Venezianische Klangpracht
Vox Luminis und die Lautten Compagney Berlin beim Musikfest Eichstätt

17.05.2023 | Stand 16.09.2023, 22:00 Uhr

Abschluss des Festivals mit der Lautten Compagney Berlin und dem belgischen Vokalensemble Vox Luminis. Foto: Christian Klenk

Welch’ grandioser Festivalausklang! Welche Pracht an Klängen, welch magischer gesanglicher und instrumentaler Glanz in der Klosterkirche Rebdorf. Am Ende des zehnten Musikfests Eichstätt stand eine „Festa della Salute“, wie sie in Venedig Anfang der 1630er-Jahre gefeiert wurde, nachdem die Pest, die in der Lagunenstadt gewütet hatte, endlich überwunden war.

Für dieses Konzert kehrte, freudig erwartet, Johannes Weiss, bestens bekannt als früherer Co-Leiter des Musikfestes, nach Eichstätt zurück. Der künstlerische Tausendsassa hatte den Abend eindrucksvoll in Anlehnung an eine damals übliche liturgische Vesper konzipiert: Psalmen als Fixpunkte, aufgelockert durch eingestreute Instrumentalstücke und Vokalconcerti.

Heute weitgehend unbekannte Musik



Diese heute leider weitgehend unbekannte Musik lebt von ihrem eigenen, besonderen Reiz: Zunehmend rückten nämlich die venezianischen Komponisten jener Zeit ab vom älteren Renaissance-Stil mit seiner schweren Polyphonie und den komplexen Strukturen, strebten hin zu kleinteiliger Filigranität und erstaunlicher Leichtigkeit. Die sakralen Werke des späten Claudio Monteverdi oder seiner jüngeren Kollegen wie Giovanni Rigatti sind unglaublich affektreich, deuten die Musik opernhaft aus. Chaconnen und strophenliedartige Sätze versprühen jugendliche Frische auf der stilistischen Höhe ihrer Zeit. In den Schlachtenszenen des Psalms „Dixit Dominus“ dagegen hört man förmlich heraus, wie die Heerscharen ihre Gegner vernichten. Hier lässt Rigatti die Posaunen und Geigen loskrachen, vertont den Battaglia-Charakter mit extremsten Mitteln.

Ensembles konzertieren erstmals gemeinsam



Obwohl die großartige Vokalformation Vox Luminis aus Belgien und die hervorragende Lautten Compagney Berlin bei diesem Projekt zum ersten Mal aufeinandertrafen, schien es, als ob die zwei international renommierten Ensembles schon immer gemeinsam musizieren würden. Beide zeichnet es in höchstem Maße aus, dass sie fantastisch in der perfekt verschmelzenden Geschlossenheit eines Klangkörpers zu agieren verstehen und ausnahmslos über genau die meisterhaften solistischen Qualitäten verfügen, die es braucht, um den Kompositionen von Biagio Marini, Antonio Brunelli, Giovanni Fontana, Chiara Cozzolani – und natürlich Rigatti und Monteverdi – die überzeugende Darstellungskraft zu verleihen.

Klangreichtum entfaltet



Den acht Sängerinnen und Sängern wie auch den Musikerinnen und Musikern gelingt weit mehr als das. In organisch aufblühendem Fluss bringen sie die Phrasierungen bald duftig-lieblich, bald transparent-luzide, dann wieder in voller artikulatorischer Ausdrucksschönheit zum Strahlen, lassen sich von den Schwingungen, Impulsen und Akzenten der Musik tragen. Wie leidenschaftlich ausgefeilt sie die koloraturreiche Virtuosität zelebrieren, wie traumhaft schwebend sie in süßer Terzenseligkeit schwelgen! Wie subtil sie die responsorischen Verflechtungswirkungen inszenieren, wie herrlich sie den Klangreichtum zur Entfaltung bringen, wie betörend sie die unglaublichen Harmonien von paradiesisch sich ergießenden Bögen bis hin zu spritzig-pfiffigen Finessen auskosten!

Espritgeladenes Dirigat



Johannes Weiss gestaltet vom Cembalo aus als „Primus inter Pares“ die Musik formvollendet mit, hat sichtlich größtes Vergnügen daran, selbst ins Geschehen einzugreifen. Als Teil des immer wieder unterschiedlich besetzten Gesamtensembles führt er in höchster Präzision alles zusammen, dirigiert espritgeladen, lustvoll und geschmeidig. Den gloriosen Schlusspunkt des glanzvollen musikalischen Jubels setzt ein imposantes Magnificat, aus der Feder von Rigatti, samt einer wilden, verrückten „Toccata della guerra“. Triumphaler hätte das Musikfest Eichstätt kaum zu Ende gehen können. Stehende Ovationen, minutenlange, frenetische Bravo-Rufe am Ende. Das Konzert wurde von BR-Klassik live übertragen.