiert.

Sozialisierung ist wichtig

Ein weiterer Unsicherheitsfaktor liegt beim Züchter. Die Sozialisierung ist wichtig. Wird alles richtig gemacht, sind diese Hunde absolut loyal gegenüber einer Herde beziehungsweise ihren Familien. „Oft verbringen die Tiere diese Sozialisierungsphase im Zwinger“, weiß Schmidt. Dann kann es zu Komplikationen im Umgang mit ihnen auch innerhalb der Besitzerfamilie kommen. Unter diesem Umständen sieht es der Tierheimleiter kritisch, dass manche Bundesländer Zuschüsse für die Anschaffung solcher Rassen zahlen. „Wir werden dann nicht nur ein Wolfsproblem haben, sondern auch ein Herdenschutzhundeproblem“, fürchtet er.

DK