Vorweihnacht der guten Herzen
„Nachbar in Not“ unterstützt in Eichstätt bei existenziellen finanziellen Problemen

05.12.2023 | Stand 05.12.2023, 19:11 Uhr
Johann Kraus

Ja zum Sozialfonds Nachbar in Not: Die Klassensprecher des Willibald-Gymnasiums haben sich mit großer Mehrheit dafür ausgesprochen, dem Sozialfonds 1000 Euro zu spenden. Foto: Graf

In über 1000 Fällen hat der Sozialfonds Nachbar in Not seit seiner Gründung im Jahr 2007 Hilfe geleistet. Auf dieses Jubiläum könnte man eigentlich gerne verzichten, verbirgt sich doch hinter jedem dieser Fälle eine Person, die in eine existenzielle Notlage geraten ist.

So wie zum Beispiel eine junge Frau aus dem östlichen Landkreis Eichstätt. Noch sichtlich bewegt, schildert sie am Telefon, wie alles angefangen hat: Ihr Ex-Mann hat ihr nach der Trennung einen riesigen Schuldenberg hinterlassen, so dass sie vor der doppelten Belastung stand, diesen Schuldenberg abzubauen und ihren Haushalt als alleinerziehende Mutter zu bewältigen. Als dann noch die Waschmaschine kaputtging, wandte sie sich an die Schuldnerberatung der Caritas, die dank des Sozialfonds sofort helfen konnte. Diesen und ähnliche Fälle hatten Willy Scherer und der inzwischen verstorbene Dieter Eichiner vor Augen, als sie beschlossen, einen Hilfsfonds zu gründen, der sich um Notfälle kümmert, die vor unserer eigenen Haustür passieren.

Wie Sie „Nachbar in Not“ unterstützen können, erfahren Sie auf unserer Sonderseite

Dass es in unserer an sich reichen Gesellschaft zahlreiche solche Fälle gibt, ist vielen gar nicht bewusst. Die meisten von Armut Betroffenen scheuen sich nämlich, Hilfe anzunehmen. Dabei sind es oft eher kleinere Beträge, die die gesamte Finanzplanung eines Haushalts durcheinanderbringen: die Zuzahlung zu einem Medikament, die Gebühren für das Ausstellen eines Passes oder die Kosten für ein neues Brillengestell. Ganz zu schweigen davon, wenn die sogenannte elementare Grundsicherung wegbricht: wenn eine Stromsperrung droht oder nicht mehr genügend Heizmaterial vorhanden ist. Neben den hohen Kosten für Miete und Energie stellen auch die gestiegenen Preise für Lebensmittel inzwischen ein großes Problem dar. Der größte Vorteil von Nachbar in Not liegt darin, dass unbürokratisch geholfen werden kann.

„Allein heuer haben wir bereits 64 Antragsteller“



Eine junge Frau mit zwei Kindern hatte einen Großteil der für den Führerschein notwendigen Fahrstunden bereits absolviert, als die Firma, bei der ihr Mann beschäftigt war, Insolvenz anmeldete. Damit sie weitermachen konnte, übernahm der Solidarfonds die Kosten für die restlichen Fahrstunden und die Prüfung. So konnte man der jungen Mutter mit einem überschaubaren Aufwand eine berufliche Perspektive eröffnen. Mit einem gewissen Stolz darf der Sozialfonds auf die Bilanz der vergangenen Jahre zurückblicken. „Seit dem Bestehen von Nachbar in Not haben wir knapp 300.000 Euro ausbezahlt“, so Josef Wintergerst von der Caritas-Station in Eichstätt. „Allein heuer haben wir bereits 64 Antragsteller mit mehr als 26.000 Euro unterstützt.“

Die Finanzkraft von Nachbar in Not speist sich aus vielen Quellen: Zum einen haben die Organisatoren am Willibald-Gymnasium von Anfang an einen Grundstock an Vermögen aufgebaut, der günstig verzinst wird. Daneben fließen Erträge ein, die sich aus vielen eher kleinen Spenden zusammensetzen, die im Endeffekt aber eine stattliche Summe ergeben. Da verzichtet ein Jubilar bei seinem Geburtstag auf Geschenke und bittet stattdessen um eine Spende oder der Sozialfonds bekommt den Erlös von Flohmärkten oder anderen Aktionen.

Wunschbaumaktion des Audi-Betriebsrates



Parallel dazu wird Nachbar in Not durch die Wunschbaumaktion des Audi-Betriebsrates unterstützt. Heuer kommen 17 Kinder aus bedürftigen Familien in den Genuss eines Geschenks. Jetzt gab es am Willibald-Gymnasium eine Versammlung der Klassensprecher, in der mit großer Mehrheit beschlossen wurde, einen Großteil der Einnahmen aus dem Gartenfest zu spenden. Dabei zeigen die jungen Menschen gerade in der Adventszeit Gespür für Mitmenschen, denen es nicht so gut geht. Franziska Krieglmeyer aus der 9. Klasse zum Beispiel findet es „schön, dass wir mit dem Geld Menschen in unserem nächsten Umfeld helfen können“. Maximilian Bauch aus der 11. Klasse ist es wichtig, „dass wir als Schülervertreter auch die Leute im Blick haben, denen es nicht so gut geht.“

Mitgefühl für andere zu wecken, darin sieht Schulleiter Claus Schredl ebenfalls ein zentrales Erziehungsziel: „Diese Tradition des Helfens, hinter der die gesamte Schulfamilie steht, gehört inzwischen zur DNA des Willibald-Gymnasiums.“ Und so werden in den nächsten Tagen über 100 Schüler rund 12.000 Spendenaufrufe im Landkreis verteilen. Im Moment verkaufen Schüler des WG unter der Leitung von Ulrike Laumeyer und Simone Kriegl am Weihnachtsmarkt in Eichstätt Lose für einen sozialen Zweck. Auch wenn solche Aktionen gerade bei der aktuellen Wetterlage nicht unbedingt immer Freude bereiten, wissen die Schüler doch, welchen Effekt ihr Engagement im Einzelfall bewirkt.

Die größte Belohnung ist es jedoch, wenn man die Dankbarkeit erfahren darf, weil die Unterstützung durch Nachbar in Not oft nicht nur ein aktuelles Finanzproblem löst, sondern Perspektiven für die Zukunft eröffnet. So bekannte die anfangs erwähnte alleinerziehende Mutter am Telefon freimütig: „Ich habe geweint vor Dankbarkeit, als ich gehört habe, dass mir der Solidarfonds hilft. Da hab’ ich gewusst: Es geht weiter.“

EK



Der Hilfesuchende aus Stadt und Landkreis Eichstätt meldet sich bei der Caritas-Kreisstelle Eichstätt, die einen Beratungstermin vereinbart. Zuerst wird geprüft, ob Sozialleistungen beantragt werden können. Wenn diese nicht greifen, besteht die Möglichkeit einer Unterstützung durch den Sozialfonds. Kontaktadresse ist die Caritas-Kreisstelle (Weißenburger Straße 17). Erreichbar sind Josef Wintergerst unter Telefon (08421) 50-131, Renate Wolf-Forsthofer unter (08421) 50-135 und Stefanie Böhm unter (08421) 50-134.