Neuburg
Innenstadt-Serie: „Ich vermisse nichts“

<Blau/>AUF EINEN RATSCH MIT: Christof Diekmann, Neu-Bürger aus Namibia

10.07.2022 | Stand 22.09.2023, 21:23 Uhr

Auf dem Ratschbankerl hat diesmal Christof Diekmann Platz genommen. Der Neu-Neuburger ist seit diesem Jahr auch Mitglied beim Verein „das otto“. Foto: Stark

Von Thorsten Stark

Neuburg – Seit 2019 lebt Christof Diekmann mit seiner Familie im Neuburger Ortsteil Bruck. Er schätzt die Ruhe und das Ländliche. Denn auch in Namibia, wo der 47-Jährige herkommt, hat er auf dem Land gelebt und dort eine Farm betrieben. Warum es ihn ausgerechnet nach Neuburg verschlagen hat? „Das fragt mich jeder“, sagt Diekmann und lacht. Dabei habe die Stadt doch einiges zu bieten: die Donau, viele Radstrecken, die obere Altstadt und die vielen schönen Hinterhöfe in der Innenstadt.

Die Entscheidung fiel allerdings tatsächlich auch aus ökonomischen Abwägungen heraus. Diekmann überlegte, wo seine drei Kinder – die Töchter, die das Descartes-Gymnasium besuchen, sind inzwischen 17 und 18 Jahre alt, der Sohn, der auf die Paul-Winter-Realschule geht, ist 13 – eine berufliche Perspektive haben könnten, und entschied sich für die Region 10. Er selbst fand eine Stelle bei der Firma Büchl in Ingolstadt, mittlerweile arbeitet er bei den Ingolstädter Stadtwerken. Normalerweise fährt er mit dem Zug zur Arbeit. „Bruck ist ja gut an den ÖPNV angebunden“, sagt Diekmann. Nur seine Kinder würden lieber direkt in Neuburg leben, doch immerhin, sagt ihr Vater, fahre unter der Woche jede Stunde ein Zug dorthin. Alles in allem fühlten sie sich hier inzwischen heimisch. Was die Integration leichter machte: Im eigenen Haus sprach die Familie auch in Namibia immer Deutsch.

Der Weggang aus Namibia hatte rein wirtschaftliche Gründe. Diekmann betrieb im Süden des Landes in dritter Generation eine große Landwirtschaft und eine Pelzzucht – sein Ururgroßvater war 1907 aus Oldenburg ausgewandert. Doch die Preise für Pelz waren schon vor Jahren in den Keller gestürzt. Dazu kam die Trockenheit, die nicht nur die Landwirte zunehmend verzweifeln lässt. „In manchen Monaten sah es bei uns aus wie auf dem Mars“, erzählt Diekmann. So trocken sei der Boden gewesen. Politisch sei das Land, das flächenmäßig doppelt so groß wie Deutschland ist, aber nur 2,5 Millionen Einwohner hat, stabil. Als Mitglieder der weißen Minderheit (ungefähr acht Prozent der Bevölkerung) hätten er und seine Familie keine Probleme gehabt. „Alle Völker leben da friedlich miteinander.“ Doch wirtschaftlich sah Diekmann keine Zukunft mehr in seinem Heimatland. Er verpachtete die Farm, der Pächter setzt auf Tourismus. Schon von Namibia aus fand Diekmann seine Stelle in Ingolstadt.

Der entscheidende Moment sei bei der Anmeldung seines Sohns an der Schule im Englischen Garten gewesen, sagt der 47-Jährige: „Da ist ein Eichhörnchen über eine Hecke gehüpft – und ich dachte: Da wirst du dich wohlfühlen.“ So kam es auch. Die Familie erlebte 2019 ihr erstes Schlossfest, erkundete gleich die Radstrecken im Neuburger Umland, spazierte durch den Englischen Garten und genoss den Blick auf die Donau. Die Kinder bummeln oft durch die Geschäfte der Innenstadt, während ihr Vater vor allem die Eisdielen schätzt. „Ich vermisse nichts“, sagt Diekmann.

Eine Fußgängerzone in Schmid- und Färberstraße würde sich aus seiner Sicht anbieten. Aber es müsse auch nicht sein. Bei der Diskussion um eine zweite Donaubrücke bezieht Diekmann allerdings Stellung. „Die braucht es nicht unbedingt. Deutschland hat schon jetzt zu viele Straßen.“ Stattdessen solle man doch lieber die Bergheimer Spange ausbauen, findet er.

In Namibia waren er und seine Familie seit dem Wegzug 2019 nicht mehr. „Vielleicht fliegen wir nächstes Jahr wieder hin“, sagt Diekmann. Einstweilen genießen sie die Zeit in Neuburg, ihrem Neuburg.

DK