Veranstaltung braucht wohl noch Anlaufzeit
„Langen Nacht der Demokratie“ in Eichstätt mit Licht- und Schattenseiten

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04.10.2022 | Stand 22.09.2023, 5:02 Uhr

Bei der „Engagierten Stadt“ konnte man Armbänder für die Demokratie bedrucken. Fotos: Kusche/Luff

Es mag das schlechte Wetter am Samstag gewesen sein oder die trügerische Sicherheit der Eichstätter, dass uns die Demokratie sowieso keiner nehmen kann: Eher durchwachsen war das Publikumsinteresse an der „Langen Nacht der Demokratie“, die zum zweiten Mal in Folge stattfand und immerhin fünf hochkarätige Stationen zum Mitmachen, Zuhören, für Gespräche und Diskussionen bereithielt.

Regen Zuspruch fanden an diesem Abend vor allem die Vorstellung neuer Medienformate durch Studenten der Katholischen Universität (KU) im BayernLab und die Mitmach-Aktionen der Engagierten Stadt im Rathaus. Die übrigen Veranstaltungen wurden kaum oder überhaupt nicht besucht.

Ins BayernLab kamen im Laufe des Abends mehr als 100 Eichstätter: Hier ging es um innovative Formate der Berichterstattung in den Medien, die man selbst erproben konnte. Nur eine Handvoll interessierter Zuhörer begrüßte hingegen Oberbürgermeister Josef Grienberger (CSU) im Rathaus bei seinem Vortrag „Jugend ohne Demokratie?“ Er bat in sein Dienstzimmer, wo er über die Möglichkeiten und Herausforderungen der Teilhabe von jungen Erwachsenen an kommunaldemokratischen Prozessen sprach und sich auch Zeit für intensive Diskussionen nahm. Grienberger wies auf die Bedeutung der Jugendpartizipation in Eichstätt hin und nannte Aktionen der Stadt, um Kinder und Jugendliche für die spätere ehrenamtliche politische Arbeit zu gewinnen. Dazu bedarf es aber auch viel Zeit, die häufig von der eigenen Freizeit abgeht, weiß Grienberger aus eigener Erfahrung. Grienberger war an diesem Abend offen und optimistisch: Er ist davon überzeugt, dass es eine politisch interessierte Jugend in Eichstätt und im Landkreis gibt.

Armbänder für die Grundwerte der Gesellschaft

Zum spielerischen Entdecken von Demokratie und Mitmachaktionen hatte auch Maria Bartholomäus, Koordinatorin der Engagierten Stadt und Projektmitarbeiterin bei „Mensch in Bewegung“ (KU), eingeladen. Immer wieder besuchten interessierte Bürgerinnen und Bürger, darunter auch mehrere Familien, den ersten Stock des Rathauses, schauten vom Balkon auf den Marktplatz oder nahmen Platz auf dem Bürgermeisterstuhl. An einem großen Tisch gab es für Kinder eine große Auswahl an Stempeln mit Botschaften wie „Hoffnung“, „Freiheit“, „Brücken bauen“ oder „Freundschaft“, mit denen sie Armbänder bedrucken konnten und damit mit Grundwerten einer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft in Berührung kamen.

Demokratie spielerisch ausprobieren konnten Interessierte bei der Kommunalen Jugendarbeit im Spiegelsaal der Residenz. Dort wurden die Türen für das hautnahe Erlebnis geöffnet, was Demokratie und demokratische Strukturen bedeuten. Wer allerdings ein wenig zu spät kam, konnte dort keinen Zutritt mehr finden. Auch die Heimaterei in der Pfahlstraße hatte zur Langen Nacht ihre Türen geöffnet. Allerdings: Außer einer Touristengruppe, die sich sehr für das Projekt interessierte und die „Perle Eichstätt“ in den höchsten Tönen lobte, verirrten sich hierhin kaum Gäste.

Organisatorin Liane Rothenberger vom KU-Lehrstuhl Journalistik und ihr Team zogen trotzdem ein positives Resümee: „Wir hatten viele bereichernde Gespräche über Teilhabe in Demokratien, die Rolle von Medien und die Arbeitsweise von Journalisten und haben mit unserem Angebot unterschiedliche Personen erreicht“, so Rothenberger. Dennoch überwog der Eindruck, dass die Lange Nacht der Demokratie in Eichstätt noch Zeit braucht, um als „feste“ Veranstaltungsgröße ihren Platz zu finden.

Eigene Tagesschau am polnischen Grenzbahnhof

Journalistik-Studenten hatten im BayernLab vier Informations- und Mitmachstationen eingerichtet, die auch rege genutzt wurden. So konnte man zum Beispiel in die Rolle eines Politikers im Bundestag schlüpfen und die hochaktuelle Entscheidung treffen, ob der Mindestlohn erhöht werden sollte. Als Basis dieser Entscheidung bekam man eine Fülle von Informationen als Video-, Audio- und Textdateien zur Verfügung gestellt. Eine Station weiter setzten sich die Besucher eine VR-Brille auf, bekamen einen Joystick in die Hand und tauchten visuell in die Atmosphäre eines polnischen Grenzbahnhofs ein, an dem gerade ukrainische Flüchtlinge gestrandet waren. Auch eine interaktive Tagesschau konnte man sich als ‚Redakteur‘ am PC zusammenbasteln. Exemplarisch wählte man zum Thema Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt vorgefertigte Statistiken, Berichte und Interviews aus und bestimmte durch die Wahl der Inhalte und deren Reihenfolge die Schwerpunkte bei dieser Sendung. Und schließlich informierte eine professionelle Stellwand über die „Einfache Sprache“ in den Medien: Denn seit 2008 schreibt die UN-Behindertenrechtskonvention auch den Medien vor, komplexe Inhalte für kognitiv eingeschränkte Leser oder Menschen mit Migrationshintergrund in Leichte oder Einfache Sprache umzusetzen.