Besinnliche Worte
Ein geistiger Ruheanker zu Beginn von Heiligabend

Im Feldkirchlein St. Agatha wird seit 50 Jahren eine wundervolle Weihnachtstradition gepflegt

23.12.2023 | Stand 23.12.2023, 10:05 Uhr

Das idyllisch gelegene Kirchlein St. Agatha ist an jedem Heiligabendnachmittag der Schauplatz einer einzigartigen Weihnachtstradition. Fotos: Ehrlich (Archiv)

Der Friedhof St. Agatha bei Gundlfing ist der schönste Friedhof im gesamten Landkreis Kelheim. Dieses Prädikat wurde ihm erst vor wenigen Jahren von einer Fachjury verliehen. Dass sich auf dem Friedhof und in dem kleinen Feldkirchlein St. Agatha aber auch seit einem halben Jahrhundert eine so wundervolle wie einzigartige Weihnachtstradition entwickelt hat, weiß nur ein überschaubarer Kreis von Menschen.

Sie klinken sich am Nachmittag eines jeden Heiligen Abends für eine knappe Stunde ganz bewusst aus der Weihnachtshektik aus, versammeln sich um einen geistigen Ruheanker und erinnern sich an die Ereignisse und Gestorbenen des ablaufenden Jahres.

Diese Andacht am Heiligen Abend findet zwar heuer zum 50. Mal statt, aber trotz der runden Zahl nicht anders als in den Jahrzehnten zuvor. Der aus Riedenburg stammende Musiklehrer Bernhard Böhm war von Beginn an dabei und erinnert sich. „Entstanden ist diese musikbetonte Andacht zum Gedenken an den Riedenburger Lehrer Franz Richter, der 1970 gestorben ist“, erzählt Böhm im Gespräch mit unserer Zeitung. Es gab damals – wie er es nennt – eine elitäre Gemeinschaft von Männern, die alle ein Instrument spielten, die sich bei dem Haidhofer Musiker Hans Kobl trafen und der auch die Noten für die Andachten auf dem Friedhof arrangierte.

Federführend beim Zustandekommen der ersten Andacht war damals Richters Sohn Cornelius, der spätere Maler, Bildhauer und darstellende Künstler. „Die Gruppe hatte neben Freunden und Bekannten auch über den DONAUKURIER die Bevölkerung zur Teilnahme eingeladen. Besinnliche Texte mit kritischen Betrachtungen zum Zeitgeschehen wurden nachmittags auf dem Friedhof vor der Kirchentür am Grab von Franz Richter gelesen und anspruchsvolle Musikstücke aus klassischen Kompositionen gespielt“, weiß Böhm.

Diese feinsinnige Weihnachtsandacht fand durch Mund-zu-Mund-Propaganda bald an jedem Heiligabend-Nachmittag einen festen Besucherstamm und der aus Thann stammende Theologieprofessor Ehrenfried Schulz wurde darauf aufmerksam. Bald wurde er gebeten, den pastoralen Teil zu übernehmen.

Als an einem bitterkalten Konzertnachmittag dem Tubaspieler aus dem nur bei diesen Andachten spielenden Riedenburger Bläserquartett die Ventile einfroren, sperrte der Mesner aus Gundlfing die Kirchentüre auf. Nach einer kurzen Anwärmphase konnten sie dann und seither immer die Andacht im kleinen Kirchlein fortsetzen. Bereits der Friedhof war bald rappelvoll und natürlich reichten auch die Plätze im ungeheizten Gotteshaus nicht für alle Besucher aus.

„Die Sätze von Ehrenfried Schulz waren hochintelligent aufgebaut und so formuliert, dass sie jeder verstanden hat“, erinnert sich Böhm dankbar an den vor wenigen Jahren gestorbenen Geistlichen. Er liegt am Friedhof St. Agatha begraben.

Bernhard Böhm hat nach einigen Jahren und nach einer kurzen Unterbrechung der Tradition die Nachfolge von Cornelius Richter als Organisator der Andacht übernommen. Aufgrund seiner Kontakte konnte der Musiklehrer musikalische Variationen in nach wie vor hoher Qualität einfließen lassen. So durfte neben manchen seiner Schüler auch mal das Didgeridoo-Team um Christian Sendtner die Andacht mit außergewöhnlichen Tönen gestalten.

Inzwischen hat sich die Andacht abermals ein wenig gewandelt. Egid Werner aus Gundlfing führt seit ein paar Jahren die Organisationsarbeit fort und wird musikalisch unterstützt von den Bergmusikanten aus Otterzhofen. Den Weihnachtssegen spendete nach dem Tod von Ehrenfried Schulz ein paar Jahre lang der emeritierte Stadtpfarrer Karl Heinz Memminger und nun spendet ihn Pfarrer George Oranekwu aus Jachenhausen. Dazu spricht Gerhard Koller von der Marianischen Männerkongregation die Worte zum Heiligen Abend.

Immer schon bieten die Organisatoren nach der Andacht vor dem Friedhof Tee, Punsch und Plätzchen und laden so dazu ein, noch ein wenig beisammen zu bleiben und persönliche Kontakte zu stärken. Über die Jahre hat sich ein fester Besucherkern entwickelt, in dem viele junge Menschen zu finden sind. Für etliche dieser Besucher gehört diese Andacht im Kirchlein auf freiem Feld längst zum festen Weihnachtsritual. „Bis zu diesem Nachmittag ist vorweihnachtlicher Trubel und Hektik. Mit der Andacht aber beginnt für mich der Heilige Abend, da ist alles vorbereitet und ich kann mit meiner Familie in wunderbarer Ruhe auf das Christkind warten und in die Christnacht feiern“, meinte einmal eine Frau, für die Weihnachten ohne diese Andacht nicht denkbar wäre.

Auch heuer beginnt die Andacht wieder um 13.30 Uhr im Kirchlein St. Agatha auf dem Feldfriedhof von Gundlfing und lädt die Menschen dazu ein, in besinnlicher Weise samt ansprechender Musik zur Ruhe zu kommen und danach entspannt auf das Christkind zu warten.

err