Briefe voller Geheimnisse
Grübeln über alten Sütterlin-Schriften

Die Volkshochschule Riedenburg bietet Kurse zum Entziffern alter Dokumente an

08.02.2024 | Stand 08.02.2024, 16:51 Uhr

Beim Lesen der Sütterlin- und Kurrentschrift kam so mancher Teilnehmer am Kurs der VHS Riedenburg ins Nachdenken. Vom August 1914 stammte dieser Text in Sütterlin. Fotos: Patzelt

Kanzleischrift, Kurrentschrift, Sütterlin: Für viele Riedenburger sind diese Schriftarten Relikte aus längst vergangenen Zeiten und daher unlesbar.

Vor allem, wer sich mit der Ahnenforschung befasst, wird sehr schnell an seine Grenzen gelangen, wenn er diese Arten der Schrift nicht beherrscht. Gerne würde man eine Postkarte oder einen Brief von früher lesen, aber unsere Vorfahren haben auch diese fast ausschließlich in Kurrent oder Sütterlin geschrieben.

Dem will die Volkshochschule (VHS) Riedenburg abhelfen und bietet monatlich in einem Raum der Drei-Burgen-Halle die Sütterlin-Werkstatt an. Die Teilnehmer treffen sich in lockerer Atmosphäre mit Leuten, die diese alten Schriften noch beherrschen und ihr Wissen darüber gerne teilen.

Die Zusammenkunft wird von Petra Kolbinger geleitet. „Es ist schade. Viele ältere Leute, die diese Schriften noch beherrschen, sterben weg und die meisten jüngeren können sie nicht mehr lesen. Wir wollen versuchen, gemeinsam vor dem Vergessen zu bewahren, was früheren Generationen so wichtig erschien, dass sie es schriftlich festgehalten haben“, sagt die VHS-Leiterin zum Sinn und Zweck des Treffens.

Märchen von Schneewittchen als Trainingstext

Um sich „einzulesen“ hatte Kolbinger das Märchen von Schneewittchen und den sieben Zwergen mitgebracht – verfasst natürlich in Sütterlin. Wobei „einlesen“ wohl nicht der richtige Ausdruck ist. Gerade die Neulinge taten sich noch schwer, die einzelnen Worte „zu entschlüsseln“. Aber sie bekamen von den Erfahrenen kräftige Unterstützung. Leicht über die Lippen ging dagegen die Stelle aus dem Märchen der Gebrüder Grimm „Spieglein, Spieglein an der Wand – wer ist die Schönste im ganzen Land“. Diese Passage war natürlich allen bestens bekannt.

Danach befassten sich die Teilnehmer mit den Kriegserinnerungen des Maats Hajo Uden auf dem Kreuzer Emden, geschrieben am 8. August 1914, ebenfalls in Sütterlin.

Die Teilnehmer erfuhren auch etwas über die Geschichte und die Entwicklung der Schriftarten. Es war im Jahr 1911, als der Grafiker Ludwig Sütterlin eine Veränderung der vorherigen Kurrentschrift vornahm. Die neue Schriftart sollte graphisch einfacher zu formen sein sowie wesentlich fließender verlaufen. Die Sütterlinschrift stand zwischen 1915 und der Zeit des Nationalsozialismus immer mehr auf dem Lehrplan. Während des Zweiten Weltkriegs, genauer gesagt am 1. September 1941, ordnete das Reichsministerium in den Schulen allerdings die „Deutsche Normalschrift“ an, die von 1942 bis 1945 nur noch verwendet und gelehrt werden durfte.

Ein Teilnehmer am Work-shop in der Dreiburgenhalle hatte einen Brief vom 14. Januar 1860 mitgebracht. Abgesandt wurde die Depesche von J.G. Buchner, Händler für „Colonial Waaren“ in Regensburg. Der Empfänger des mit einer Drei-Kreuzer-Marke frankierten Briefs war Anton Romanino in Riedenburg. Der Riedenburger Kaufmann handelte damals unter anderem mit dem „Weißen Kräuter-Brust-Syrup“, dem man eine große Heilwirkung zuschrieb. Da Buchner das Schreiben in kurrenter Schrift verfasst hatte und er es mit der exakten und deutlichen Schreibweise nicht so ganz genau nahm, war es schwer, den Brief mit einer angehängten Rechnung zu entziffern.

Die Deutsche Kurrentschrift war die Vorgängerin der Sütterlinschrift und fand bis Mitte des 20. Jahrhunderts als allgemeine Verkehrsschrift Verwendung. Zum Schreiben verwendete man einen Federkiel oder später eine Bandzugfeder oder Spitzfeder.

Zur Sprache kam bei der Sütterlin-Werkstatt der VHS auch kurz die Deutsche Kanzleischrift, eine gebrochene Schrift, die zwischen dem 15. und dem 19. Jahrhundert überwiegend für Dokumente und amtliche Schreiben gebräuchlich war.

Bei der Sütterlin-Werkstattist jeder willkommen

Die nächste Sütterlin-Werkstatt findet am Dienstag, 5. März, von 19 bis 20 Uhr in der Riedenburger Dreiburgenhalle statt. Es wird keine Gebühr erhoben. Informationen und Anmeldungen bei Petra Kolbinger unter der Telefonnummer (09442) 905005 oder per E-Mail über die Adresse info@vhs-riedenburg.de. „Es ist bei uns jeder willkommen, der Interesse an den alten Schriften hat“, gab Petra Kolbinger abschließend bekannt.

pa