Waidhofen/Schrobenhausen
Der Militärhistoriker Jakob Knab im Porträt

„Einer der raren Alltagshelden der Republik“

17.09.2022 | Stand 22.09.2023, 5:37 Uhr

Jakob Knab am Stadtwall, einem seiner Lieblingsorte in Schrobenhausen. Foto: Floerecke

Jakob Knab hat einen nicht ganz alltäglichen Lebenslauf. Der Sohn eines Waidhofener Kleinlandwirts kam als Zehnjähriger ins Bischöfliche Knabenseminar nach Dillingen. Er studierte in München Geschichte, Anglistik und Katholische Religionslehre und wurde in Kaufbeuren sesshaft. Neben seiner Tätigkeit als Gymnasiallehrer widmete er sich der Geschichtspolitik und machte sich als Autor und Verfechter der Grundwerte deutschlandweit als „Verfassungspatriot“ einen Namen. Sein Hauptthema war und ist historischer Natur: der Umgang und die Pflege von Traditionen in der Bundeswehr. In Fachkreisen gilt Knab als der führende Kopf auf diesem Gebiet.

Jakob Knab ist mit Bus und Bahn aus Kaufbeuren angereist. Offen, geradeaus und unverkrampft kommt er daher. Es geht durch Schrobenhausen. Später wird er noch seine Mutter besuchen, die bis vor kurzem in ihrem Haus in Waidhofen gewohnt hat, jetzt aber zur Pflege in einem Seniorenheim lebt. Hier und heute spricht der bekannte Autor mal über sich. Sonst beschäftigt er sich nämlich meistens mit anderen.

Er gilt als Streiter, der aber auch in sich ruhen kann, sein gedanklicher Überbau sind die Grundwerte. Der 71-Jährige sieht sich bis heute als Verfechter „der radikalen Mitte“ und erhebt seine Stimme für „Recht, Freiheit, Menschenwürde mit aller Entschiedenheit, Offenheit und Schärfe“. Seine Stimme hat durchaus Gewicht. Besonders dann, wenn es um Belange aus der Traditionspflege der Bundeswehr geht.

Gegen Engstirnigkeit und Vergessen

Die Bundeswehr und deren Umgang mit der Geschichte, das ist das übergeordnete Thema, das Jakob Knab, der selbst nie eine Bundeswehr-Karriere angestrebt hatte, beschäftigt. Er äußert seine Meinung mit Nachdruck, hält mit Kritik nicht hinterm Berg. Weil er, wie er sagt, „die Bundeswehr zu ihrem Glück zwingt“. In der Öffentlichkeit lobt er vor allem mündige Staatsbürger in der Bundeswehr, wehrt sich allerdings „gegen Engstirnigkeit und historisches Vergessen“. In einer Widmung in einem seiner verfassten Bücher heißt es zum Beispiel, dass Knab der einzige sei, der einen Gesamtüberblick über die Historie aller deutschen Bundeswehrkasernen habe.

Gründer der „Initiative gegen falsche Glorie“

Mitte der 90er-Jahre hat Jakob Knab die „Initiative gegen falsche Glorie“ gegründet. Das Ergebnis: Der gebürtige Waidhofener hat mit seinen Mitstreitern dafür gesorgt, dass bis heute mehr als zwei Dutzend Bundeswehrkasernen von Namen umstrittener Kriegshelden befreit und neu- oder umbenannt wurden – etwa die Lent-Kaserne in Rotenburg (Wümme) in Von-Düring-Kaserne, oder die Feldwebel-Anton-Schmid-Kaserne in Blankenburg (Harz). Der wohl bekannteste Vorgang in der Öffentlichkeit ist bis heute der Fall Dietl aus den 90er-Jahren. Sieben Jahre, sagt Knab, habe er dafür gekämpft, bis er Dietl „in die Knie gezwungen“ habe. Und dabei längst belegt hatte, dass Generaloberst Eduard Dietl, bis dato Kasernenpatron in Füssen, „dafür völlig ungeeignet aufgrund seiner Gesinnung und Verstrickung in NS-Kriegsverbrechen“ gewesen sei. Verteidigungsminister Volker Rühe hatte 1995 letztendlich die Namensänderung in Allgäu-Kaserne angeordnet. Deutschlandweit war dieser Fall in den Schlagzeilen. Mittendrin: Jakob Knab.

