Schrobenhausen
Couchfestival: Da spielt die Musik - eine Nachlese

Vier Tage mit internationalem Flair in und um Schrobenhausen

23.05.2022 | Stand 22.09.2023, 23:21 Uhr

Musik in Gärten – hier mit Mark Loughrey aus Nordirland –und im öffentlichem Raum bildeten eine Mixtur, die unfassbaren Charme entfachte. Foto: Andreas Schilling

Von Thomas Floerecke

Schrobenhausen – Eigentlich hatte es ja schon vor zwei Jahren über die Bühne gehen sollen, das erste Couchfestival in Schrobenhausen. Wobei das Wort Couch ja eher symbolisch ist und vielmehr für Gemütlichkeit und Unaufgeregtheit steht. Vier Tage mit verschiedenartigen Veranstaltungen im etwas anderen Ambiente stehen an. Dank der sommerlichen Temperaturen findet so gut wie alles im Freien statt: zwei Dutzend Live-Konzerte überwiegend in privaten Gärten, auch mal im Schrebergarten, mal im Vorgarten, mal in der Wohnküche, obendrein Puppentheater und Gigs in den Konzerträumen des Juze-Greenhauses und des Herzog-Filmtheaters, außerdem Workshops im Musikschul-Pavillon.

Von Donnerstag bis einschließlich Sonntag ziehen tagsüber viele Menschen von Jung bis Alt los und besuchen bis in den Abend hinein die vorwiegend in Schrobenhausen, vereinzelt in Hörzhausen, Sandizell, Aresing und Diepoltshofen mühe- und stilvoll hergerichteten Locations.

EnormeBandbreite

Die vielen Musiker und Künstler der insgesamt gut 20 Formationen sind in und um Schrobenhausen einquartiert. Aus aller Herren Länder sind sie angereist, haben nicht selten die Musik ihrer Heimat mitgebracht.

Sie alle kennt Magdalena Kriss persönlich. Tatsächlich alle. Sie ist die Initiatorin dieser etwas anderen Veranstaltung. Viele Jahre war sie, die Musikerin und Musik- und Tanzpädagogin, beim international angesehenen Couchfestival im slowenischen Ljubljana zu Gast, trat dort selbst auf. Hiervon hat sich die weit gereiste Hörzhausenerin inspirieren lassen, vom „offenen, teils intimen Rahmen des Musikmachens, bei dem die Menschen untereinander und mit den Musikern viel leichter zusammenkommen“, wie die 33-Jährige erzählt. Irgendwann hatte sie sich gedacht, ein solches Festival mit viel Musik auf kleinen Bühnen in überwiegend privaten Räumlichkeiten an vielen unterschiedlichen Orten auch in Schrobenhausen aufzuziehen. Vor über zwei Jahren, im März 2020, machte ihr der Beginn der Pandemie einen Strich durch die Rechnung. Jetzt aber hat es geklappt. Und wie.

Akustische und handgemachte Musik

Alle Gigs kann man freilich nicht besuchen, teilweise finden zwei oder drei zeitgleich statt. Also dann mal los. Warum nicht mit dem Radl zum Gartenkonzert in die Konrad-Kuhn-Straße zu einer internationalen Band, die sich Yeah! But Wien con Melange nennt? Das Konzert ist schon im Gange, von der Straße aus ist die Querflöte zu hören, auch Gesang. Die Nachbarn grillen gleichzeitig und schauen von ihrer Terrasse aus zu. Drinnen, im Garten, 20 Gäste. Sie sitzen mal auf Gartenstühlen, mal in Couchmöbeln, mal auf der Schaukel, im Strandkorb, im Rasen mit und ohne Decke, in ihren mitgebrachten Campingstühlen. So wie vielerorts während dieser Festivaltage auch.

Hier im Garten steht eine „ost-westliche Melange“ vor dem Publikum, das entspannt den Klängen lauscht. Alle drei Musiker sind um die 30 Jahre alt, kommen aus Istrien wie Alma Dzelil (Querflöte), aus Wien wie Angelika Hudler (Violine), aus Oberstaufen im Allgäu wie Philip Henri (Gitarre). Alle drei können dazu auch noch gut singen, kennen sich schon viele Jahre aus Wien, treten heute aber zum ersten Mal in dieser Formation auf. Sie mischen und verbinden etwa Wiener Jodler mit einem ungarischen Instrumentalstück. Den Gartengästen gefällt die Mixtur aus Jazz, Latin und den Traditionen aus dem kroatischen Istrien, überhaupt der osteuropäische Sound, und dabei die Nuancen serbischer, bosnischer, bulgarischer und rumänischer Musik.

Erneuter Blick auf den Festivalplan. Paula Plays Pretty spielt in einem Aresinger Garten. Gerade noch der Soundcheck der Schrobenhausener Ursl Beyer, Peter Hillinger und Jörg Weber mitbekommen, dann kann es losgehen mit ihrer Session und der Mischung aus bekannten Pop-, Rock-, Soul- und Jazzcovernummern wie zum Beispiel „Ain’t Nobody“ von Chaka Khan und „Kiss“ von Prince. Immer mehr Gartengäste finden sich ein, nicht wenige begegnen einem dieser Tage öfters.

