Schrobenhausen
Große Freude an Konsum und Kultur

Bummeln, Kunst und Kultur genießen, Menschen treffen, ein bisschen einkaufen, essen, trinken: Das Leben ist in die Stadt zurückgekehrt, spätestens am vergangenen Wochenende

16.05.2022 | Stand 23.09.2023, 1:20 Uhr

Das schöne Ambiente mit neuem Brunnen am Lenbachplatz genossen auch die kleinen Gäste, während die Großen mit den Dultständen beschäftigt waren. Foto: M. Schalk

Schrobenhausen – Wohin als erstes? Das fragt man sich in Schrobenhausen sonst am ehesten beim Schrannenfest. Doch gerade am Sonntag ist die Auswahl an Möglichkeiten groß und das Programm vielfältig. Durch die Lenbachstraße geht es vorbei am Händlervolk, da gibt es fröhlich-bunte Sommerkleider, so manchen Helfer für die Küche, Gürtel, Socken, geflochtene Körbe und Gewürze, eben alles, was man sich von einer klassischen Dult so erwartet. Es duftet nach Bratwürsten und Pommes, auf dem Lenbachplatz drehen sich lustige Tiere an einem blinkenden Kinderkarussell. Das Wetter lädt zum Flanieren in kurzen Hosen ein, in den Cafés der Innenstadt herrscht Hochbetrieb.

„Schrobenhausen hat sich nicht lumpen lassen“

Hinter einem der fahrenden Händler zweigt die Straße Richtung Pflegschloss ab, im Garten stehen Mitglieder des Schrobenhausener Fotoclubs. Gemeinsam mit ihren Kollegen vom Fotoclub Perg haben sie wieder ihre Ausstellung in den Rundbögen der Stadtmauer konzipiert – „eine schöne Tradition und ein sehr passender Zufall“, sagt Vizebürgermeister Georg Berger (proSob) dazu, dass sie vom Tag her eben auch auf den Internationalen Museumstag fällt. Diesen darf er als Vertreter des Rathauses im Pflegschlossgarten zusammen mit Museumsleiterin Claudia Freitag-Mair zu Gitarrenklängen eröffnen. Etwas, das ihn sichtlich freut, denn „Schrobenhausen hat sich nicht lumpen lassen und ist in die Vollen gegangen“, zeigt sich Berger stolz auf seine Stadt. Denn neben „Kunst und mehr“, das am Samstag schon seine Räume für Kunstliebhaber geöffnet hat, gibt es am Sonntag gleich noch zwei Vernissagen – „Schrobenhausen 1922. Ein Zeitbild“ und „Roussillon“ mit Malereien von Reinhold Braun, Friedrich Dickgiesser und Leander Kresse (Bericht folgt).

„Man ist froh, wenn man wieder was präsentieren kann, noch dazu passt das Wetter“, sagt Berger. Was ihn auch freut ist, dass am Internationalen Museumstag die Museumslandschaft im Mittelpunkt steht, dass Kunst und Kultur ins Gedächtnis gerufen werden. Denn ohne diese Möglichkeiten zum Ausreißen aus dem Alltag „wäre das Leben sehr flach“, so der Vizebürgermeister. Dann übergibt er das Wort an Museumsmitarbeiterin Annika Seider, die zur Vernissage von „Schrobenhausen 1922“ durch die Ausstellung führt. Bis es darin tatsächlich um Schrobenhausen geht, dauert allerdings eine Weile. Denn das wahrscheinlich einprägendste Ereignis 1922 fand einige Kilometer weiter im heutigen Gemeindegebiet von Waidhofen statt: die Morde von Hinterkaifeck.

Damit geht es auch los in der Ausstellung – mit einer Originalnachbildung der Reuthaue, jener Mordwaffe, mit der die Familie und ihre Magd ausgelöscht wurden. Dazu gibt es Akten, den ersten Zeitungsbericht vom „Raubmord“, wovon damals ausgegangen wurde, die Uniformen, wie sie die Dorfgendarmerie zu jener Zeit trug, und so manches mehr. Denn der Mythos Hinterkaifeck beschäftigt die Menschen bis heute.

„Tod und Gewalt gehörten zum Alltag“

Eine Karte zeigt auf, wo es zwischen 1919 und 1922 noch überall Raubüberfälle und Raubmorde in der Region gab. Denn, wie Annika Seider erzählt, „Tod und Gewalt gehörten zum Alltag“. Zum einen seien die Soldaten aus dem Krieg zurückgekehrt mit ihren traumatischen Erlebnissen, zum anderen brachte die Armut die Menschen in eine Extremsituation – „das macht was mit einer Gesellschaft“. 200 Milliarden Mark habe damals der Eintritt ins Schrobenhausener Heimatmuseum gekostet. Kein Wunder, dass vier junge Langenmosener – wie eine Fotografie belegt – wie viele andere nach Südamerika auswanderten. Zu sehen sind sie begleitet vom ganzen Dorf einschließlich Musikkapelle am Bahnhof. „Eine Trennung für immer“, fügt Berger hinzu.

Schrobenhausen selbst hatte 1922 rund 3800 Einwohner – eine kleine Bezirksstadt, wie Seider sagt. Neben dem Kriegerdenkmal wurden in jener Zeit auch der Lenbachbrunnen eingeweiht und das Kaffee-Wien gegründet, ein Kontrapunkt zur bayerischen Wirtshauskultur. Und zwar von Therese Bichler, die übrigens auch den Leichenwagen in Schrobenhausen fuhr. Neben vielen Bildern aus jenen Tagen gibt es auch so manches Exponat aus dem Museumsdepot zu entdecken. Eine Zeitreise zurück in ein Schrobenhausen, das sich, so sagt Seider, „vom Stadtbild gar nicht so viel geändert hat“.

Wieder draußen im Garten geht es – vielleicht sogar frisch gestärkt mit Kaffee und Kuchen von der Schrobenhausener Tafel und einem Plausch am Stehtisch im Schatten – vorbei an den Werken der beiden Fotoclubs. Die Bandbreite der Motive ist riesig: hier wogt das Schilfgras am Strand, dort blickt ein Löwe in die Savanne, es gibt Landschaften zum Träumen, Porträtaufnahmen, Architekturfotografien und ganz im Sinne des Minimalismus eine rote Tomate auf Gelb (weiterer Bericht folgt). Wer das Pflegschlossareal verlässt, findet sich schnell im kommerziellen Trubel in der Lenbachstraße wider: zwischen Kindern mit Luftballons, Männern, die nochmal zur Bank müssen, und dem einen oder anderen Genießer, der mit seinem Eis einen Sitzplatz in der Sonne ergattert hat.

SZ