Ein Jazz-Trip der Extraklasse
Jörg Webers Double Trio bei der Konzertreihe im Herzog-Filmtheater

22.05.2023 | Stand 16.09.2023, 21:45 Uhr

Im Dämmerlicht des Herzog-Filmtheaters wirken die Klänge von (v.l.) Marco Netzband, Lui Leininger, Jörg Weber, Robert Alonso, Harry Alt und Marion Dimbath noch stimmungsvoller. Foto: Vogt

So kompliziert und verkopft, gleichzeitig aber so emotional und intim: Beim vorgezogenen Finale von Jazz im Filmtheater führten Jörg Weber und sein Double Trio die Zuhörer auf einen Jazz-Trip der Extraklasse. Die erfolgreiche Reihe wird noch weitergehen: am 10. Juni und auch im nächsten Jahr.

Komplexe Reise in den Kopf des Künstlers

Von Beginn an nimmt Jörg Weber das Publikum ein Stück weit mit in seine Gefühls- und Gedankenwelt. Dankbarkeit ist dafür der erste Impuls. Dafür, dass an diesem Abend so viele gekommen sind (etwa 90 Leute). Und dafür, dass an vier Abenden zuvor, früher in diesem Jahr, so unterschiedliche Bands (Downtown Bigband, Hattori Hanzi, Harrycane Orchestra und Max.Bab) die Konzertreihe bereichert haben. Was Weber besonders freut: Die, die einmal hier waren, wollen wiederkommen, was ja eine gewisse Auszeichnung ist: für die Organisatoren (also den Verkehrsverein und ihn selbst), für die besondere Location, und freilich auch für das Publikum. Einige Künstler wird man also wiedersehen, im „kulturellen Hochgebirge“ Schrobenhausen, wie Weber es nennt – gefolgt von einem vielsagenden, ironischen Schnauben. Dass es hier zumindest ein paar sehr hohe Gipfel gibt, dafür ist auch der Kunstpreisträger verantwortlich.

Dann geht die Reise, hinein in Webers Kopf, musikalisch weiter. Manche Menschen lassen das mit dieser Ausdrucksweise ja eher zu als mit großen Worten. Bei Weber jedenfalls ist das so. Die Stücke hat er alle selbst komponiert und arrangiert. Mal in einem längeren Prozess. Mal in wenigen Minuten, nach einer schlaflosen Nacht. Das ist sogar für Leute, die Ahnung von Musik haben, nicht immer ganz leicht nachvollziehbar, sondern komplex und kompliziert. Was herauskommt, ist dann aber trotzdem so, dass es einen irgendwie berührt. Mal auf melancholische, nachdenkliche, sogar beklemmende Weise, mal behaglich, hoffnungsvoll oder gar euphorisch. Getragen von Webers unverwechselbaren Saxofonsound, immer mit Emotionen versehen.

Seine einstige WG bildet Jörg Webers Herzensprojekt

Aber nicht Jörg Weber alleine ist dafür verantwortlich, sondern natürlich auch seine hervorragende Band. Es mag abgedroschen klingen, aber dass die Chemie stimmt, ist offensichtlich und verstärkt die wohlige Atmosphäre. Hier stehen nicht nur Topmusiker auf der Bühne, sondern auch noch solche, die sich mögen, die im Dämmerlicht des Filmtheaters zu einer Einheit verschmelzen. Alle kennen sich seit Jahrzehnten, haben früher sogar zusammen gewohnt. So entstand damals die Band in a house, die zum Jazzoo wurde und dann zwischenzeitlich eine längere Pause machte. Dass Webers erster Mitbewohner einer Würzburger WG, Marco Netzband, inzwischen wieder am Klavier sitzt, ist – nach einer schweren Handverletzung im vergangenen Jahr – besonders schön. Marion Dimbath (Posaune), der zweite Schrobenhausener Robert Alonso (Trompete), Ludwig Leininger (Bass) und Harry Alt (Schlagzeug) sind ebenfalls langjährige, ganz entscheidende Teile von Webers „Herzensprojekt“. Alles Ausnahmekönner, die auf ihren Instrumenten noch dazu genau verstanden haben, um was es Jörg Weber geht.

Am 10. Juni gibt es eine sehr prominente Zugabe

„Raw bird alone so“ heißt ein Titel, den der Saxofonist für „einen Freund“ (der neben ihm auf der Bühne steht) geschrieben hat. Wortspiele dieser Art gibt es bei seinen Songs noch öfter. Zum Beispiel für seine Kinder. Die einzige Adaption des Abends, „Solar“ von Miles Davis, wird bei ihm (nicht als Swing gespielt) zu „Sosolalar“, klingt aber natürlich viel besser als „so lala“. Das erste und gleichzeitig letzte Stück des Abends heißt dagegen ganz einfach „Leaving“ und hört sich beim zweiten Mal anders an. Der Grund: Bei der letzten Zugabe überlassen die drei Bläser ihrer Rhythmusgruppe die Bühne. Erst danach kehren sie zurück. Für intensiven, langen Applaus.

Jazz im Filmtheater, so viel verrät Weber, wird übrigens 2024 fortgesetzt. Dafür gebe es inzwischen schon viele, teilweise namhafte „Bewerbungen“. Eine Zugabe für die diesjährige Reihe findet aber bereits am Samstag, 10. Juni, statt. Dann dürfen sich die Besucher vielleicht ein Stück weit in die musikalischen Gedankenwelten des international bekannten Topsaxofonisten Christof Lauer hineinfühlen.

SZ