Gleichzeitig gibt es drei weitere Musikacts: Sarah Leuridan, Bipolar Bows und zwei soeben aus Prag im Schleifmühlweg Höhe Stadtwall angekommene Künstler, die ihre Musik als Mischung aus Jazz, Folk und Latin beschreiben. Er, der Australier Kieren Alexander und sie, Žofie Kašparová aus Tschechien. Ihre eigenen Instrumente mitsamt Equipment haben sie dabei. Freunde, Bekannte, Nachbarn, Musikinteressierte, sie alle sind auch von diesem Auftritt begeistert.

Loop-Station und kubanische Gitarre

Mal sind es 20, mal 30, manchmal auch 40 und mehr in den Gärten. Auch Musiker besuchen Musiker, Und bleiben nach ihren eigenen Auftritten auch mal gerne da, ratschen mit den Gästen. Vorbeifahrende Radfahrer halten an, bleiben stehen, hören für eine Weile von der Straße aus zu. Gastgeber meinen zwischendrin, die Gäste sollen sich wie zuhause fühlen.

Mittlerweile ist es dunkel geworden. Das Publikum wird jünger. Im Juze gibt’s Staffan Björklund aus Schweden, die „Ein-Mann-Balkan-Latin-Band“, wie er sich selbst bezeichnet. Er bringt akustisch-elektronische Klänge mit Gesang, Akkordeon, Loop-Station, kubanischer Gitarre und Synthesizer im nach und nach voll werdenden Konzertsaal. Ohne Frage Abwechslung pur.

Danach tritt die Prager Vier-Mann-Combo von Tygroo auf, die dem Publikum auf der Tanzfläche mächtig einheizt. Gerade mit ihren drei Saxofonen und dem Schlagzeug, sagt ein Konzertbesucher, „machen sie schon eine kriminelle Mischung aus Elektro, Hiphop und Balkan-Disco-Trash“. Und tanzt dann gleich wieder weiter.

Dann sind da die Gruppen Tante Friedl mit Initiatorin Magdalena Kriss und ihrem Ehemann Dan Wall, Se Vende Ringcon aus Puerto Rico und das vierköpfige Ensemble von Happy Castle Express. Und der Besuchermagnet: die aus dem Iran und Syrien stammende Musikgruppe Jaarcheez. Nicht zu vergessen Catz & Fiddle, die Combo aus München, Pöttmes und Schrobenhausen. Und natürlich die weit über das Schrobenhausener Land bekannten Geschwister Reitberger mit Christine, Michaela und Bernhard und ihrer unverwechselbaren bayerischen Wirtshausmusik.

Workshops gemeinsam mit den Teilnehmern

Weiter geht’s in eine Schrobenhausener Kleingartenanlage: Hierhin zieht es gut 50 Gäste zum Singer-Songwriter Mark Loughrey aus Nordirland, der nicht nur seine eigenen Songs spielt sondern auch spontan mit Old Salt musiziert – die selbst kurze Zeit später im brechend vollem Herzog-Filmtheater auf der Bühne stehen werden und in Schrobenhausen längst keine Unbekannten sind mit ihren vielfältigen musikalischen Einflüssen von Dan Wall, Lotte Remmen, Johannes Wannyn und Lara Rosseel.Gut angenommen werden auch die Workshops im Pavillon der Musikschule, die Magdalena Kriss deshalb ins Programm nahm, damit „vor allem gemeinsam etwas aufgebaut und ausprobiert werden kann“. Da geht es ums Erlernen eines Volkslieds, bei dem „durch Vor- und Nachspielen mit Instrumenten und Singen nach Gehör traditionelle Musik spielerisch etwas näher gebracht wird“. Oder um Bayerisch-Tanzen-und-Singen und ums Jodeln.

Für Kinder ist vormittags im Juze Puppentheater des slowenischen Künstlers Matija Solce, dem 41-jährigen, mehrsprachigen Puppenspieler, geboten. Er baut sich seine Hauptpersonen selbst, zeigt den Klassen der Schrobenhausener Grundschule das Stück „Kleine Nachtgeschichten“. Filip Sebsajevic begleitet ihn mit der Gitarre. Am Abend zuvor ist Matuja Solce zweimal mit seinen Handpuppen für die Erwachsenen bei mystischer Atmosphäre auf der Bühne zu sehen.

Unbeschwerte Stimmung

Was nun bleibt nach vier Tagen Couchfestival in und um Schrobenhausen: die hervorragende Idee zuvor zu dieser Veranstaltung, sagen viele. Nicht wenigen bereitet es große Freude, wieder unbeschwert Musik genießen zu können. Andere betonen die Internationalität und Vielfalt an Bands und Stilrichtungen. Und was in ähnlicher Form von Künstlern und Gästen gleichermaßen zu hören ist: Bemerkenswert, dass es in einer kleinen Stadt ein derart vielfältiges Festival geben kann. Was für viele daran liegt, da sich Menschen bereit erklärt haben, ihre privaten Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen und so als ausgesprochen gute Gastgeber maßgeblich zum Gelingen des ersten Schrobenhausener Couchfestivals beigetragen haben.

SZ