Ein gefragter Gesprächspartner

Wie man sich das vorstellen kann? Da kann es schon mal sein, dass eine führende deutsche Sicherheitspolitikerin bei ihm durchklingelt und ihn fragt, was sie an historisch bedenklichen Exponaten in der Aula der Marineschule Mürwik beachten müsse. Das ist nur eine von vielen Geschichten. In kundigen Kreisen gilt Knab, der „Verfassungspatriot“, längst als der führende Kopf in der Traditionspflege der Bundeswehr. Vom international renommierten Freiburger Militärhistoriker Manfred Messerschmidt wurde er einst auf Tagungen unterstützt und gefördert, hebt Jakob Knab hervor.

Vor wenigen Tagen hat Knab eine Trauerrede für den verstorbenen Brigadegeneral a.D. Winfried Vogel (1937 – 2022) gehalten. Für Knab „ein Anlass, dem vertrauten Freund, einem ‚General mit Zivilcourage‘, die letzte Ehre zu erweisen“. So manchen Mitstreiter hat er gefunden, ein Netzwerk aufgebaut sowieso. Vorträge, Podiumsdiskussionen, Interviews mit Tageszeitungen und Fachzeitschriften. All das gehört zum Tagesablauf. Demnächst wird er beispielsweise zwei Historiker aus Liverpool auf den Spuren der Weißen Rose durch München führen. Und, und, und. Beim Treffen in Schrobenhausen läutet sein Mobiltelefon und ein freier Mitarbeiter der Londoner Tageszeitung „The Telegraph“ ist dran.

Wer Knab beim Erzählen erlebt, der erkennt: Er kann das einfach, interessant und spannend macht er das. Er bringt die Dinge auf den Punkt, auch mal amüsant oder nachdenklich. Und ist dabei ausgesprochen entspannt, wenngleich es um ernste, mitunter spannungsgeladene Themen geht. Man kommt von einem zum anderen. Jakob Knab kann natürlich immer noch Altbayerisch, spricht es auch, wenn er zum Beispiel einen seiner Lieblingssätze wie „I, i sog do nix“ sagt. Manchmal wechselt der 71-Jährige ganz leicht ins Allgäuerische, wenn er etwa von seiner Studentenzeit in München und dem gemeinsamen Englischkurs mit Uli Hoeneß erzählt. Er kann aber auch feines British English.

„Ich schweige nicht – Hans Scholl und die Weiße Rose“

So einiges hat der gebürtige Waidhofener in den vergangenen 30 Jahren auch publiziert. Zu seinen bedeutendsten Büchern gehört „Ich schweige nicht – Hans Scholl und die Weiße Rose“ (2018), in dem er dessen Lebensgeschichte erzählt. „Luther und die Deutschen 1517 – 2017“ hat er 2017 veröffentlicht, um diese Kernthese geht es: „Die Reformation brachte auch eine Nationalisierung des Religiösen mit sich“, was Jakob Knab historisch begründet.

Liest man in seine Veröffentlichungen hinein, stellt man fest: Die auf historisch-wissenschaftlichen Grundsteinen und neuen Erkenntnissen und Schlussfolgerungen entstandenen Bücher sind nicht nur für Fachleute gedacht. Auch Interessierte und Fachfremde können sich zurecht finden. Das „handwerklich saubere Arbeiten“, eine Maxime Knabs, ist ebenfalls schnell festzustellen, ebenso die angenehme Sprache: keine zigfachen Substantivierungen und Schachtelsätze, kein Nominalstil. Denn Jakob Knab möchte so schreiben, wie er es bei einem Vortrag vor einem Fachpublikum oder als Lehrer vor seinen Schülern sagen würde.

Nicht davon abhalten lassen, weiterzumachen

Zwischendrin sagt Jakob Knab: „Man braucht ein Grundvertrauen im Leben.“ Und: „Man kommt von weit her, wenn man von dort kommt.“ Um persönliche Eitelkeit geht es ihm nicht, vielmehr um die Sache. Und wenn er sich „mit einigen Leuten anlegt“, habe es schon Einschüchterungsversuche, gar Morddrohungen gegeben. Das habe ihn aber nicht davon abgehalten, weiterzumachen. Weil es so manches gebe, was das Negative in den Schatten stelle. Wenn zum Beispiel der verstorbene, namhafte Publizist, Autor und Verfechter der Holocaust-Erinnerungskultur Ralph Giordano (1923 – 2014) über Jakob Knab seinerzeit schrieb: Er sei „einer der raren Alltagshelden der Republik“.

Gerade ist Knab als Herausgeber mit einigen Autoren daran, einen Sammelband zu veröffentlichen, bei dem es um die Traditionspflege in der Deutschen Marine geht. Und da sind sie wieder, diese klugen Sätze, die der sympathische 71-Jährige zum Schluss noch sagt: „Jeder Mensch ist wie ein Vogel. Man braucht ein Nest. Aber jeder Mensch braucht in seiner Lebensgeschichte auch Flügel.“

SZ