Edelshausen
Kälte für alle

In Edelshausen steht noch ein sogenanntes G‘frierhäusl, das jedoch nicht mehr in Betrieb ist

11.06.2022 | Stand 22.09.2023, 22:23 Uhr
Hans Hammer

In Edelshausen steht mit der Hausnummer Arnbachstraße 24 in äußerlich unveränderter Form das ehemalige G‘frierhäusl. Rechts neben der Eingangstür ist immer noch das Originalschild „Linde-Gemeinschaftsgefrieranlage“ angebracht. Das ehemalige G‘frierhäusl wird heute als Lagerraum für Spielgeräte vom angrenzenden Kindergarten St. Mauritius genutzt. Die ehemalige Inneneinrichtung ist, zum Teil im Originalzustand, erhalten. Fotos: Hammer

Von Hans Hammer

Schrobenhausen – Zum Kühlen von Lebensmitteln und Getränken gab es früher nur Eisschränke und Eiskästen, die aus den Kellern einer Brauerei regelmäßig mit Eis bestückt werden mussten. Die „kalte Ernte“ von Natureis war nicht nur für die Brauereien wichtig, sondern auch für die angeschlossenen Gastwirtschaften und für viele Haushalte. Die billige Natureiskühlung reichte aber nur für die kurzfristige Haltbarmachung der Lebensmittel, nicht zum Einfrieren und damit zur langfristigen Konservierung.

Das änderte sich erst, als Carl von Linde um 1870 die ersten wirtschaftlich arbeitenden Kühlmaschinen entwickelte. Heutzutage genügt der Griff zum Schalter, das Kühlaggregat läuft und sorgt für tiefe Temperaturen. Ein Thermostat bewirkt, ganz nach Wunsch und Bedarf, gleichmäßige Kälte. Sogar die Selbstzubereitung von Eis für Whisky oder Cocktails ist für den normalen Kühlschrankhaushalt die reinste Alltäglichkeit.

Kaum Gefriergeräte in Privathaushalten

Ende der 1950er-Jahre wurde die Gefriermöglichkeit durch die Industrie technisch zur Serienreife entwickelt. Aber selbst bis in die 1950er- und 1960er-Jahre konnten sich nur wenige Privathaushalte einen eigenen Kühlschrank und noch weniger einen eigenen Gefrierschrank leisten. Das war die Zeit, in der Gefriergemeinschaften gegründet und gemeinschaftliche Kühlhäuser errichtet wurden. Die bestanden aus einer großen Gefrieranlage mit vielen einzelnen Tiefkühlfächern, oft verbunden mit einem Großkühlraum und Platz zur Vorbereitung des Gefriergutes. Unter dem volkstümlichen Begriff G’frierhäusl schossen solche Einrichtungen auf Privatinitiative aus dem Boden. Gebaut wurden die Gefrierhäuser in der Zeit, als die Möglichkeit der Gefrierung von Lebensmitteln und vor allem von größeren Mengen Fleisch aus Hausschlachtungen aufkam, aber noch kaum jemand zuhause einen Gefrierschrank hatte. In den sogenannten Gemeinschaftsgefrieranlagen lagerten die an den „Gefriergemeinschaften“ beteiligten Familien ihre tiefgekühlten Lebensmittel.

Heute können sich nur mehr wenige Menschen vorstellen, Lebensmittel außerhalb ihrer Wohnung zu lagern. In den 1970er- und 1980er-Jahren wurden die Heimkühltruhen auch für Privathaushalte immer erschwinglicher. Die früher so üblichen Hausschlachtungen und der Gemüseanbau im eigenen Garten nahmen immer mehr ab. Es fielen in den einzelnen Haushalten nur noch geringere Mengen Gefriergut an. Die Nutzung der Gemeinschaftsgefrieranlagen verlor an Akzeptanz.

Heute sind nur noch sehr wenige dieser Gemeinschaftsgefrieranlagen in Betrieb. Die meisten G‘frierhäusl wurden abgerissen oder einer anderen Nutzung überführt. Eine ähnliche Entwicklung führt uns zu einem dieser „G‘frierhäusl nach Edelshausen.

Unter dem Vorstand, bestehend aus Johann Schmalzl, Josef Seitz und Karl Egle, wurde die Gefriergemeinschaft Edelshausen gegründet und am 22. Mai 1959 das Gemeinschaftsgefrierhaus mit der eigenen Hausnummer Arnbachstraße 24 fertiggestellt. Nach der Eröffnungsbilanz vom 12. Juli 1959 hat es einschließlich der technischen Ausstattung 5425,57 DM gekostet. Letzter Vorsitzender der Gefriergemeinschaft Edelshausen war Johann Kienast. Er hat die meisten Unterlagen über den langjährigen Betrieb sorgfältig aufbewahrt. Hier findet sich auch noch der Bauplan für diese Gemeinschaftsgefrieranlage.

32 Gefrierfächer und ein Großkühlraum

Die Anlage bestand damals aus 32 Gefrierfächern in der Größe von jeweils einer haushaltsüblichen Gefriertruhe in zweistöckiger Bauweise, einem Großkühlraum und einem Vorplatz zum Vorbereiten des Gefriergutes mit einem Fleischhackstock. Betrieben wurde die gesamte Anlage über ein Großraumkühlaggregat der Firma Linde. Die Nutzungsgebühr für ein ganzes Fach betrug damals jährlich 50 DM zuzüglich einem Unterhalts- und Betriebsanteil. Auch ein halbes Fach konnte gemietet werden. Auch der örtliche Metzger hat den Großkühlraum bei Bedarf genutzt.

Beim Durchschmökern dieser Unterlagen fallen Johann Kienast auch viele Begebenheiten während der langen Betriebsjahre ein. Einmal musste die komplette Gefrieranlage nach einem elektrischen Kurzschluss und dem damit verbundenen Ausfall der gesamten Kühltechnik schnellstens geräumt werden, da die eingelagerten Lebensmittel zu verderben drohten. Auch die eingebaute Warn- und Alarmbeleuchtung war ausgefallen. Damals hat es wohl in vielen Haushalten spontan und unerwartet größere Mengen an Schweinsbraten gegeben.

Betrieb im Jahr 2006 eingestellt

Infolge der allgemein nachlassenden Nachfrage nach derartigen Einrichtungen und Anlagen wurde der Betrieb im Jahr 2006 eingestellt und die „Gefriergesellschaft Edelshausen“ durch den letzten Vorstand Johann Kienast abgewickelt und aufgelöst. Die Gefrierfächer wurden ausgebaut. Die sonstige Einrichtung einschließlich dem Großkühlraum und der Kühltechnik ist nach wie vor vorhanden. Das Grundstück für diese Gemeinschaftsgefrieranlange war 1965 von der Gemeinde Edelshausen erworben worden und wurde von der „Gefriergemeinschaft Edelshausen“ als Pachtgrundstück genutzt. Durch die Eingemeindungen ging es ins Eigentum der Stadt Schrobenhausen über. Auch das Gebäude ging nach der Auflösung der „Gefriergemeinschaft Edelshausen“ in das Eigentum der Stadt Schrobenhausen über und wurde dem angrenzenden Kindergarten St. Mauritius als Lagerraum für Spielgeräte zur Verfügung gestellt. Das Restvermögen der „Gefriergemeinschaft Edelshausen“ wurde an den Kindergarten St. Mauritius als Spende übergeben.

SZ